Doping DDR: Ruder- und Kanu-Trainer

dopingbelastete Trainer der DDR im Rudern und Kanu

Folgende Trainer werden hier vorgestellt:

– Altenburg, Dieter
– Ahrendt, Bernd
– Hörentrup, Helmut
– Kautzke, Horst

Altenburg, Dieter Dr.

Dieter Altenburg war in den 1960er Jahren als junger Ruderer im SCW DHfK Leipzig aktiv. In den 1970er Jahren stieg er innerhalb der SV Dynamo zum Juniorenverbands-Cheftrainer Rudern auf.

Im wiedervereinigten Deutschland wurde ihm eine Trainerstelle im Jugendsport übertragen. Bis zum 1.10.2007 war er Bundestrainer im Deutschen Ruderverband. 2012 ist er stellv. Vorsitzender des Landesruderverbands (LRV) Berlin, der gleichzeitig Bundesstützpunkt ist.

Viele Daten über den Lebensweg des Trainers sind nicht zu finden, lediglich, dass er bei seiner Verabschiedung als Bundstrainer mit Lob überschüttet wurde. Da ist von einer Trainerlegende und von “ The Big Boss, the Headmaster, Seine Majestät König von Grünau oder schlicht „Der Alte““ die Rede. (Protokoll Dt. Rudertag 2008)

Bekannt ist , dass bereits in den 1970er Jahren in der DDR im Rudern Dopingmittel eingesetzt wurden. Vieles deutet darauf hin, dass auch Dr. Dieter Altenburg über die Dopinganwendungen und Manipulationen mit Medikamenten informiert war.

„Ein früherer Vorfall zeigt, dass ein Juniorentrainer der B-Mannschaft Dopingmittel ablehnte und den Vorfall sogar dem Arbeitgeber anzeigte. Bei den Juniorenwettkämpfen der Freundschaft 1978 in Rumänien war man unterlegen, da die Boote der anderen sozialistischen Staaten jeweils mit den besten Sportlern besetzt waren. Der Dynamo-Sportarzt schlug daraufhin vor, „Doping gemäß Programm 3-Versuch“ durchzuführen. Diese Dopingmaßnahme sah vor, vor dem Wettkampf mehrere Spritzen zu setzten, um den Laktatabfall zu verringern. Der Trainer G.H. lehnte das Angebot jedoch ab, das vielleicht den Sieg gebracht hätte, und informierte nach Rückkehr ( der Wettkampf war verloren gegangen) den DTSB- Präsidenten.

Der Arzt musste sich zwar rechtfertigen, wurde aber nicht überführt: Er hatte in der Not behauptet, er habe lediglich Glukoselösung spritzen wollen, um die Ruderer psychisch zu stärken.(71)

Interpretiert man die Angaben, war die Erklärung nicht zu erschüttern.

„Programm 3“ war nun einmal für diese Meisterschaft nicht vorgesehen gewesen. Der Arzt hätte demnach über SMD und Sportärztliche Hauptberatungsstelle gar keine Dopingmittel erhalten können.

Der Trainer konnte genauso wenig wie der DTSB- Präsident wissen, dass ein besonderer Arzt gemeldet worden war. Dieser bestätigte dem MfS gegenüber ausdrücklich, außerhalb des offiziellen Weges über einen Arzt der Sportärztlichen Hauptberatungsstelle der Sportvereinigung „Dynamo“ `heimlich` Präparate zu erhalten. (72) Er nutzt also Dopingexperimente des Verbandes ungenehmigt für seine „Dynamo“-Ruderer (G. Spitzer, Doping in der DDR, S. 165).

Der gleiche Vorgang wiederholte sich bei den Juniorenwettkämpfen der Freundschaft 1981. In Anwesenheit des Juniorenverbandstrainers Dr. Dieter Altenburg wurden den Ruderern entsprechende Infusionen verabreicht. Der Verbandstrainer war also in die Dopingmachenschaften des Dynamotrainers nicht nur involviert, sondern beteiligte sich aktiv mit an der Vergabe von Dopingmitteln.

