2024 WADA: Operation Refuge – Operation Zuflucht

Operation Refuge
An Examination of Doping Among Minors

24.1.2024

eine Zusammenfassung:

Operation Zuflucht, wie ergeht es Minderjährigen Sportler*innen, die des Dopings überführt werden?

Als minderjährig gilt, wer unter 18 Jahre alt ist.

Von 2012 bis September 2023 wurden weltweit 1416 Minderjährige des Dopings überführt. Diuretika, Stimulanzien und anabole Steroide waren die häufigsten Substanzen.
Die meisten positiven Befunde ergaben sich im Gewichtheben, Leichtathletik und Schwimmen. Die Länder mit den häufigsten Fällen sind Russland, China und Indien.
Die meisten Kontrollergebnisse von Jugendliche lagen aus China, Russland, Frankreich, Südkorea, Deutschland und Kasachstan vor.

Das jüngste Kind, das wegen Doping sanktioniert wurde, war 12 Jahre alt.

Nebenbei ergab sich, dass junge Sportlerinnen zwischen 13 und 17 Jahren in den Sportarten Radsport, Fußball und Gewichtheben häufiger getestet werden als Jungs, obwohl letztere wesentlich zahlreicher vertreten sind.

Viele NADO gehen davon aus, Minderjährigendoping sei nicht häufig und haben keine spezifischen Richtlinien oder Praktiken sowie kein geschultes oder erfahrenes Personal für den Umgang mit jungen Menschen.

Die erworbenen Information beruhen auf Hinweisen der Minderjährigen, ihrem familiären und unterstützenden Umfeld. Anonymität wurde zugesichert,  persönliche Zitate im Text wurden von den Betroffenen erlaubt.

‚Between 2018 and 2023 58 confidential reports implicating Minors in doping behaviours were received via WADA’s confidential reporting platform, ‘Speak Up’. Analysis of those disclosures revealed that the majority had originated from Russia and India, and that the most reported sports, globally, were aquatics and athletics.‘

Die wichtigsten Probleme, die sich ergaben:

1) Traumata

‚One of the major themes to emerge from the interviews was the deep trauma felt by Minors following a Positive Test 5 and sanction. The Minors described the trauma they or a loved one felt when being removed from their sport and rejected by friends or family members, and how this rejection led to a significant psychological impact.‘

2) Isolation

‚Another theme to emerge was a sense of isolation, which is not surprising given many had been part of a sports community for the better part of their childhood. The separation from their sporting community took such a toll that many exhibited signs of depression (e.g., difficulty getting out of bed, conducting normal activities, attending school).‘

3) Auswirkungen auf familiäres Umfeld

‚The interview of family members provided a unique perspective and highlighted the frustration and trauma felt by those within the Minor’s closest support network. Parents and siblings expressed a feeling of being victimized by rumors and innuendo regarding their alleged complicity in the violation. Some had been accused by other parents of being implicated in their child’s Positive Test, and this led to a sense of betrayal and further isolation. In one instance the impact was so significant that a parent considered removing their youngest child from the sport for fear that they would be stigmatized for being the sibling of a Minor who had tested positive.‘

4) Erfolgsdruck

‚All Minors that were interviewed spoke about the immense pressure of competition and how this pressure impacted them before, during, and after their sanction. The pressure to continuously achieve better results also directly and indirectly influenced the decision of some to use banned substances or methods.‘

5) Druck durch Trainer

‚One disturbing account came from a female Minor who recalled the extreme pressure she and other female athletes felt from the male coaches to keep their weight down. This pressure included an impossible expectation to slow down the effects of puberty because puberty would supposedly negatively impact their ability to compete.‘

6) Unwissenheit

‚The lack of anti-doping knowledge and education was another theme present in the interviews. One Minor described being unaware that a recovery method they had been prescribed was a Prohibited Method. Consequently, when the Minor was notified of their doping violation, the shock triggered a mental health condition which left them scrambling and unable to mount a proper defense to the violation.‘

7) Verlassenwerden

‚A telling aspect from the interviews was the sense of abandonment felt by Minors following the Positive Test and eventual sanction. Some felt forgotten and were disappointed by the lack of communication and support they claimed to have received from their ADOs.‘

