Doping: China vor Olympia 2008

>>> Dossier China und Doping

Produktion von und Handel mit Dopingsubstanzen

China: weltweit bedeutenster Produzent von Dopingsubstanzen?

SZ: China sitzt auf der Anklagebank, 6.8.2008
ZDF: Mission Gold I – China und Doping, 9.7.2008, Video 30:30 Min
zdf:Mission Gold II- Wie sauber sind die Spiele, 30.7.2008
ZDF: Chinas Dopingexporte, 3.6.2008, Video 8:10 Min
ARD: Seppelt: „Angebote besorgniserregender medizinischer Experimente“, 18.7.2008
Tagesspiegel: Der Exportweltmeister, 2.8.2008
der Spiegel: Richard Pound: „China ist eine Quelle von Drogen“, 4.5.2007
Tagesspiegel: Ines Geipel: Dahinter steckt System, 8.4.2008

Gendoping in China?

In einer Dokumentation der ARD über Doping in China „Olympia im Reich der Mittel“ erklärte sich ein chinesischer Arzt für 24 000 Dollar bereit Gendoping mit Nabelschnur-Stammzellen auszuführen:

„Es dauert zwei Wochen. Ich empfehle vier intravenöse Verabreichungen: 40 Millionen Stammzellen, vielleicht auch das Doppelte, je mehr, desto besser“, erklärte der Arzt. Erfahrungen bei der Behandlung von Sportlern gebe es noch nicht. „Aber die Behandlung ist sicher, es kann nichts passieren“, sagte der Mediziner.“

ARD, 22.7.2008, SZ, 21.7.2008

Organisiertes Doping an Sportschulen?

Mindestens 4000 Sportschulen in den einzelnen Provinzen bilden in China hunderttausende von Kindern und Jugendlichen aus. Eine Übersicht zu den Verhältnissen vor Ort zu bekommen, scheint schwierig. Immer wieder wird in Berichten betont, dass diese Sportschulen untereinander in großer Konkurrenz stehen und Dopingpraktiken normal seien, es ein entsprechendes Problembewusstsein nicht gäbe.

Fallbeispiel: Anshan Sportschule

Spiegel, 24.8.2006:

„Es war eine überraschende Inspektion der staatlichen Sportverwaltung und der Anti-Doping-Kommission, die auf einen Tipp reagierten. Das berichteten amtliche Medien. Mitarbeiter der Anshan Sportschule seien demnach auf frischer Tat ertappt worden, als sie den jugendlichen Sportlern gerade verbotene Substanzen spritzten. Injektionsspritzen sowie „große Mengen“ Epo und Testosteron seien sichergestellt worden. Die Sportler hätten sich auf örtliche Wettkämpfe vorbereitet.

FR, 7.8.2008:
„Im Sommer 2002 flog eine Sportschule im nordchinesischen Shenyang auf, nur ein paar Autostunden von Anshan entfernt. Mehreren Dutzend Schülern wurden damals Epo und andere starke Dopingmittel gespritzt, um sie fit für das Sportfest der Provinz zu machen. Das Doping fand in der Schulmensa statt, die Spritzen setzte der Schularzt. Bestraft wurde niemand. Bis heute scheint auch niemand in der Schule das Gefühl zu haben, etwas falsch gemacht zu haben. „Die Medien haben das aufgebauscht“, sagt Lehrer Yang Liming, ein ehemaliger Langstreckenläufer.“

Die betroffene Provinz Liaoning gilt als die sportlich erfolgreichste Chinas. Viele international bekannte Leistungssportler stammen aus Liaoning. 2002 wurde jedoch bereits die ebenfalls in dieser Provinz beheimatete Shenyang Sportschule wegen kollektiven Dopings angezeigt.“

FR, 7.8.2008: Mit Medikamenten und roher Gewalt:

Die Gründe für die Razzia an der Sportschule lagen lange im Dunkeln. Harald Maas fand heraus, dass die Konkurrenzsituation zwischen zwei Provinzen die Ursache der ungewöhnlichen Maßnahme war:

„Der Fall in Anshan wäre nie ans Tageslicht gekommen, wenn die Mannschaft nicht gerade auf einem Trainingslager in der Nachbarprovinz gewesen wäre. Das Team stand damals vor einem wichtigen Wettkampf, es ging um Prämien und Fördergeld. Weil einige der Trainer unzufrieden mit der Verteilung der Prämien waren, gaben sie einen Hinweis an die lokale Dopingbehörden, die den Fall nach Peking meldeten. „In Anshan wäre das nie aufgeflogen. Das hätten die lokalen Funktionäre verhindert“, sagt der Sportjournalist. Die Zeitungen in der Provinz durften nie über die Hintergründe des Falls berichten.“

Nachdem die Meldung um die Dopingfunde das Dopen von Jugendlichen um die Welt ging und China eine umfassende Aufklärung versprochen hatte, wurde es ruhig um diese Nachricht.