Dr. Dieter Altenburg war in der DDR als Juniorenverbands-Cheftrainer aktiv an der Vergabe von Dopingmitteln an junge Sportler beteiligt.“ (dopingopfer der ddr: Dopingexperimente auch im DDR-Rudersport)

Äußerungen von Dieter Altenburg über seine Zeit als DDR-Jugendtrainer und seine Erfahrungen mit dem DDR-Dopingsystem sind mir nicht bekannt.

Ahrendt, Bernd

Bernd Ahrendt war Ende der 1960er Jahren erfolgreicher Ruderer im Achter des SC Dynamo Berlin, mit dem er 1970 Weltmeister wurde. Von 1978 bis 1981 trainierte er Junioren, von 1981 bis 1990 Ruderfrauen beim SC Dynamo Berlin. Nach der Wende bekam er 1991 eine Trainerstelle bei der RG Hansa Hamburg, die er bis 1998 inne hatte.

Bernd Ahrendt war aktiv in das Doping eingebunden.

„Der Trainer Bernd Ahrend wies seine Dynamo- Ruderinnen an, die Pille so einzusetzen, dass sie ihren Zyklus manipulieren sollten, um an wichtigen Wettkampftagen ihre Regelblutung zu bekommen. Sie wären dann leistungsfähiger.

Während dieser Zeit veranlasste er seine Ruderinnen außerdem, „Unterstützende Mittel“ ( UM )in Form von „Vitamintabletten“ (mit der Begründung, sie sind bei Wind und Wetter auf dem Wasser und man müsse Erkältungen vorbeugen), Eiweißzusatztrunk und später in Form von Schokoladenpralinen einzunehmen, ohne sie über den Inhalt und Nebenwirkungen aufzuklären. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um Dopingmittel handelte.

Nach Vollendung des 18. Lebensjahres bekamen sie von ihm Anabolika in Form von Tabletten. Sie waren nun volljährig und sollten selbst durch Leistung ihrer Unterschrift die Verantwortung für die Einnahme von Dopingmitteln tragen, obwohl sie wiederum nicht über Wirkungen und Nebenwirkungen aufgeklärt wurden!

Auf Grund der Einnahme von „UM“, die die Bewältigung viel zu hoher Trainingsleistungen ermöglichten und eine permanente extreme Überbelastung des Körpers hervorriefen, erlitten viele Ruderinnen schwere körperliche Schäden.

Da nur einige Ruderinnen seiner Trainingsgruppe in die Vergabe von UM einbezogen waren, kann man davon ausgehen, dass es sich hier um ein Dopingexperiment handelte. Die nicht in die Dopingvergabe einbezogenen Rudermädchen dienten als Kontrollgruppe.“ (dopingopfer der DDR)

Cornelia Reichhelm (Jeske)::
„Mit 16 bekam ich immer stärker werdende Rücken- und Kopfschmerzen, die häufig mit Spritzen behandelt wurden, vor allem unmittelbar vor den Wettkämpfen. Das seien nur harmlose Muskelverspannungen, sagte man mir. 2003 erfuhr ich aus meiner Krankenakte, dass ich bereits im Alter von 17 Jahren Bandscheibenvorfälle hatte. Doch Ärzte und Trainer verharmlosten diese Befunde, damit ich weitermachte.
Später bekam ich eine Herzmuskelentzündung, ständig Blasen-, Nierenbecken-, Venen- und Magenschleimhautentzündungen, etwa zehn Jahre lang immer im Wechsel. Durch die Dopingmittel wurde auch das Stütz- und Bindegewebe geschädigt. Ich musste mich vielen Krampfader-OPs unterziehen. Nach der sechsten OP habe ich aufgehört zu zählen. Im Jahr 2000 bin ich körperlich völlig zusammengebrochen. In einem der zahlreichen ärztlichen Berichte hieß es: „schwer degenerativ veränderte Wirbelsäule“. Seit über 30 Jahren habe ich täglich Schmerzen. Aufgrund der schweren Schäden bin ich erwerbsunfähig.“
(die Zeit, 20.3.2013)

