Doping Affairen / Prozesse

Frankreich Doping Geschichte(n)

Zusammenfassung einiger Doping-Affairen und -Prozesse

Viele Prozesse um Doping-Mittelbeschaffung und -verabreichung beutelten in den letzen Jahren den Radsport.

Eine Reihe von Doping-Prozessen hatten nicht nur die Einnahme verbotener Substanzen durch Sportler zum Gegenstand, sondern befassen sich vor allem mit dem Erwerb und Vertrieb dieser Mittel. Dabei wird sehr deutlich, dass das gesamte Problem den Amateurbereich in hohem Maße durchdrungen hat.

1959 – 1976

Dr. Jean-Pierre de Mondenard listet in Sport et Vie N° 64 vom Januar 2001 folgende Prozesse für Frankreich und Belgien auf:

1959 Courtrai, Belgien: Bei einer Hausdurchsuchung bei einem Pfleger wird ein großes Arsenal an Medikamenten entdeckt. Der Pfleger wird verurteilt wegen illegaler Medizinanwendung.

1964  Courtrai, Belgien: 5 Fahrer und zwei Pfleger sind angeklagt, die Pfleger werden zu zwei Monaten Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe von mehr als 1000F verurteilt.

1966/ 1967 Gent, Belgien: Wegen eines Sechstagerennens und eines Straßenrennens kommt es zur Verurteilung von Fahrern und 1967 zum ersten Male zu einer Verurteilung eines Mediziners (2000F Strafe) wegen der Verschreibung verbotener Produkte.

1967 St Etienne, Frankreich: Roger Rivière und drei Mediziner werden angeklagt wegen illegalen Gebrauchs und Verschreibung von Palfium. Rivière bekam zur Schmerzlinderung nach einem schweren Sturz 1960, nach dem er gelähmt blieb, diese süchtigmachende synthetische Opiat verschrieben. Er gewöhnte sich daran und versuchte bei drei Medizinern gleichzeitig Verschreibungen zu bekommen. Bis zu 53 Tabletten nahm er pro Tag zu sich eine sehr große Menge. Das Gericht zeigte sich verständnisvoll und verurteilte die 4 zu jeweils 200 F und einer geringen Bewährungsstrafe. Erwähnt werden muss, dass Rivières Sturz auf die Einnahme von Amphetaminen zurückgeführt wird.

1967 und 1968 Bordeaux, Frankreich: Nach Libération vom 3.8.1998 wurden 1966/1967 zwar 17 juristische Verfahren eingeleitet aber nur Gilbert Bellone musste sich einem Prozess stellen. Er war neben anderen nach der Tour de France-Etappe Royan-Bordeaux positiv getestet worden. Bellone wurde verurteilt aber 1969 zweimal frei gesprochen, zuletzt vom Berufungsgericht in Bordeaux. Er hatte angegeben mit den gefundenen Substanzen eine schwere Grippe behandelt zu haben.

1967/1969 Versailles, Frankreich: Michel Jacquemin wurde nach der vorletzten Etappe der Tour de France 1967 positiv getestet und angeklagt. Das Verfahen wure eingestellt, s.u. .

1969 Grenoble: Die Radfahrer Paul Barnay and Michel Fayolle wurden am 5.2.1969 für Amphetamin-Schmuggel von Italien nach Frankreich angeklagt. Die Drogen hatten sie für Yves Mottin besorgt, der im November 1968 nach einem Rennen verstarb.

1973 Anvers, Frankreich: Näheres ist mir nichts bekannt

1973 Bordeaux, Frankreich: Auf Initiative eines sportlichen Direktors verprügeln drei Handlanger den offiziellen Mediziner nach einer positiven Dopingkontrolle bei einer Abendveranstaltung in Sarlat. Der Mediziner wird verletzt.

1976, Gent, Belgien: Einem Arzt, der Mitglied der medizinischen Kommission der UCI und der Belgischen Radliga (LVB), zudem ein bekannter Antidopingkämpfer ist, wird der Prozess gemacht. Er hatte Stimulantien an Erik de Vlaeminck geliefert.

Weitere Prozesse, etwas ausführlicher:

1969 Versailles

Nach der vorletzten Etappe der Tour de France 1967 wurden bei den drei erstplazierten der Etappe René Bingelli, Herbert Wilde und Jacquemin Michel der belgischen Mannschaft B „Les Diables Rouges“ Amphetamine und Metylamphetamine nachgewiesen. Jacquemin wurde nach dem Französischen Anti-Doping-Gesetz angeklagt. Er gab an von dem Pfleger der Mannschaft Depauw Maurits Vitaminspritzen erhalten zu haben. Der Pfleger leugnete dies und bestritt zudem, den Fahrer mit Vitamin-Ampullen beliefert zu haben, die in dessen Gepäck gefunden worden waren. Er habe seinen Fahrern lediglich vor den Rennen Vitamin C-Tabletten gegeben. Jacquemin wurde frei gessprochen, da ihm nachgewiesen werden konnte, absichtlich gedopt zu haben.