„Die angekündigte Aufklärung fand nie statt. Als im Oktober 2006 der Untersuchungsbericht vorlag, erklärte die Regierung in Peking den Bericht zu einem internen Dokument. „Nur Beamte mit einer bestimmten Hierarchie haben darauf zugriff“, erklärte Yuan Hong, Direktorin des Anti-Doping-Büros im Nationalen Olympischen Komitees. (…)“

Nachfragen im Sportamt bringen keine Informationen.

„Ähnlich abweisend ist man in der Anshan Sportschule. „Wir beantworten keine Fragen“, erklärt der Direktor, der seinen Namen mit Hu Haiyu angibt. Auch über die Art des Trainings und die Zahl der Schüler will er nichts sagen. Als wir das Büro verlassen, verfolgen uns zwei Männer in Lederjacken. Es sind Lehrer, die verhindern sollen, dass wir etwas über die Schule erfahren.“

„Ein ehemaliger Hürdenläufer aus Anshan, der heute in Peking in einer Universitätsmannschaft trainiert, bestätigt den systematischen Einsatz von Doping an Sportschulen. „Die Trainer nennen es Medizin oder sie sagen, es sind Vitaminspritzen“, berichtet der 21-Jährige. Die Familien der Schüler würden das Doping meist akzeptieren, weil sie auf eine Sportkarriere ihres Kindes bauen. Er selbst habe die Mittel abgelehnt. „Ein ehemaliger Trainer von mir soll seinen Athleten Pferdemedizin gegeben haben“, berichtet er.“

„nach Aussage von Schülern und deren Familien wird an den Sportschulen in Anshan bis heute gedopt. Wer in den Apotheken nach „Cu Hong Xi Bao Sheng Cheng Su“ fragt, dem chinesischen Namen für Epo, wird rasch fündig. Eine etwa 40-jährige Frau, die gerade beim Einkauf in der Apotheke ist, fragt neugierig: „Geht dein Kind auch auf die Sportschule?“ Epo ist ein starkes Medikament für Nierenversagen, doch die Frau, deren Sohn auf der Leichtathletikschule trainiert, kennt sich bestens mit der Dosierung für Sportler aus. „Man muss es schon ein paar Monate vor dem Wettkampf nehmen, dann wirkt es am besten“, erklärt sie kundig.“

„“Jeder weiß, dass in den Sportschulen gedopt wird“, sagt ein Sportjournalist aus der Provinz Liaoning. Er erzählt von jungen Sportlerinnen mit ungewöhnlich großen Adamsäpfeln und Bartwuchs – eine Folge des Hormondopings -, die bei Provinzwettkämpfen antreten. „Die Funktionäre kennen und akzeptieren das Doping. Hauptsache ist, dass sich niemand erwischen lässt.“

Tagesspiegel, 15.2.2007:

Anfang 2007 wurde die Situation an den Sportschulen von vielen weitgehend losgelöst von den zentralen Strukturen in Peking betrachtet. In Hinblick auf die Olympischen Spiele in 2008 scheint es sich eher um ein allgemeines gesellschaftliches Problem zu handeln, ähnlich wie bei uns. Die Vorkommnisse rund um Anshan deuteten auch nach nach WADA-Sicht darauf hin, dass China den Antidopingkampf ernst nehme.