Cornelia Jeske ist eine der Ruderinnen, mit denen beim SC Dynamo Berlin experimentiert wurde. 1984 gehörte sie dem DDR-Olympiakader an. Sie ist heute schwer krank, anerkanntes Dopingopfer und hat einen behinderten Sohn. Im Dezember 2009 reichte sie eine Klage auf eine monatliche Rente ein. Dieser Musterprozess ist noch anhängig, vor allem da von ihr verlangt wird Nachweise für das Doping vorzulegen und zu beweisen, dass ihre gesundheitlichen Schäden mit dem Doping in Verbindung stehen. Ein schwieriges Unterfangen, denn es finden sich kaum noch Unterlagen.

„Immerhin erhielt sie vor acht Jahren ihre bei Dynamo Berlin angelegte gynäkologische Akte. Enthalten sind Eintragungen mit „T“ (für Testosteron) sowie verabreichte Dosen von „7 mal T pro m“, also siebenmal Testosteron pro Monat. Die Aufzeichnungen erfolgten ab 1976. Cornelia Jeske war da ein Kind von 13. Jahren. Im Folgejahr wurde die Testosteron-Dosis auf „24x“ erhöht.“

Cornelia Jeske ist auf Zeugen angewiesen und verweist auch auf Bernd Ahrendt, der Ihr Doping ebenso wie Trainerin Rita Bludau bestätigen könnte.

„“Ahrend gab mir 1978 wie einigen anderen Ruderinnen einen 0,5-Liter-Tagesdrink. Er roch wie Rattengift, schmeckte scheußlich.“

Jeske musste das Gebräu unter Aufsicht trinken. 1981, als sie gerade 18 geworden war, wollte Ahrend die Athletin obendrein zur Einnahme weiterer Tabletten zwingen. Jeske sagt:

„Er setzte mich massiv unter Druck. Ich habe aber unter rund 20 Zeugen die Einnahme verweigert. Darunter waren zig Funktionäre, auch die spätere Skull-Cheftrainerin Rita Schmidt, verheiratete Rita Bludau.“

Die Trainerin wurde vor zwei Jahren für ihre 50-jährige Mitgliedschaft im Ruder-Club Rahnsdorf Luftfahrt Berlin geehrt.“ (dradio, 27.12.2009, dradio, 7.8.2011)

Hörentrup, Helmut

OB Hörentrup selbst Dopingmittel verordnet hat, wird nicht beschrieben. Allerdings wusste er von den praktiken. Interessant ist seine Einindung als Stasimitarbeiter.

Der NDR 1 Mecklenburg Vorpommern veröfentlichte am 30.1.2016 ein Dossier „Trainer im Stasi-Dress“ zu Trainern der DDR, die der Stasi zuarbeiteten. Das Dossier ist nicht mehr online.
Die folgenden Informationen und Zitate wurden dem NDR-Bericht entnommen.

Hörentup war in der DDR als IM „Rosi Sauer“ für die Stasi ab 1964 aktiv. seine inoffizielle Mitarbeit für das MfS wurde 1992 bekannt.
Er arbeite ein jahr als lehrer bevor er als Kajak-Trainer beim Armeesportklubs (ASK)  Leipzig anfing. Im Mai 1963 wechselte er zum ASK Berlin II am Standort Potsdam.

Der Prominenteste von ihm bespitzelte Sportler war der Olympia-Sieger im C1 von Tokio 1964 – Jürgen Eschert.