WADA-Initiativen als Folge der Ergebnisse dieses Reports

‚WADA develops educational programs and resources aligned to its athlete pathway. WADA has recently published education courses for Talented-Level athletes with a specific version available for those attending a major event/international competition.
WADA has also made significant changes to how its Intelligence and Investigations Department triages allegations involving Minors. These actions have been formalized within the relevant policies and procedures. Additionally, WADA I&I is considering expanding the languages available to a user within the Speak Up platform to include Chinese and Russian.
Lastly in concert with Refuge and in collaboration with the EU I&I Capacity and Capability Project, co-funded by the European Commission, on 20 November  2023, WADA initiated a targeted social media campaign aimed at raising awareness of young people across Europe concerning the use of anabolic steroids.‘

WADA-Ermittler Younger:

„Am meisten beeindruckt hat mich, dass trotz der vielen Aufklärungsmaßnahmen so viele Kinder und Jugendliche in so jungen Jahren zum einen bereits mit Dopingmitteln versorgt werden und zum anderen so einem enormen Stress ausgesetzt sind, Bestleistungen im Sport zu erzielen. Und dass offensichtlich Erwachsene im Umfeld, seien es Eltern, Trainer oder Ärzte, nicht davor zurückschrecken, Dopingsubstanzen zu verabreichen“. (Deutschlandfunk, 28.1.2024)

Erklärungen und Meinungen der deutschen und der schweizer NADA zu dem Umgang mit Minderjährigen im Dopingkontrollprozess

sportschau: Positive Dopingproben bei mehr als 1.500 Minderjährigen, 7.22.2024:

„Auch die Nationale Anti Doping Agentur Deutschlands (NADA) beteiligte sich an der Erhebung der Daten und beantwortete die Fragen der WADA. Auf Nachfrage der Sportschau bestätigt die NADA, 25 offizielle Fälle von Minderjährigen-Doping in den vergangenen sechs Jahren. In zwei Fällen sei es zu Sperren gekommen: Die Verweigerung eine Dopingprobe führte zu einer zweijährigen Sperre, ein positiver Dopingnachweis zu einer dreimonatigen Sperre. Angaben zur Sportart oder dem Alter der Athleten wollte die NADA nicht machen.

Die NADA betont, dass minderjährige Sportler in Deutschland gezielt kontrolliert und präventiv geschützt würden. Eine gesondertes Präventionsprogramm „Young Athletes“ samt Workshops und Online-Angebot vermittle die Werte des Sports. Ebenso würde das Umfeld minderjähriger Athleten – also Betreuer, Eltern und Lehrer – von der NADA aufgeklärt.“

NZZ: Mehr als 1500 Dopingfälle unter Minderjährigen: Ein Bericht bringt den Sport unter Rechtfertigungsdruck, 7.2.22024:

«Den allermeisten Fällen dürften Dramen zugrunde liegen», sagt Ernst König, der Direktor von Swiss Sport Integrity. «Dass Minderjährige flächendeckend auf Eigeninitiative dopen, ist kaum anzunehmen. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass oftmals junge, besonders schützenswerte Personen bewusst verheizt werden.»

König skizziert eine «knallharte Auslese»: Offenbar gebe es in gewissen Ländern Trainer oder Betreuer, die in zynischer Manier Rechnungen aufstellten. Ihnen sei egal, ob von 10 000 aussichtsreichen Nachwuchsathleten 9990 auf der Strecke blieben, solange es die zehn übrigen zu den Olympischen Spielen schafften. Also nehme man schwere Gesundheitsrisiken in Kauf.

Auch in der Schweiz wurde bereits ein Minderjähriger wegen Dopings mit Sanktionen belegt. Zum Schutz seiner Privatsphäre verzichtete Swiss Sport Integrity darauf, den Namen des Betroffenen auf die Liste gesperrter Athleten zu setzen. Auch die Sportart, die er praktiziert hatte, blieb geheim.

«Wenn minderjährige Athleten positiv getestet werden, sollte zwingend ihr Umfeld unter die Lupe genommen werden», sagt König, der Direktor von Swiss Sport Integrity. Es werde der Sache nicht gerecht, wenn sich die Reaktion auf einen Dopingbefund darauf beschränke, eine Person zu sperren, welche oft noch nicht einmal strafmündig sei.

Swiss Sport Integrity hat vor kurzem festgelegt, dass bei Dopingtests von Minderjährigen, die bisher eher selten waren, generell zwei Kontrolleure anwesend sein müssen. In Schulungen wird der Umgang mit Kindern und Jugendlichen gezielt thematisiert. Sollten künftig Ermittlungen und Abklärungen im Zusammenhang mit Minderjährigen notwendig werden, scheint es denkbar, dass speziell ausgebildete Personen zum Einsatz kommen, die sich sonst mit Verfehlungen im Ethikbereich beschäftigen. Dort sind Minderjährige überproportional häufig betroffen.“