Doping DLV: Neu, Hein-Direck – Diskus

DLV-Dopingvergangenheit

Hein-Direck Neu, Diskus

Diskuswerfer Hein-Direck Neu war von 1965 bis 1982 erfolgreich. Er begann beim USC Mainz, startete in den 1970er Jahren für Bayer 04 Leverkusen, um danach wieder nach Mainz zurück zu kehren. Er war mehrmals Deutscher Meister und hielt mehrfach den Deutschen Rekord.

Hans-Direck Neu, zu dieser Zeit Sprecher der Nationalmannschaft, wurde am 21.5.1978 zusammen mit Joachim Krug mittels einer Wettkampfkontrolle bei den Deutschen Leichtathletik-Mannschaftsmeisterschaften positiv getestet. Ein Anabolika-Depotpräparat war ihm und Krug zum Verhängnis geworden. Offenbar war die Abbauzeit falsch berechnet gewesen.

Hans-Direck Neu äußerte sich in der „bild der wissenschaft“ 1/1979 wie folgt:

„Ich kann hier nur erklären, daß ich immer bei an mir vorgenommenen Behandlungen den Arzt nach der medizinischen Nachwirkung der Medikamente befragt habe und bei längerfristig wirksamen Medikamenten die Zeitabstände zum Wettkampf eingehalten habe, nach dem das Medikament seine medizinische Wirksamkeit verloren hatte. Wenn mich der Arzt falsch informierte, was durch eine Untersuchung am Sportgericht herausgefunden werden kann, oder wenn ein Behandlungsfehler des Arztes vorlag oder eine nicht vorhersehbare Stoffwechselstörung meinerseits zu der Beanstandung im Mai führte, kann ich dann nicht von gezieltem Doping sprechen, da die gefundene Menge nicht als leistungsfördernd anzusehen ist“.

Die DLV-Bestimmungen untersagten eine Wettkampfteilnahme unter Einwirkungen verbotener Medikamente. Seit 1977 hatte zudem der DSB Anabolika auch in Trainingszeiten unter verboten klassifiziert.

1991 gibt Neu in einer Erklärung an Eides statt an, dass der in Mainz tätige Sportmediziner Dr. Manfred Steinbach ihm Anabolika auf Rezept verschrieben habe und beide, Arzt und Athlet, sich danach „über die vorgetäuschten Indikationen auf den Rezepten „kaputtgelacht“, hätten, „so zum Beispiel über die Scheinindikation ‚Gewichtsverlust nach Grippe‘.“ (SZ, 7./8.12.1991. zitiert nach Singler/Treutlein, S. 158).
Dr. Steinbach gehörte von 1973 bis 1993 dem DLV-Präsidium an und war von 1977 bis 1993 Abteilungsleiter und Ministerialdirektor im Bundesgesundheitsministerium. Er galt als scharfer Anabolika- bzw. Dopingkritiker. Insbesondere waren die beiden positiven Fälle unangenehm für den DLV, da sich der deutsche Sport gerade auf eine scharfe Antidopinghaltung eingeschworen hatte. DLV-Präsident August Kirsch meinte

„daß nach diesen beiden Fällen kein gutes Licht auf die Leichtathleten fällt, ist klar. Dies haben wir sehend in Kauf genommen, uns geht es darum, die Zahl der Verstöße zu dezimieren. Darum werden wir auch in Zukunft hart durchgreifen.“ (SZ, 29./30.7.1978).

Im Heidelberger Tageblatt war gar zu lesen, dass der DLV versucht hatte, die beiden Namen geheim zu halten (Heidelberger Tageblatt, 31.7.1978).

Krug und Neu wurden beide nach dem positiven Befund vom DLV gesperrt. Sie konnten sich aber den Start Anfang August 1978 bei den Deutschen Leichtathletik Meisterschaften in Köln mit Hilfe von Anwälten erstreiten (die Zeit, 18.8.1978). Hans-Direck Neu wurde für 18 Monate gesperrt. 1993 sagte er dazu:

„Wer konkurrenzfähig bleiben wollte, der machte das.“ Schon wegen der hohen Erwartungshaltung, die sich in entsprechenden Normen ausdrückten, die ohne Hilfsmittel kaum zu schaffen waren. Als bei Großveranstaltungen kontrolliert wurde, „setze man eben 14 Tage vorher die Tabletten ab.“ (FAZ, 20.2.1993)

Möglicherweise wurde Hein-Direck zu unrecht gesperrt. Simon Krivec fand anlässlich seiner Recherchen zu seiner Dissertation über Anabolika-Konsum unter Sportlern in den 60er bis 80er Jahren im Kirsch-Archiv das Formular des Dopingtests, das nicht unterschrieben war. Damit wäre nach heutigen Bedingungen der Test formalrechtlich ungültig gewesen, Neu hätte nicht gesperrt werden dürfen. Der heutige DLV-Präsident Clemens Prokop bewertet das etwas anders: „„Als ich 1993 zum DLV kam, war es ein juristisches Niemandsland”, berichtete Clemens Prokop. Anti-Doping-Regeln habe es nicht gegeben. „Um juristische Details hat man sich vorher nicht gekümmert.” Erst mit dem Fall Katrin Krabbe habe man im DLV angefangen, ein Anti-Doping-Regelwerk zu schaffen.“ (dpa, 17.4.2017)

Hein-Direck Neu war von 1981 bis 1987 beim DLV Honorar-Trainer für die Junioren.

HEIN-DIRECK NEU im AUGUST 2013

Hein-Direck Neu spricht am 8.8.2013 im Wiesbadener Kurier über seine Dopingvergangenheit.

„… Praktisch jeder von uns Werfern, der sportlich weiterkommen wollte, hat damals mehr oder weniger regelmäßig zu Anabolika gegriffen oder es zumindest einmal probiert. Einige haben es nicht vertragen und wieder abgesetzt. Ich hatte damit keine Probleme. …

Wenn du die Werfer aus der DDR, vor allem aber aus Amerika gesehen hast, die mit dem Zeug ganz offen umgegangen sind und im Gegensatz zu uns Studenten damals schon unter Profibedingungen trainiert haben, dann blieb dir doch gar keine andere Möglichkeit. …

Zusammen mit unserem damaligen DLV-Trainer Karlheinz Steinmetz, der noch bis vor wenigen Jahren auch Lars Riedel betreute, sind wir regelmäßig zu Professor Armin Klümper in die Uniklinik nach Freiburg gefahren. Dort sind wir reichlich mit Spritzen, aber auch mit Tabletten versorgt worden. Ich hatte mich damals noch gewundert, dass die Krankenkasse das alles bezahlt. … Da wir Athleten unter uns ganz offen darüber gesprochen haben, kann es aber niemandem verborgen geblieben sein. Jeder wusste, dass Weltklasseweiten nicht von ungefähr kommen. …

2015 HEINZ-DIRECK NEU, ZEITZEUGENINTERVIEW EVALUIERUNGSKOMMISSION FREIBURGER SPORTMEDIZIN

2015 stand Hein-Direck Neu der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin für ein ausführliches Interview zur Verfügung. Hierbei ging es insbesondere um die Rollen der Freiburger Sportärzte Armin Klümper und Josef Keul.

Das Interview ist Teil des Gutachtens zu Klümper von Singler/Treutlein und ist hier nachzulesen:

>>> Hein-Direck Neu (1944 – 2017), Interview im Januar 2014 – 8.6.2 Der Dopingfall Neu 1978: Medikamenten-Empfehlung von Klümper

Monika 2011, Ergänzungen