Der erzählte dem IM im Februar 1966 von der damaligen Doping-Praxis im Kanurennsport – insbesondere bei den Olympia-Ausscheiden für die gesamtdeutsche Mannschaft. „Rosi Sauer“ hielt zumindest einige Anhaltspunkte in seinem Bericht für die Staatssicherheit fest:

„Neu war für mich, daß unsere Leute zur Ausscheidung Doping genommen hätten. Er hat es auch in Magdeburg gebraucht aber auf Grund der Wirkung es in Westdeutschland abgelehnt. Er ist der Meinung, daß das Doping mit Schuld war an der Niederlage unserer Sportler in Westdeutschland. Falls die Westdeutschen auch gedopt waren, dann war ihres auf jeden Fall besser, denn sie haben unsere Leute meist auf den letzten Metern abgefangen.“(Quelle: AIM III 30/82 Teil II, Band 1 „Rosi Sauer“, BStU 000116ff., ASt Neubrandenburg, Bericht vom 21.2.66)

1966 übernahm Hörentrup in Neubrandenburg das Training des Nachwuchses in der neugegründeten Kanu-Sektion. „1971 holte Slatnow den ersten Weltmeistertitel für den SCN. Hörentrups Schützling Ilse Kaschube legte 1972 mit Olympiasilber in München nach. So wurde er zum erfolgreichsten Neubrandenburger Kanu-Trainer und stieg zum DDR-Juniorenauswahltrainer und zum Cheftrainer beim SCN auf.“

Die Stasi integrierte den IM „Rosi Sauer“ in das Netz eines Führungs-IM (FIM). Harry Müller, Lehrer an der Kinder- und Jugendsportschule (KJS) Neubrandenburg war nun Hörentrups Ansprechpartner, als es um die Einschätzung der Spitzen-Kanuten ging, die sich auf Olympia in Montreal 1976 vorbereiteten. Dazu zählten Anke Ohde, Bärbel Köster, Carola Zirzow, Rüdiger Helm und Bernd Olbricht.

Hörentrup hatte die Stasi ein paar Jahre an der Nase herumgeführt, sich regelmäßig mit der Verwandtschaft seiner Frau aus dem Westen getroffen. Mal in seiner Neubrandenburger Wohnung, mal in Ungarn. Das MfS wusste davon bis Ende 1977 nichts und war noch mehr verärgert darüber, dass IM „Rosi Sauer“ in seinem Umfeld offen darüber gesprochen hatte.

Der Ärger schlug sich in Hörentrups Karriere nieder. Wegen seiner „Abgrenzungsprobleme“ gegenüber dem Westen verlor er seinen Verbandsposten eben so wie die Cheftrainerstelle beim SCN. Kurz vor Weihnachten 1977 beschloss eine eilig einberufene Versammlung der Parteigruppe unter Anwesenheit der SCN-Leitung, dass Hörentrup den Club verlassen müsse. Im März 1978 fand sich Hörentrup in Neustrelitz wieder – als Trainer des dortigen Kanu-Bezirkszentrums und zuständig für die sportliche Ausbildung von Kindern, die den Sprung in den Leistungssport schaffen sollten.

Wegen Hörentrups Affinität zum Westen beschloss die Stasi ihn für die sogenannte „Blickfeldarbeit“ aufzubauen.

Er sollte für westliche Behörden und Geheimdienste interessant gemacht werden, um so an Informationen zu kommen. IM „Rosi Sauer“ war bereit. Mitte Mai 1978 erhielt er erste Details für einen Auftrag:

„…Dem IM wurde aufgezeigt, daß es durch einen Kundschafter unseres Organes gelungen ist die gegenwärtige Unterkunft von Dr. […] in der BRD festzustellen. Um in dieser Hinsicht weitere Anhaltspunkte zu erarbeiten, wird am 21.6.78 eine weitere Zusammenkunft mit dem Kundschafter stattfinden um danach weitere Maßnahmen ableiten zu können für die Blickfeldarbeit mit dem IM. Im weiteren Gespräch wurde dem IM dann die genaue Adresse von […] mitgeteilt und ihm aufgezeigt, daß er zum gegenwärtigen Zeitpunkt an diesem Ort in einem Kurheim tätig sein soll. Bei dem Leiter des Kurheimes handelt es sich um den…

Von Seiten des IM wurde daraufhin gleich entgegnet, daß dieser […] ihm ebenfalls bekannt ist und er vor ca. 2 Jahren die DDR verlassen haben muß.

