Doping: 4. Offener Brief 2012 der Dopinggegner – 2. zur Doping-Affaire Erfurt

Offene Briefe der Dopinggegner 2012

Erster Offener Brief Dopinggegner: Eigenblut-Affaire am OSP Erfurt
Zweiter Offener Brief Dopinggegner: Tod Birgit Dressel
Dritter Offener Brief Dopinggegner: Ehrung Hall of Fame 2012
Vierter Offener Brief: Die Doping-Affaire Erfurt, Teil 2
Fünfter Offener Brief: Streichung der Dopingrekorde von Andreas / vormals: Heidi Krieger

Vierter Offener Brief, 17.6.2012:
ZUM VOROLYMPISCHEN SKANDAL UM DIE DOPINGAFFÄRE ERFURT

Die Unterzeichner (in alphabetischer Reihenfolge):

Herbert Fischer Solms – Brigitte Franke-Berendonk – Hansjörg Kofink – Andreas Krieger – Ute Krieger-Krause – Claudia Lepping – Ilse und Henner Misersky – Fritz Sörgel – Gerhard Treutlein

>>> 4. Offene Brief der Dopinggegner, 17.6.2012, der 2. zur Affaire OSP Erfurt

Im Wortlaut:

Es reicht. Seit Jahrzehnten beißen konsequente Doping-Gegner bei Sportorganisationen und nationalen Regierungen auf Granit. Weil es dort um den nationalen Erfolg im internationalen Kräftemessen geht, gilt unausweichlich: Das System duldet Doping, aber keinen Dopingfall. Wir wiederum dulden das nicht mehr. Dem Eindruck, dass sich die Sportverbände aus Ost- und Westdeutschland zusammengefunden haben, auch um das Dopingsystem zu perfektionieren, wollen wir Dopinggegner mit vereinten Kräften entgegen treten. Wir fordern von Politik und Sport ein konsequentes und glaubwürdiges Eintreten für einen sauberen Sport. Die Unterzeichner

VIERTER OFFENER BRIEF   17.06.2012

– an Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich
– an Bundesjugendministerin Dr. Kristina Schröder
– an die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans
– an die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen und die Mitglieder des Bundestagssportausschusses
– an die National Dopingagentur NADA
– an die Weltdopingagentur WADA
– an DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach
– an den Olympiastützpunkt Thüringen/ Erfurt
– an die Landesregierung Thüringen

ZUM VOROLYMPISCHEN SKANDAL UM DIE DOPINGAFFÄRE ERFURT

Wir stellen fest, dass die Selbstreinigungskräfte des Sports komplett versagen. WADA und NADA arbeiten gegeneinander, statt die Erfurter Blutdopingaffäre aufzuklären und die Beteiligten zur Verantwortung zu ziehen. Entgegen ihren eigenen Regeln liefern sich die beiden Antidoping-Agenturen einen bizarren Deutungskrieg über die Manipulation von Blut. Dieses Ablenkungsmanöver stellt die Sportgerichtsbarkeit in der Dopingverfolgung national und international in Frage:

DENN SCHON HEUTE IST JEDE BLUT-INFUSION UND JEDE BLUTMANIPULATION DOPING

Wir verlangen Aufklärung von der NADA

1. ob Ausnahmegenehmigungen (TUE) und vollständige medizinische Akten für die am OSP Erfurt mit UV-Licht blutbehandelten Athleten vorlagen und wer diese gegebenenfalls ausstellte?

2. ob sie alle nach dem WADA Code erforderlichen Unterlagen der Blutbehandlungen am OSP Erfurt an die WADA weitergegeben hat.

Wir fordern das Bundesinnenministerium BMI auf, seine finanzielle Unterstützung der Olympiastützpunkte von der Einhaltung konkret zu überprüfender Antidopingbemühungen abhängig zu machen – und gegebenenfalls Rückzahlungen einzufordern.

Wir rufen das BMI ferner auf, anders als in der Causa Erfurt, künftig jede voreilige, mildernde Deutung eines akuten Dopingverdachts, wie im Fall des OSP Erfurt geschehen, zu unterlassen und sich nicht dem Verdacht auszusetzen, den Ergebnissen laufender Ermittlungsverfahren vorzugreifen.

Wir verurteilen die öffentliche Geringschätzung renommierter Experten, die als Gutachter bestellt durch ihre Auftraggeber – Sportausschuss und NADA – öffentlich diskreditiert worden sind.

Wir nennen es unaufrichtig, wenn die WADA für Erfurt ein Dopingverfahren exemplarisch für alle empfiehlt, jedoch das Regelwerk der ausführenden NADA befindet, dass kein einziges Wettkampfergebnis eines beteiligten Athleten rückwirkend annulliert werden kann.

Wir verweisen darauf, dass wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirkung von Blutbestrahlung mit UV-Licht eine Verbesserung der Fließfähigkeit des Blutes vermuten lassen. Sie schützt bei EPO-Doping vor Verschluss von Blutgefäßen.

Wir halten fest, dass bisher weder WADA noch NADA, weder der DOSB noch das für Sport- und Sportförderung zuständige BMI ein Interesse daran haben, den Erfurter Dopingskandal in seiner ganzen Dimension so kurz vor den Olympischen Sommerspielen in London aufzudecken. Eine längst überfällige Debatte über Dopingmentalität an deutschen Olympiastützpunkten und im deutschen Sportsystem wird von Politik und Sport unterdrückt.

Wir stellen die Systemfrage: Die Sportgerichtsbarkeit hat alles Vertrauen verspielt. Eine komplett neue Zusammenarbeit von öffentlichem Recht und Sportrecht ist vonnöten, um missbräuchliche staatliche Finanzierung des Hochleistungssports zu verfolgen und gegebenenfalls strafrechtlich zu ahnden.

Die Unterzeichner

Andreas Krieger 
ehemals als Heidi Krieger Kugelstoß-Europameisterin, Dopingopfer, Geschlechtsumwandlung 1997 
Brigitte Franke-Berendonk 
ehemalige Weltklasse-Diskuswerferin, Dopingaufklärerin, Oberstudienrätin 
Claudia Lepping 
ehemalige Juniorenrekordlerin Sprint 
Fritz Sörgel 
Professor Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung 
Gerhard Treutlein 
Professor der Sportpädagogik 
Hansjörg Kofink 
ehemaliger Kugelstoß-Bundestrainer/Frauen, Präsident Deutscher Sportlehrerverband, 
Henner und Ilse Misersky 
Ski-Langlauf-Trainer, Dopinggegner in der DDR, 
Herbert Fischer-Solms 
ehemaliger Deutschlandfunk-Journalist 
Ute Krieger-Krause 
Schwimmerin DDR-Nationalmannschaft, Dopingopfer