Doping: 2007 DNA-Test

(Doping)Mittel und Methoden

Der DNA-Test im Sport – Möglichkeiten und Grenzen
Einschätzung von 2007

medizinisch-biologische, ethische und juristische Aspekte

Der genetische Fingerabdruck

Hintergrund:

Vor einem Jahr kam niemand auf die Idee von Radfahrern so etwas wie eine DNA-Analyse einzufordern. Es gab jede Menge Dopingtests und auch immer wieder neue Verfahren, wobei jedem Beteiligten klar sein musste, dass die aktuellen Tests bei Weitem nicht lückenlos waren oder auch nur sein konnten. Die Operation Puerto brachte dann ab Mai einen der größten Dopingskandale in der Geschichte des Sports ins Rollen, der im Ausschluss der Topfavoriten kurz vor der Tour kulminierte und dessen Ausgang noch weit davon entfernt ist endgültige Konturen anzunehmen.

Bald erscholl der Ruf nach dem sogenannten genetischen Fingerabdruck. Dieser sollte zweifelsfrei klären, ob einer der Verdächtigen zu Unrecht am Pranger stand.

Der Test

Zunächst einmal gilt es zu erläutern WELCHE der unzähligen Formen der DNA-Analysen hier gemeint ist.

Der genetische Fingerabdruck basiert auf der Tatsache, das es im Bereich der Erbinformation aller Eukaryonten (das schließt so ziemlich alles außer Bakterien ein) bestimmte DNA-Sequenzen gibt, die nicht für spezielle Gene codieren aber überall vorkommen und nur unterschiedlich oft wiederholt werden. Die Anzahl der Wiederholungen ist sehr variabel und der genetische Fingerabdruck nutzt diese Tatsache aus, indem er eine hinreichende Anzahl (8-15) unterschiedlicher Sequenzen untersucht, bis sicher gestellt ist, dass die Wahrscheinlichkeit einer zufälligen Übereinstimmung extrem gering ist (ca. 0,000000001%).

Ein weiterer wichtiger Parameter für die Qualität eines Tests ist die Wahrscheinlichkeit eines falsch positiven bzw. falsch negativen Tests. Das heißt wie verlässlich die jeweiligen Ergebnisse sind. Da der Test sehr sensitiv ist, geht man in der Literatur von etwa 1% möglichen falsch positiven Tests aus. Allerdings betrifft das nur Fragestellungen, ob etwa einer der Beschuldigten im Hotel Puerto gewesen wäre. Für den DNA-ABGLEICH um den es hier geht, und bei dem eine große Menge Test-DNA (Blutbeutel) mit einer Probe des Beschuldigten verglichen wird, liegt die Wahrscheinlichkeit eines falsch positiven Ergebnisses bei unter 0,01%. Ein negativer Test, der im beschriebenen Fall einer Entlastung entsprechen würde wird mit 100% (!) Wahrscheinlichkeit gewertet.

Ganz entscheidend ist, dass der Test praktisch keinen Aufschluss über Erbkrankheiten, persönliche Merkmale (außer dem Geschlecht) oder bestimmte Eigenschaften liefert. Er produziert in der Konsequenz ausschließlich ein sehr individuelles Bandenmuster auf einem Gel, das allerdings für ein bestimmtes Individuum typisch ist und, fotografisch gespeichert, jederzeit mit einem weiteren Test reproduziert werden kann. Nicht anders als ein Fingerabdruck eben.

Wichtig ist hierbei noch, dass man keinerlei spezielle Proben für den Test abgeben muss. Eine gewöhnliche Blutprobe, eine benutzte Trinkflasche oder sogar ein mechanischer Hautabrieb reichen völlig aus.

Die meisten derer die von einem negativen Test-Ergebnis hätten profitieren können, weigerten sich allerdings, warum auch immer, den Test durchzuführen.

Die Folge waren endlose Verdächtigungen die nicht endgültig zu klären waren und sind, und den Profiradsport als Ganzes in Frage stellen. Mit dieser Problematik im Hinterkopf einigten sich die Betreiber der Pro-Tour-Teams darauf von jedem Fahrer, der bei einem Protour-Team fahren wollte die Genehmigung einzuholen sei, dass im Verdachtsfall und bei Vorliegen von verdächtigem Material ein Test durchgeführt werden dürfe. Das heißt, dass im Idealfall gar keine genetischen Fingerprints durchgeführt werden!