Mit dem IM wurde im Verlauf des Treff dann ausführlich durchgesprochen, wie diese Personen reagieren würden, wenn in der BRD offiziell bekannt werden würde, daß er nicht mehr als Cheftrainer fungiert, bzw. welche Einschätzungen diese 3 Personen über ihn gegenüber dem Verfassungsschutz oder BND abgeben können. …

 Im weiteren Gespräch wurde mit dem IM dann auf eine weitere Variante eingegangen um seine gegenwärtige Lage in der BRD bekannt zu machen. Dazu wurde mit dem IM abgesprochen, daß bei seinem ehemaligen Schützling […] ein Onkel aus der BRD eingereist ist. Durch den IM wurde in diesem Zusammenhang eingeschätzt, daß der […] ihn über den Onkel bereits in einem Gespräch informiert und aus diesem Grunde auch Kenntnis davon hat, daß der Onkel mit zu den Begründern der NPD in der BRD gehört. …

Das Ziel besteht einmal darin
– die weiteren Pläne des […] in Erfahrung zu bringen
– sowie den direkten Kontakt zum Onkel zu bekommen um eventuell über ihn die Blickfeldarbeit zu erreichen.“ (Quelle: AIM III 30/82 Teil II, Band 1 „Rosi Sauer“, BStU 000370ff., ASt Neubrandenburg, Treffbericht vom 20.5.78 nach einem Treff am 19.05.78)

Unter Anleitung des MfS verfasste Hörentrup den geforderten Brief an einen in der Bundesrepublik ausgewählten Kanu-Trainer. Darin die Bitte, ihm regelmäßig eine Fachzeitschrift zukommen zu lassen, weil er ansonsten nach seiner Abstufung zum Nachwuchstrainer nicht auf dem Laufenden sein könne. Eine Antwort aus dem Westen erhielt Hörentrup nie. Der Plan misslang.

Im Sportbereich hatte das MfS keine Verwendung mehr für den einstigen Erfolgstrainer. Er wurde anderen Bereichen zugeordnet. Fast war der IM abgeschrieben. Doch mit seiner Rückkehr als Trainer auf die Bezirksebene wuchs das Interesse an Hörentrup erneut. 1983 will die Stasi ihn als IM bei der Kinder- und Jugendspartakiade in Berlin einsetzen. Hörentrup sagt zu und unterschreibt später sogar eine neue Verpflichtungserklärung. Obwohl er zuvor nie entpflichtet wurde. Das MfS bekommt Informationen sowohl aus dem Neustrelitzer Umfeld als auch aus der Neubrandenburger Kanu-Sektion. Hörentrups alte Verbindungen ins Leistungssportzentrum funktionierten noch immer. …

Nach der Wende:

Am 23. Juni 1989 trifft sich Helmut Hörentrup das letzte Mal mit seinem Führungsoffizier. Er wird an einen anderen Stasi-Offizier weitergegeben. Bis Mitte der 1990er-Jahre trainiert Hörentrup den Nachwuchs im Kanu-Verband Württemberg. Er kehrt nach Mecklenburg-Vorpommern zurück und wird später sogar Präsident des Landeskanuverbandes. Im Dezember 2011 tritt er zurück, die Stasi-Vergangenheit hat ihn eingeholt.

Kautzke, Horst

Die folgenden Informationen wurden dem Dossier „Trainer im Stasi-Dress“ des NDR1, Mecklenburg-Vorpommern vom 30.1.2016 entnommen. Ob er mit Dopingpraktiken in Berührung kam, sie auch einforderte, wird nicht erwähnt. Mit seiner Stasi tätihkeit als „IM Horst Kunze“ nahm er viel verhehrenen Einfluss auf die Lebenswege ihm Anvertrauter und weiterer  Personen.

