Singler, Andreas: Dopingprävention

Andreas Singler

Dopingprävention – Anspruch und Wirklichkeit

Shaker Verlag GmbH 2011

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>>> Inhaltsverzeichnis


Dopingprävention – was ist das eigentlich? Hier gehen die Vorstellungen noch weit auseinander. Ist es damit getan, dass junge Sportlerinnen und Sportler, sowie Eltern und Trainer über die Dopingregularien aufgeklärt werden und vor möglichen Verfehlungen und den damit verbundenen Konsequenzen gewarnt werden? Oder ist Dopingprävention umfassender, muss Teile der Strukturen des Sportsystems einbinden und hinterfragen, muss eingehen in den Alltag der jungen Sporttreibenden und Teil der Persönlichkeitsbildung werden? Gibt es Verbindungen zwischen Doping im Sport und Alltagsdoping und Suchtverhalten?

Andreas Singler befasst sich seit vielen Jahren mit solch einem weitreichenden Ansatz. Allerdings ist diese Sichtweise und die damit verbundene Vorgehensweise mühsam und nur schwer in den Alltag der Sportverbände und -vereine zu integrieren, schon deshalb, weil das Verständnis hierfür oft nicht vorhanden ist.

Dies ist allerdings nicht das einzige Hindernis. Zum einen sind wissenschaftliche Arbeiten zum Thema nicht eben zahlreich und zum anderen unterscheiden sich die theoretischen Grundlagen und Ansätze, so dass Vergleiche und sich daraus ableitende Handlungsmöglichkeiten nur schwer abzuschätzen sind.

Andreas Singler versucht in dem vorliegenden Buch den Stand der Diskussion zu dem Thema pharmakologische Leistungssteigerung bzw. Substanz- und Medikamentenmissbrauch zusammenzufassen und ein Bild der gegenwärtigen Verhältnisse und Präventionsaktivitäten zu zeichnen. Sein Fazit fällt dabei eher nüchtern wenn nicht gar entmutigend aus. Gegen Doping sind alle, Prävention wird hochgehalten, doch in der Praxis beschränkt sich diese häufig auf Appelle. Ursachen, die über persönliches Fehlverhalten des einzelnen Sportlers hinausreichen und die Verhältnisse betreffen in denen und mit denen dieser aufwächst, die ihn prägen und denen er sich nur schwer entziehen kann, bleiben außen vor. Dopingprävention ist so oft nicht mehr als ein Lippenbekenntnis (Stichworte sind z.B. Verhaltens- und Verhältnisprävention).

>>> Zitat aus dem Buch: Andreas Singler zu den Zielvereinbarungen DOSB-DSV für Sochi 2014

Thomas Bach:
SID: „2008 wurde die deutsche Mannschaft nach 16 Siegen mit insgesamt 41 Medaillen Fünfter im Medaillenspiegel. Ist ein ähnliches Ergebnis für London realistisch?“
Bach: „London wird noch sehr viel härter als Peking. Die Spitzennationen sind sehr viel enger zusammengerückt, und es gibt immer mehr Länder, die Medaillen gewinnen. Bei den anderen Nationen waren nie so viel Geld und Know-how im Spiel wie jetzt. Nicht nur die gastgebenden Briten investieren deutlich stärker, als es uns möglich ist, auch die Russen und viele andere Länder fördern den Spitzensport als ihr Aushängeschild mit enormen Mitteln. Am Ende können ein oder zwei Goldmedaillen mehr oder weniger darüber entscheiden, ob man Vierter oder Neunter im Medaillenspiegel wird. Wenn wir die finanzielle Basis nicht verbessern, besteht die Gefahr, dass wir mittelfristig nicht mehr in der internationalen Spitze mithalten können.“ (sid, 27.12.2011)

ein Funktionär:
„Wenn die Prävention erfolgreich sein will, müsste am Ende der Sport schon verändert werden. […] In dem Moment, wo ich sage, ich bin bereit, ich akzeptiere schlechtere Leistungen in einem dopingfreien Sport, kann ich mit Prävention etwas erreichen. Aber solange ich als Sponsor, als egal wer, höchste Leistung herauskitzeln will, werde ich mit Sicherheit immer wieder Leute finden, die sich bereit erklären, für die und die Summe oder für die Ehre oder für Privilegien, die ich dann kriege, alles rauszuhauen, egal wie, und wenn ich durchhalte, ist es gut und wenn nicht, dann habe ich halt Pech gehabt“.