„Inzwischen greifen auch nicht nur Spitzensportler zu verbotenen Substanzen. „Die Gewichtung verlagert sich von Profis zu Amateuren, von offiziellen Wettbewerben zum Gesellschaftssport und zu Aufnahmeprüfungen an Schulen“, räumt Yang Shuan ein, Vizepräsident des Organisationskomitees der Pekinger Spiele. Der Skandal von Anshang belege dies. Die dort gedopten Jugendlichen hätten nicht zur Elite gehört, sondern sich auf ein allerdings prestigeträchtiges Leichtathletikmeeting auf Provinzebene vorbereitet.“

Süddeutsche Zeitung, 6.8.2008:

Für Grit Hartmann und Thomas Kistner handelt es sich dagegen an den Sportschulen klar um Systemdoping, um staatlich verordnetes Doping:

„Zugleich finden sich straffe Zuchtprogramme: Die Athleten in den Sportschulen sind offenkundig entmündigt, ohne Verbindung nach außen, Prämien laufen meist über Trainerkonten, sie sind nur darauf gedrillt, Land und Eltern Ehre zu machen. Kaufen so brave Kadergeschöpfe Dopingmittel auf eigenes Risiko? Als etwa 2007 in der Anshan-Sportschule im Nordosten 450 Flaschen mit Dopingstoffen gefunden wurden, mussten die Trainer zugeben, dass sie ihre 15- bis 18-Jährigen Eleven dopten.“

Organisiertes Doping durch Ärzte?

SZ, 6.8.2008:

2001 „wurde der Sportstaatsplan „Projekt 119“ initiiert, der auf den Gewinn aller Medaillen in olympischen Kerndisziplinen wie Leichtathletik, Schwimmen abzielte. Und wichtiger: In Peking wurde die erste zentrale Sportklinik eingerichtet. Li Guoping leitete sie von Anfang an, Chef des Sportärzteverbands und Chefarzt von NOK und Olympiateam. Bald gab es Ausreisekontrollen, aber keine internationalen Skandale mehr.

Laut Li sind 30 Ärzte für die Nationalteams in der Klinik fest angestellt, weitere 120 werden von den Provinzen bezahlt. Alle unterstehen der Fachaufsicht seiner Klinik, die auch eine Forschungsabteilung hat und im vierten Stock die Spitzenathleten behandelt.

Dass Chinas Sportärzte zentral gesteuert sind, wird bisher ausgeblendet. Dabei fällt diese Steuerung wie einst im DDR-Sport zusammen mit dem Ende der großen Dopingchronik.“

smh.com.au, 27.8.2012: Chinese Olympians subjected to routine doping,

smh.com.au, 28.7.2012: China’s experiment with drugs blamed on US and Russia:

2012 zu Beginn der Olympischen Spiele erklärten zwei ehemalige chinesische Sportärzte gegenüber der Tageszeitung The Sydney Morning Harald , dass in den 1980er und 90er Jahren mit ihrer Beteiligung systematisch gedopt worden war: Xue Yinxian, Chefmedizinerin der chinesischen Turnerinnen, und Chen Zhanghao, ehemaliger Arzt der chinesischen Olympiateams 1984, 1988 und 1992.

Xue Yinxian erwähnt anabole Steroide und Wachstumshormone, die ab den 1980er Jahren im Rahmen eines ‚wissenschaftlichen Programms‘ den Sportlern ohne deren Wissen verabreicht wurden. Eine Weigerung der Mediziner war nicht möglich, wollten sie ihren Job behalten.
„Dr Xue says she fought a long but losing battle against the systematic use of drugs in elite sport since China closed the door on the Cultural Revolution and began opening to the world.

She said its top sports official told a meeting in October 1978 that performance-enhancing drugs were simply new things that should be utilised, provided they were properly understood.

“He gave the example of how a woman could use tampons to continue training while having her period,“ he said. “And so it was with human growth hormones, which he described as a scientific training method. Whoever rejected them would face punishment or criticism.“
Dr. Chen Zhanghao führt die Erfolge und Dopingvorbilder der US-Amerikaner und Sowjetrussen an als Begründung für das staatlich geforderte chinesische Dopingprogramm. Es hätte allerdings auf freiwilliger Basis der Sportler stattgefunden. So nennt er Hürdenläufer Liu Xiang und Basketballer Yao Ming, die zu ihm während schwieriger Zeiten in ihrer Karriere zu ihm gekommen seien. Er habe mit Sportlern anabole Steroide und Blutdoping getestet, wäre aber von den Resultaten nicht überzeugt gewesen. Wachstumshormone seien zu teuer gewesen, so habe er das Steroid Metandienon favorisiert. Die Schwimmer hatten allerdings auf Wachstumshormone gesetzt. Er habe insgesamt das Interesse an leistungssteigernden Substanzen verloren. Die Verabreichung habe zudem drei Prinzipien folgen müssen:
“The first principle was ‚voluntary‘, the second ’no harm‘ and the third ‚effective‘.“ …

“The United States, the Soviet Union and France were all using them so we did as well,“ said Dr Chen. “So how can you condemn China but not the USA or Soviet Union?“

Dr Chen said some Chinese stars declined to use banned drugs, such as volleyball star Lang Ping when winning China’s first team sports Olympic gold in 1984, who declined to use testosterone despite her low levels at the time.