Sollte aber verdächtiges Material, wo auch immer, auftauchen und die Erfahrung zeigt, dass das nicht lange dauern wird, so hat man eine praktisch 100% Möglichkeit die Schuldigen zweifelsfrei zu identifizieren und diejenigen die schuldlos unter Verdacht geraten waren auch vollkommen zu rehabilitieren, und zwar theoretisch auf Jahrzehnte hinaus.

Fazit

Der genetische Fingerabdruck ersetzt keinen einzigen der etablierten Dopingtests, aber er erhöht für potentielle Eigen-Blutdoper oder Blutpanscher die Gefahr enttarnt zu werden dramatisch, da diese bis jetzt faktisch bei Null liegt.

Einschätzung eines Arztes, von Donishäusle, Januar 2007

RECHTLICHE FRAGEN

Allgemeine Anmerkungen:

Das DNA-Profil eines Sportlers dient dazu, Blut und Urin einem Athleten zweifelsfrei zuordnen zu können.

Man muss unterscheiden, wie und wo die zur Verfügung stehenden Proben angefallen sind: Handelt es sich um strafrechtliche (Polizei, Justiz) oder zivilrechtliche (sportrechtliche) Ermittlungen? So ist der DNA-Test vor allem zivilrechtlich nicht unumstritten und verlangt nach Klärung.

Jens Voigt:

„Erstmal hat man festgestellt, dass die generelle Pflicht, einen DNA-Test (=Probe) abzugeben, wahrscheinlich in allen europäischen Ländern gegen das Arbeitsrecht verstößt. Das heißt, wenn nur ein einziger Fahrer dagegen klagen würde, wäre die ganze Sache hinfällig. Es geht jetzt darum, eine Klausel zu finden, in der festgelegt wird, dass bei einem konkreten Verdacht, bei dem eine solche Analyse angebracht ist, der Fahrer zur Abgabe eines DNA-Tests verpflichtet ist. Also, nicht jeder Fahrer stimmt generell einem solchen Test zu, sondern es muss einen konkreten Verdacht geben. (ARD, 14.11.2006)

Einige ProTour-Teams haben im Januar 2007 bereits entsprechende Klauseln in ihre Verträge aufgenommen, andere zögern noch:

Rolf Aldag, der Sportdirektor von T-Mobile, erklärte, dass der DNS-Abgleich in allen Verträgen hinzugefügt werde. Danach müsse jeder Fahrer bei einem Verdachtsmoment nach Aufforderung der Teamleitung seine Einwilligung zur DNS-Analyse und Freigabe geben. Bei Weigerung erfolgt die fristlose Kündigung sowie eine Forderung auf Rückzahlung des vom ersten Monat an gezahlten Gehalts. Bei einer DNS-Bestätigung des Verdachts sowieso. Bei Gerolsteiner ist dieser Passus noch nicht in den Verträgen enthalten, doch müssen alle Fahrer einen Standardvordruck der AIGCP, der Vereinigung der Profiteams, nachträglich unterschreiben, bei Manipulationsverdacht den DNS-Test freizugeben. Astana verzichtet laut Sportdirektor Mario Kummer auf den DNS-Passus, weil er rechtlich umstritten sei. (Tagesspiegel, 16.1.2007)

1. Strafrechtliche Verfolgung: Polizeiliche/Staatanwaltliche Ermittlungen stellen Proben sicher

Allgemein: Gefundene DNA-Proben, in der Operación Puerto sind es Beutel mit Blut, gehören nach der Beschlagnahme den Ermittlungsbehörden, der Justiz des Landes, das ermittelt. (Sie können aber u. U. nach dem Verfahren an den ursprünglichen Besitzer zurückgegeben werden.)