>>> das Urteil vom 24.12.1969 des Tribunal correctionnel de Versailles

1986 – 1990 Laon und Paris, ‚6-Tage von Bercy‘ (LaonParis)

Im November 1986 werden Rauschgiftfahnder bei einer Razzia während der 6 Tage von Bercy fündig. Fast 2 Jahre am 12. Oktober 1988 später werden in Laon 19 Fahrer aus Nordfrankreich, darunter zwei ehemalige Profis, ehemalige Teamkollegen von Bernard Thévenet und Joop Zoetemelk, wegen Amphetaminhandels (Tonédron (Metamphetamin), Captagon) angeklagt, ebenfalls dabei 40 Mediziner, Pharmazeuten und pharmazeutische Angestellte. Der Fahrer Èric Ramelet wird zu 18 Monaten Gefängnis, 16 davon auf Bewährung verurteilt, der am schwersten belastetste Mediziner zu 150 000 FF Strafe und 6 Monate Berufsverbot.

1990 werden weitere Involvierte in Paris angeklagt. Joël Lacroix, Pierre Charron, Bernard Sainz und Doktor Toledano sowie 15 Fahrer müssen vor Gericht erscheinen. Mit dabei die Fahrer Jean-René Bernaudeau, Dietrich Thurau, Eric Caritoux, Régis Clère, Francis Castaing und, Thierry Claveyrolat. Einige gaben an, abhängig zu sein, andere erklärten, die Amphetamine wegen der Belastung zu konsumieren. Bernaudeau (heute Sportlicher Direktor von Bouygues Telecom) sagt: „Man nimmt nicht aus Vergnügen teil, sondern um Geld zu verdienen. Eine gute Kriterien-Runde macht 50% meiner jährlichen Einnahmen aus… Zudem verlangt das Gesetz von uns, dass wir im Falle des Ausscheidens die doppelte Summe unseres Verdienstes zurückgeben. Mit 18-20 Tagen lief es bei mir nicht schlecht.“  

Das Ergebnis dieses Prozesses liegt mir nicht vor. Die Fahrer scheinen ohne Verurteilung geblieben zu sein, Charron wurde belangt. 2001 im Prozess um den Pot belge in Poitiers wird er wieder auffällig.

Die Prozesse machten deutlich, dass Amphetamine im Sportmilieu, ebenso wie in anderen Bereichen der Gesellschaft weit verbreitet waren. Z. B. hatte der Hersteller von Tonédron im Laufe von 4 Jahren 40 000 Ampullen verkauft, neutrale Mediziner gaben aber zu Protokoll, dass dieses Mittel schon seit zehn Jahren nicht mehr therapeutisch angewandt würde. Es lohnte sich die Ampullen schwarz anzubieten. Im Peloton bezahlte man dafür anstelle von 5,50 F zwischen 600 und 1 000 F. (de Mondenard, Dictionnaire, S. 758)

1996 – 1997 Arras

Rudy Lefebvre und Alexandre Dubois, zwei Radrennfahrer, werden zu zwei Monaten Gefängnis in Arras (Tribunal de grande instance d’Arras) auf Bewährung verurteilt. Sie wurden von der Polizei wegen Amphetaminbesitzes anläßlich einer Zollkontrolle am 19. 10. 1996 in Pas-de-Calais festgenommen. Die beiden Fahrer gaben zu, sich in Belgien eingedeckt zu haben und im Moment ihrer Festnahme war es ihre fünfte entsprechende Versorgungsfahrt. (deMondenard S.181)

1998 – 2000 Festina-Prozess

Das bis zur Operacion Puerto 2006 für die Öffentlichkeit spektakulärste Dopingereignis der Radsportgeschichte ist sicherlich die Festina-Affaire. Die Erschütterungen, die davon ausgingen, sind heute noch zu spüren.

Eine Zusammenfassung der Ereignisse und weiterführende Literatur findet ihr >>>hier

1998 – 2001 Poitiers

Zu dieser Affaire lagen genauere Informationen vor,

>>> eine Zusammenfassung ist hier zu finden.

1998 – 2002 Reims

Im Juni 2002 wurden in Reims sechs Radrennfahrer zu Gefängnisstrafen auf Bewährung wegen des Konsums des Pot belge verurteilt. Ihre vier Lieferanten, die viele Amateure der Region belieferten, wurden höher bestraft.

Der Hauptlieferant, der Belgier André Delrue, wurde zu 4 Jahren Gefängnis verurteilt.

Und der ehemalige Bahnradfahrer Philppe Boyer, 46 Jahre alt, erhielt zwei Jahre Gefängnis, davon eines auf Bewährung. Der mehrfache französische Bahnradmeister der Amateure, Mitglied der französischen Olympiamannschaft in Los Angeles und 1985 Vize-Weltmeister, soll einer der führenden Köpfe des Syndikats gewesen sein, was er allerdings immer bestritt.