“She didn’t use it in the end, but some others tried,“ he said.“
Ärztin Xue Yinxian ergänzte Zhanghaos Aktivitäten.
„Dr Xue said Dr Chen led a medicine study group under the training bureau of the sports administration “whose purpose was to study drugs and human growth hormones“.

Dr Chen said it was called an “anti-doping“ group but did say he trialled various performance-enhancing drugs on “about 50“ elite athletes.

“Later we came to this conclusion: half-half. Fifty per cent of people found them effective and 50 per cent did not,“ he said.

Dr Xue said Dr Chen delivered a speech on December 5, 1990, about the clinical use of human growth hormones, in which he claimed credit for the female swim team’s sudden international success.

“He preached about his experience of using hormones and boasted that half of the merit for swimmers winning gold medals should be given him,“ she said.

“I could only manage my own gymnastic team, but sometimes my athletes were given [growth hormones] secretly.“
2017 floh Xue Yinxian mit ihrem Sohn nach Deutschland und beantragte Asyl. In Interviews präzisierte sie Ihre Erfahrungen mit dem chinesichen Dopingsystem:

sportschau.de: Chinesische Dissidentin flüchtet nach Deutschland, 21.17.2017
SZ : Die Sportärztin, die zu viel weiß , 21.10.2017

Geheime Trainingsgruppen mit ‚besonderem‘ Programm?

SZ,6.8.2008: Grit Hartmann, Thomas Kistner: Die Wunderkinder:

Wang Dexian, berüchtigter Trainer, (s. hier gesperrt und doch mit Olympiaauftrag aktiv, bereitet junge unbekannte Läuferinnen an geheimen Ort und mit geheimen Methoden auf die Medaillenjagd vor. Genaues ist nicht zu erfahren.

Ein ähnliches Bild ergibt sich mit Schwimmtrainer Zhou Ming. Auch er war bereits in den 90er Jahren erfolgreich. Seine Schwimmerinnen eroberten Titel um Titel, einige von ihnen wurden des Dopings überführt. Auch er wurde (wie Ma Junren und Wang Dexian) offiziell suspendiert, arbeitet jedoch als Trainer weiter.
„Mit Zhou Ming verbindet sich die wohl rätselhafteste Geschichte des chinesischen Sports. Sie handelt von einer halbierten Generation und beginnt mit einem Fakt: Ende 2001, kurz nach dem Olympiazuschlag für Peking, wurden die 100 talentiertesten Schwimmkinder des Landes für eine Pekinger Sportschule gesichtet. Nur 50 blieben. Der Amerikaner John Leonard, damals Chef der Weltvereinigung der Schwimmtrainer, berief sich auf chinesische Kollegen: „Keiner glaubt, dass die anderen 50 aussortiert wurden. Sie wissen nicht oder wollen nicht sagen, wo sie sind.“ Die Geschichte endet mit einer Vermutung: Die Kinder, spekuliert Leonard, würden irgendwo in der Provinz vorbereitet, vielleicht mit Genmanipulation, vielleicht von Zhou.“

„Tatsächlich fallen ein paar Schwimmerinnen erst seit kurzem auf. Die erstaunlichste Erscheinung misst nur 1,60 Meter und heißt Li Xuanxu. Vor einem Jahr absolvierte sie die 400 Meter Lagen in der schnellsten je von einer 13-Jährigen vorgelegten Zeit. Drei, vier weitere Wunderkinder trainieren mit ihr in der Provinz Hunan. Nicht Zhou Ming betreut sie, sondern Feng Zhen. Sie wird „Medaillenmacherin“ genannt und war schon zu Zeiten des chinesischen Anabolikaprogramms dabei. Feng und mindestens zwei ihrer Talente, Li Xuanxu und You Meihong, sind im Peking-Team.“

Antidoping-Maßnahmen Chinas

ARD, 22.7.2008:

Es „werden China aber auch Fortschritte im Kampf gegen Doping attestiert. „Es ändert sich ständig etwas. Es gibt Verbesserungen und nun haben sie eine sehr durchstrukturierte, neue Organisation etabliert“, stellte WADA-Vizepräsident Arne Ljungqvist fest. Während 1990 nach Aussagen von Jian Zhixue, Generaldirektor des chinesischen Sportministeriums, gerade mal 165 Tests bei Athleten im ganzen Jahr gemacht wurden, seien es nun 10.000 Kontrollen pro Jahr bei rund 30.000 Spitzenathleten in China. Dieselbe Anzahl von Kontrollen werden auch in Deutschland durchgeführt – allerdings für 3000 Sportler.“

NZZ, 8.8.2008: Warum werden die chinesischen Athleten abgeschirmt?:

„Es ist anzunehmen, dass es wie auch andernorts hinter verschlossenen Türen zu Unrechtsmässigkeiten kam, Doping an der Tagesordnung war. Dass aber jetzt noch systematisch mit unerlaubten Mitteln gearbeitet wird, ist zu bezweifeln. Einerseits wegen dem bisher erzielten (mässigen) Rendement in Sportarten wie Schwimmen oder Leichtathletik, andererseits mit dem chinesischen Verständnis von einem Gesichtsverlust. Für China wäre es der worst case, wenn an den Spielen im eigenen Land gedopte Athleten aus dem eigenen Team entlarvt würden. (…)
Auch der acdezidiert geführte Kampf gegen Doping sei einzig damit begründet worden, dass ein Dopingfall an den Spielen politischen Schaden anrichten würde. Dass Doping aber zum gesundheitlichen Schutz der Athleten und aus moralischen und Fairplay-Gründen zu bekämpfen sei, war nie das Thema.“

Tagesspiegel, 15.2.2007:

„Wohl um die eigene Glaubwürdigkeit zu erhöhen, berichten die staatlich gelenkten Medien mit erstaunlicher Offenheit über den Betrug. Erst im September wurden vier chinesische Gewichtheber und Ringer bei regionalen Ausscheidungskämpfen ertappt, nachdem sie verbotene Mittel genommen hatten. Unmittelbar zuvor – auf den Tag genau zwei Jahre vor Start der Spiele 2008 – hatte die Kontrollkommission des Pekinger Sportamtes die Anshan-Sportschule im Nordosten des Landes gestürmt. Mehrere Trainer wurden auf frischer Tat ertappt, als sie jungen Athleten Infusionen verabreichten. Die in Hongkong ansässige unabhängige „South China Morning Post“ will von Epo und Testosteron erfahren haben.“

Die Welt-Anti-Doping-Agentur glaubt nun an die Fortschritte des chinesischen Kontrollsystems. Ihr Vorsitzender Richard Pound sagt: „Die Chinesen leisten gute Arbeit. Wenn sie erst einmal ihre Nationalmannschaften für 2008 zusammengestellt und zentralisiert haben, wird es noch leichter sein, sie zu kontrollieren.“

Schließung von Firmen, Läden, Apotheken usw.

 – Juni 2008, Schließung von Firmen, Apotheken usw.
nach der Operation Raw Deal

China reagiert auf ausländische Berichte und verkündet 3 Firmen und 125 Geschäfte (companies) zu schließen, die meisten davon Apotheken wegen Herstellung, Verkauf und Vertrieb von Dopingmitteln.

Hintergrund ist die weltweit durchgeführte Operation Raw Deal des Jahres 2007. Die US-Ermittlungsbehörden baten China um Ermittlung bei 37 Herstellern von Dopingmitteln und Substanzen, die zu deren Herstellung dienen und weltweit exportiert werden.

The New York Times, 19.6.2008:

„“D.E.A. successfully attacked the illegal steroid industry at every level of its distribution network — from the manufacturers in China who supply the raw materials, to the traffickers in the United States who market the deadly doses.”

One of the drugmakers that China named Wednesday was GeneScience Pharmaceutical, which is based in northern China and run by an American-educated executive. Last September, a federal grand jury in Rhode Island indicted the company for illegally distributing millions of dollars in human growth hormones in the United States.“

P.S.: Grit Hartmann schreibt 2010 über die weitere Entwicklung:

„Und tatsächlich entzogen die Behörden etwa dem Pharmagiganten GeneScience die Lizenz zur Produktion seines Exportschlagers Jintropin, ein Wachstumshormon, benannt nach Firmengründer Lei Jin. Über die Anklage gegen ihn in den USA berichtete 2008 auch die ARD in ihrer Dokumentation „Im Reich der Mittel“:

„Über 60 Seiten Anklageschrift zum angeblich millionenschweren Deal mit dem Wachstumshormon Jintropin: Das Internet war der Grundstein zum Handel mit menschlichem Wachstumshormon. In der Klageschrift wird ausgeführt, dass Lei Jin eine Vielzahl von Internet-Adressen nutzte …“

3, 5 Millionen Dollar bunkerte Lei Jin allein auf Schwarzkonten in den USA. Dort ist er noch immer zur Fahndung ausgeschrieben. Kürzlich wurde er erneut angeklagt, vom Vater einer jungen Frau, die einer der Dealer von Lei Jin im Drogenrausch ermordet hatte. In China hat Lei seine Lizenz längst zurück; Jintropin ist online wieder erhältlich. Wirklich erstaunlich ist das nicht: Die Regierung verdient mit am Dopinghandel – GeneScience gehört zu 70 Prozent dem Staat.“ (G. Hartmann, 8.8.2010)

ZDF, 19.6.2008:

„Zu diesen Firmen gehört der führende Produzent von Wachstumshormonen GenSci. Dessen Geschäftsführer, Jin Lei, wird in den USA mit Haftbefehl wegen illegalen Handels mit Steroiden gesucht.“

„Daneben haben chinesische Behörden Apotheken in mehreren Provinzen die Lizenz entzogen, weil sie illegal Dopingmittel verkauften. Nach Angaben der chinesischen Nahrungs- und Arzneimittelaufsicht wurden in den Apotheken Testosteron-Präparate und Methyltestosteron rezeptfrei verkauft.“

Süddeutsche Zeitung, 6.8.2008:

Vor Olympia wurden in Griechenland 12 Sportler mit dem Steroid Methyltrienolon überführt. Die Spuren führen nach China zur Firma Auspure Biotechnology in Shanghai.

„Auspure, taten Chinas aufgescheuchte Behörden kund, werde dichtgemacht, der üble Laden habe keine Lizenz besessen. Was nicht nachvollziehbar ist eingedenk einer Produktpalette mit Hunderten Steroiden und Filialen in Korea und Hongkong – so ein Betrieb soll seit 2003 illegal gearbeitet haben?“

Auch GeneScience Pharmaceuticals wurde offiziell die Lizenz entzogen. Die Firma soll nach eigenen Angaben 80% der chinesischen Wachstumshormone produzieren. Jintropin, in Doperkreisen Jins genannt, heißt ihr Produkt:

GeneScience, mit 570 Beschäftigten eine der größten Pharmafirmen des Landes, gehört zu 70 Prozent einer Tochter des Verwaltungskomitees der Changchun High&New Technology Development Zone, einer staatlichen Wirtschaftseinheit.“

„Mindestens seit 2004 betrieb Jin via Internet mit zig Mailadressen und Konten Schwarzhandel mit Jintropin. Es war ein Drittel billiger als jedes andere HGH, inklusive Versicherung für den Fall, dass eines der als Spielzeug oder Haarwuchsmittel deklarierten Pakete im Zoll hängen blieb. In den USA drohen Jin bis zu 20 Jahre Haft, auch andere Länder führen ihn auf der Fahndungsliste. Doch die USA haben mit China keinen Auslieferungsvertrag.“

Informationen zur Operation Raw Deal

fda, 4.10.2008
TechNews, 24.9.2008
NYT, 24.9.2008
SZ, 25.9.2008

 –  Juli 2008

China reagiert auf internationale Kritik. Möglicherweise war auch die Reportage von Hajo Seppelt über Gendoping (SZ, 21.7.2008) Grund für die erneute Schließung von Hersteller- und Vertreiberfirmen im Juli 2008:

„Details über das Vorgehen berichteten in Peking Vertreter verschiedener Ministerien und der Nationalen Anti-Doping-Agentur. So seien am 20. Juli 257 Unternehmen und Produzenten von Anabolika sowie Peptid-Hormonen, 2739 Großhändler und 340 000 Kleinhändler inspiziert worden. Als Folge der Ermittlungen seien 30 Unternehmen mit einem Produktionsstopp belegt, 25 Firmen sei die Lizenz zum Vertrieb von zum Doping-Missbrauch geeigneten Mitteln entzogen worden. Außerdem wurde gegen 318 Websites vorgegangen, auf denen Informationen zum Verkauf von Anabolika und Peptid-Hormonen publiziert wurden.“