Die Strafverfolgungsbehörden können einen DNA-Abgleich anordnen, wenn die Gesetze des Landes dies zulassen. Dies geschieht aber nur, wenn gegen diese Person strafrechtlich ermittelt wird, eine Anklage also möglich wird. Dazu muss eine weitere DNA-Probe des Verdächtigen, meist Speichel, in den Besitz der Ermittler gelangen. Hierzu bedarf es einer richterlichen Anordnung.

Sportverbände und Teams haben in der Regel keine Möglichkeiten an diese Proben zu gelangen, um selbst DNA-Abgleiche für ihre sportrechtlichen Verfahren vornehmen zu können. Ggf. stellen Staatsanwaltschaften oder Gerichte die Ergebnisse der DNA-Proben zur Verfügung (s. u.), oder der Verband schreibt sich in die Statuten, dass strafrechtlich Verurteilte auch sportrechtlich gesperrt werden.

Strafverfolgungsbehörden anderer Länder können im Wege der internationalen Rechtshilfe das Land, das die beschlagnahmte DNA besitzt, um eine Probe für einen eigenen DNA-Abgleich bitten. Voraussetzung ist, dass sie selbst aufgrund einer Strafanzeige oder eines Strafverdachts gegen den Sportler ermitteln und ein Abgleich gerichtlich genehmigt wurde. Wird die Herausgabe der Probe gestattet, hat der beschuldigte Sportler noch die Möglichkeit, Widerspruch gegen den Abgleich einzulegen. (s. Fall Ullrich)

Beispiel Deutschland: Kooperation der Staatsanwaltschaften mit den Verbänden

Verbände können bei den Behörden Akteneinsicht beantragen. Grundsätzlich gibt es aber keinen Anspruch für Verbände darauf, dass Staatsanwaltschaften die Ermittlungsergebnisse herausgeben müssen. Die Staatsanwaltschaft kann (wie im Fall Springstein oder Hoyzer) mit dem Verband kooperieren und öffentliche Informationen in schriftlicher Form herausgeben. (Letztlich war es aber auch im Fall DLV/Springstein eine freiwillige Zusage der StA zur Akteneinsicht.)

Diese Kooperation ist ein „Kann“ kein „Muss“ und betrifft ausschließlich öffentliche Informationen, also solche, die z.B. in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung besprochen wurden (s. Spingstein / DLV).

Auch im Falle eines DNA-Abgleichs (Fall Ullrich) darf die Staatsanwaltschaft das Ergebnis nicht einfach veröffentlichen oder einem Verband (UCI, BDR) mitteilen. Offiziell kann die Staatsanwaltschaft das Ergebnis erst während einer Verhandlung oder nach Abschluss des Verfahrens bekannt geben.

Allerdings: Wenn die Verbände (z.B. UCI oder BDR) irgendwie an einen Beweis kommen, dürfen sie diesen auch nutzen, egal wie und woher sie ihn haben. Es gibt da kein Verwertungsverbot.

Auch hier ist die Gesetzeslage in den einzelnen Ländern unterschiedlich. So gibt es z. B. in Australien eine enge Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Ermittlungsbehören und der australischen Antidopingagentur, die für alle Dopingverfahren zentral zuständig ist. Auch die nationala Antidopingagentur der USA konnte im BALCO-Verfahren auf die Justizakten (9 3000 Seiten) zurückgreifen und 14 Sportrechtsverfahren durchführen. Die deutsche NADA ist für diese Verfahren nicht zuständig.

2. Zivilrechtliche/Sportrechtliche Verfolgung: Versuch der Anwendung verbotener Methoden/Dopingkontrollen

a) Versuch der Anwendung verbotener Methoden:

Werden irgendwo Blutbeutel von Athleten gefunden, kann dies darauf hindeuten, dass Blutdoping beabsichtigt wurde. Mit einem DNA-Abgleich wäre eindeutig feststellbar, ob dieses Blut von einem in Verdacht geratenen Sportler stammt. Zwei Möglichkeiten ergeben sich:

Wenn es den Verbänden und Teams möglich ist, legal auf diese Funde zurückzugreifen (z.B. bei Funden durch Teams usw.), könnten Sie von Ihren Sportlern eine Speichelprobe verlangen, und damit einen Abgleich durchführen – sofern entsprechende Verträge bestehen und die Sportler damit einverstanden sind. Um entsprechende Verträge wird bei den ProTour-Teams zur Zeit verhandelt und gestritten.