Horst Kautzke trainierte schon als junger Mann ab 1969 die Kanuten beim Sportclub Neubrandenburg (SCN).

Unter den Sportler/innen stieß er jedoch schnell auf Kritik und Widerstand, da er den Eindruck erweckte nur seine karriere sei ihm wichtig und er somit Spitzenathleten bevorzugte.

Kautzke führte einige Kajak-Frauen an die Weltspitze. Zu ihnen gehörten Anke Ohde ebenso wie Bärbel Köster oder Carola Zirzow. Doch nach den Olympischen Spielen im Jahr 1976 zerfiel die Spitzentrainingsgruppe. Kanu-Cheftrainer Helmut Hörentrup alias IM „Rosi Sauer“ berichtete am 27. Januar 1977 seinem MfS-Führungsoffizier:

„Die Kontrastimmung gegen Kautzke wächst immer mehr an. Von Seiten der weibl. Aktiven wurde geäußert, daß sie lieber den Nachwuchstrainer Neumann als Trainer haben wollen, da sich […] um menschliche und persönliche Probleme überhaupt nicht kümmert.

Horst Kautzke hat Neubrandenburg nach dem Fall der Mauer verlassen.

Im Jahr 1980 fehlte dem MfS ein Inoffizieller Mitarbeiter (IM) unter den Spitzenkanuten des SCN, und es hielt den umstrittenen Trainer für einen geeigneten Mann. Im Sommer 1980 unterschrieb er eine Verpflichtungserklärung. Seine Aufgaben: die Sportreisekader der Sektion Kanurennsport „aufklären“ und „operativ interessante“ Personen aus der Sektion überwachen.

Sein erster größerer Einsatz für die Stasi aber hatte erstaunlich wenig mit dem SCN zu tun. IM „Horst Kunze“ sollte den Schwimmlehrer seines Sohnes – Ulrich Schrödter – ausspionieren und zu diesem Zwecke eine familiäre Beziehung zu Schrödter aufbauen. Der fiel auf die durchgeplante Freundschaft rein. Erzählte vertrauensvoll Details aus seiner Familie. Schrödters Schwester lebte in der BRD.

Das MfS befürchtete, dass der Schwimmlehrer die DDR verlassen wollte. Der ehemalige Cheftrainer der Leichtathleten des SCN hatte diesen Posten zugunsten seiner Familie aufgegeben und arbeitete fortan als Lehrer. Schrödter selbst arbeitete unter dem Decknamen „Lutz Ortlepp“ für die Stasi, leitete bis zu sechs IM an.

IM „Horst Kunze“ bespitzelte aber auch seine Top-Athleten wie Rüdiger Helm. Der Weltklasse-Kajakfahrer hatte zuvor eine Zusammenarbeit mit der Stasi verweigert und sollte unter Kontrolle gehalten werden. Und weil IM „Kunze“ regelmäßig im Ausland eingesetzt wurde, hatte auch die für die Sicherung des Sports zuständige Hauptabteilung XX/3 in Berlin Interesse an ihm. …

Von seinen Auslandsaufenthalten berichtete IM „Kunze“ ausführlich. …

Seine Informationen führten u.A. dazu, dass Kanutin Bettina Streussel ihre karriere beenden musste, nachdem ihr ein Treffen mi dem kanadischen Sportler Laurence „Larry“ Cain zur Last gelegt wurde.

Streussel musste ihre gerade erst begonnene Karriere beenden. Ihr wurden selbst die Prämien für die zwei Weltmeistertitel verwehrt, die sie gemeinsam mit Birgit Fischer in Belgrad errang. Während Fischer eine Weltkarriere startete, war Streussels Lebenstraum auf einmal zerplatzt.

Horst Kautzke hat Neubrandenburg nach dem Fall der Mauer verlassen.