Auslöser der Untersuchungen war der Zusammenbruch des Amateurfahrers André Cordelette 1998 während eines Rennens. Hier mehr zu seinem Werdegang und den damit verbundenen gesundheitlichen Problemen: >>> André Cordelette, ein Geständnis

und >>>  Philippe Boyer erzählt auch von seinen Erfahrungen

2000 – 2002 Rennes, Affaire Béon

Anfang Dezember 2002 fand in Rennes, Frankreich ein Prozess statt, in dem den 12 Angeklagten umfangreiches Dealen mit dem Pot néerlandais, einem Gemisch aus Amphetaminen, Koffein und weiteren Substanzen vorgeworfen wurde. Mit dabei noch aktive und ehemalige Profi-Radrennfahrer, Clubdirektoren und Sponsoren.

>>> hier gibt es mehr Infos

2000 – 2003 Perpignan

Am 29 Februar 2000 überraschen Polizisten bei einer Straßenkontrolle zwei Männer, als diese sich den Pot belge verabreichten.

Daraus entwickelte sich eine umfangreiche Affaire mit interessanten Enthüllungen.

>>> Näheres ist hier nachzulesen.

2002 – 2006 Bonneville, Affaire Rumsas

Es ist der 28. Juli 2002, in Paris geht die Tour de France 2002 glanzvoll zuende, auf dem Podium steht ein strahlender Raimundas Rumsas (Lampre). Er ist dritter geworden. Zur selben Zeit wurde seine Ehefrau an der französisch-italienischen Grenze mit einem Koffer voller Medikamenten verhaftet. Alles deutet auf Doping hin: Viele im Sport zugelassene Mittel lagen neben Wachstumshormonen, Insulin, Corticosteroiden, Testosteron und weiteren Anabolika (>Liste der Medikamente). Edita Rumsas wurde wegen Verdunklungsgefahr in das Frauen-Untersuchungsgefängnis von Bonneville im Department Hoch-Savoyen überführt, gegen sie wurde ein Ermittlungsverfahren eröffnet wegen ‚Verabreichung, Vertrieb, Transport und der Anstiftung zum Gebrauch von Dopingprodukten’. Raimundas, mittlerweile von seinem Team suspendiert, bestritt heftig jegliches Doping, vermeidet aber eine Reise nach Frankreich. Die Durchsuchung von Lampre-Teamfahrzeugen erbrachte keine Ergebnisse.

Edita Rumsas beharrt darauf, dass die Medikamente für ihre Familie, respektive ihre Schwiegermutter, in Italien bestimmt waren. Die Affaire uferte schnell zu einer kleinen Staatsaffaire aus. Am 9. August demonstrierten in Vilnius hundert Litauer, darunter Politiker und Künstler, vor der französischen Botschaft und beklagten die unbegründete Inhaftierung einer Mutter von drei kleinen Kindern, in ihren Augen eine Menschenrechtsverletzung. Auch der litauische Außenminister und der Staatspräsident meldeten sich in den nächsten Wochen.

Im September gibt die UCI grünes Licht für Rumsas, da weder eine positive Probe noch ein Geständnis vorliege, Edita kommt im Oktober auf Kaution frei und Raimundas wird im November in Litauen mit der höchsten Sportlerauszeichnung geehrt.

Er fuhr auch 2003 für Lampre, liefert jedoch nach der 6. Etappe des Giro d’Italia eine positive EPO-Probe ab und wird daraufhin für ein Jahr gesperrt.

Die Affaire geriet in Vergessenheit, doch am 26.Januar 2006 fällte das Gericht in Bonneville Urteile: Edita und Raimundas Rumsas wurden zu 4 Monaten Gefängnis auf Bewährung plus je 3 000€ verurteilt, der für die Verschreibung der Medikamente zuständige polnische Arzt Krzysztof erhielt 12 Monate Gefängnis auf Bewährung.

2003 – 2007 Nanterre, Cofidis – Affaire

Langsam aber stetig entwickelte sich die ‚Cofidis-Affaire‘ ab Januar 2004 zu einem heftigen Dopingskandal, Endpunkt David Miller’s EPO-Geständnis.

>>> Der Versuch einer Chronolgie der Ereignisse

2004 – 2006 Bordeaux, Affaire ‚Pot belge‘ oder ‚Cahors‘

Anfang Juli 2006 wurden in der Region Cahors in Südfrankreich 23 Personen aus dem Radsportmilieus wegen Drogenmissbrauchs verurteilt. Diese Meldungen gingen etwas unter, da gerade die Affaire Puerto vor der Tour de France geplatzt war. Man könnte sie auch vernachlässigen, waren doch nur ehemalige Profis und Amateure betroffen, nichts besonderes also.

Doch die im Prozess zur Sprache gekommen Missstände und Verhaltensweisen geben einen guten Einblick in die allgemeine Szene und könnten Erklärungen liefern, warum der Radsport heute vor seinem eigene Scherbenhaufen steht.

>>> mehr Informationen 

onika