Oder die Verbände erhalten das Ergebnis des Abgleichs aus strafrechtlichen Verfahrens (s. o.)

Ob eine entsprechend vorgenommene Probenzuordnung zu einer Person aber für eine sportrechtliche Sanktionierung ausreicht, ist noch unklar und dürfte auch von Fall zu Fall variieren. Dem Athleten muss nachgewiesen werden, dass er mit dem Blut manipulieren wollte. Ein entsprechendes Urteil liegt noch nicht vor.

b) Dopingkontrollen

Urin- und Blutproben, erhalten bei Wettkampf- und Trainigskontrollen, sind durch A- und B-Probe verschlüsselt gekennzeichnet und identifizierbar. Ein DNA-Abgleich ist hierzu im Allgemeinen nicht notwendig. Er wäre jedoch sinnvoll, wenn Betrügereien mit Fremdurin und Fremdblut vermutet werden. Zu einem Urinaustausch ist es schon häufiger gekommen. Die Abgabe von Fremdblut dürfte schwieriger sein. Dies beträfe Tests auf Blutdoping und eventuell die Blutproben, die von den Verbänden vor Wettkämpfen zur Feststellung von Blutparametern wie Hämatokrit und Reticulocyten abgenommen werden. Zudem werden zunehmend von Verbänden und Teams Langzeit-Blutprofile der Athleten angelegt.

Ob solche verbandsintern durchgeführten DNA-Abgleiche aber zivilrechtlich (sportrechtlich) legal sind, hängt von der Rechtsprechung der einzelnen Länder ab. Allgemein gilt jedoch, wenn das Team oder der Verband den Betrugs-Nachweis via DNA-Tests in den Statuten (=Verträge) erlaubt, ist das für den Athleten bindend und er muss die vertraglich vereinbahrten Sanktionen akzeptieren – wenn er dem DNA-Test zugestimmt hat.

Das Beispiel Operación Puerto:

Die in Madrid sichergestellten Blutbeutel gehören gegenwärtig den spanischen Ermittlungsbehörden. Niemand anderes hat darauf ein Zugriffsrecht.

Die spanische Justiz ermittelt aber nicht gegen die Sportler, diese sind nur als Zeugen geladen. Daher ist eine Zuordnung des Blutes zu Namen für die Ermittler nicht relevant, eine Identifizierung wurde nicht angeordnet.

Verbände und Teams haben zur Zeit keine Möglichkeit an diese Proben zwecks DNA-Abgleich heranzukommen. Lediglich Strafverfolgungsbehörden anderer Länder können die spanischen Behörden um eine Probe bitten. Voraussetzung ist aber, dass jemand gegen einen Sportler eine Strafanzeige gestellt und damit Ermittlungen ausgelöst hat.

Bei Jan Ullrich trifft dies zu, er ist der einzige Sportler, der möglicherweise einem DNA-Abgleich zuzustimmen hat. Mitte Januar 2007 wurde bekannt, dass die Bonner Staatsanwaltschaft einen Abgleich plant und Blutproben aus Spanien erhalten hat. Ob Ullrich damit einverstanden sein muss, werden noch Gerichte klären, sofern er Widerspruch gegen die Herausgabe seiner DNA und den Abgleich einlegt.

UCI und BDR erfahren jedoch offiziell erst während einer Verhandlung oder nach Abschluss des Verfahrens das Ergebnis des DNA-Abgleichs. Es ist jedoch wahrscheinlich, das es über undichte Stellen bekannt wird. Es kann lange dauern, bis im Fall Ullrich Klarheit herrscht. Und dann ist noch nicht einmal im Falle einer Übereinstimmung der DNA geklärt, ob bewiesen werden kann, dass Ullrich geplant hatte zu dopen, bzw. eine verbotene Methode, Blutdoping, anzuwenden – eine unendliche Geschichte?

Steffen Moritz von sport-transparency.org – herzlichen Dank!


Januar 2007