Als ein praxisnahes aktuelles Beispiel dieser Haltung zitiert der Autor die Zielvereinbarungen des Deutschen Olympischen Sportbundes mit dem Deutschen Skiverband für die Olympischen Winterspiele in Sochi 2014. Hoch angesetzte Qualifikationskriterien und Medaillenerwartungen gelten seit Jahrzehnten als mitverantwortlich für den Griff nach leistungsteigernden Substanzen. Sportlerinnen und Sportler, aber auch Sportfunktionäre und Trainer haben solche immer wieder angeprangert. Geändert hat sich daran aber anscheinend wenig.

Der Autor stellt der deutschen Präventionsrealität ausländische Beispiele der Präventionsarbeit gegenüber. Projekte aus Frankreich, Italien, Schweiz und Marokko zeigen, dass Deutschland im Vergleich noch Nachholarbeit zu leisten hat.

Im zweiten Teil des Buches stellt Andreas Singler die von ihm 2008-2010 durchgeführte Studie Dopingprävention in Rheinland-Pfalz vor, die das Ministerium des Inneren und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz in Auftrag gegeben hatte. Der Autor hatte die Möglichkeit mittels Fragebogen und teilstrukturierter Interviews Vertreter von Landessportfachverbänden und Arbeitsgemeinschaften zu befragen. Die Ergebnisse der Studie sind aufschlussreich und vielfältig. Dem deutschen Hochleistungssport wurde u.a. von einigen Befragten ein Glaubwürdigkeitsproblem attestiert, dahingehend, dass sich die erwarteten Leistungen häufig nicht mit einem sauberen Sport vereinbaren ließen. Damit bestätigten sie die bereits erwähnte Kritik. Andere offenbarten nur ein geringes Problembewusstsein, Doping gehöre nicht zu den wichtigen Themen, fände im eigene Verband kaum statt, bzw. die Verantwortung für die Behandlung wurde an die höher angesiedelte Verbandsebene weiter gereicht. Auch Ängste wurden formuliert, z.B. dahingehend, dass die offene Beschäftigung mit dem Thema Eltern davon abhalten könnte, ihre Kinder zum Sport zu schicken. Deutlich wurde, dass sich mit dem Thema Doping und insbesondere Dopingprävention schnell ein Gefühl der Überforderung einstellen kann. Festzuhalten bleibt, dass der Begriff und die Praxis der Dopingprävention höchst uneinheitlich verstanden und interpretiert wurden.

Dies sind jedoch nur einige Beispiele der Einstellungen der Befragten und deren Vorbehalte und Meinungen. Die Kurzfassung der Studie kann >>> hier nachgelesen werden.

Andreas Singler beschließt sein Buch mit 14 detailliert herausgearbeiteten Handlungsempfehlungen für die Praxis im Sport und darüber hinaus. Besonders gefordert sind Schule, Politik und Forschung.

Allen, die sich mit der Dopingprävention, genauer mit dem Substanz- und Medikamentenmissbrauch, befassen, möchte ich das Buch empfehlen. Es ist nicht überfrachtet, sondern fasst das Thema übersichtlich und trotzdem umfassend zusammen, arbeitet offene Fragen heraus, gibt Anregungen für die praktische Arbeit und regt zu Diskussionen an. Als besonders praxistauglich könnte sich vor allem die Studie mit den zahlreichen Originalzitaten der Befragten erweisen. Eines dürfte klar werden, glaubwürdige Dopingprävention mit Erfolgschancen lässt sich nicht so nebenbei erledigen.

Andreas Singler, Sportwissenschaftler, ist Mitautor der beiden wegweisenden Bücher zur Dopingproblematik Doping im Spitzensport und Doping – von der Analyse zur Prävention sowie zahlreicher einschlägiger Artikel und Studien.

Monika