Diskussion Deutsche Antidoping-Gesetzgebung

>>> Inhalt / Beiträge des Dossiers Antidoping-Gesetzgebung

Die Diskussion um ein deutsches Antidoping-Gesetz

Die Diskussion vor bzw. der Weg hin zur Gesetzgebung 2007 wird im Rahmen des Abschlussberichtes ‚Doping in Deutschland‘ von den Forschern der Universität Münster beschrieben: 2013 Sport und Staat, S. 120ff

Diese frühere Diskussion um die Verschärfung der deutschen Antidoping-Gestzgebung 2007 ist auch vor dem Hintergrund des WADA-Codes und der
UNESCO-Konvention gegen Doping zu sehen. Mit Unterzeichnung des Codes und der Ratifizierung der Konvention verpflichteten sich die Länder nationales Recht damit in Einklang zu bringen.

Die deutsche Antidoping-Gesetzgebung wurde von 1976 bis Ende 2015 im
Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG) geregelt. Zu finden ist es unter
§ 6a Verbote von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport, Hinweispflichten sowie den dazugehörigen Strafvorschriften unter § 95 und § 96.

Damit hatte Deutschland im Prinzip ein Antidoping-Gesetz (s. hier Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport (Anti-DopingG). Der Ruf wurde aber immer lauter nach einem dem Arzneimittelgesetz ausgegliederten eigenständigen Anti-Doping-Gesetz. Damit ging die Hoffnung einher, um dem Doping im Sport erfolgreich begegnen zu können, bezog sich meist auf ein eigenständiges Antidoping-Gesetz mit weitergehenden strafrechtlichen Möglichkeiten. Insbesondere kam die Strafbarkeit des Eigendopings immer stärker in den Fokus.

Auch §6a AMG hätte sich erweitern und verschärfen lassen. Dies sah z. B. der im April 2013 vorgelegte Gesetzesantrag der Landesregierung Baden-Württembergs vor in dem u.a. die Einführung eines neuen Straftatbestandes Dopingbetrug gefordert wird.  Schon 2007 versuchte die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen ähnliches und wollte einen neuen Straftatbestand Sportbetrug im Rahmen des AMG regeln lassen.

In dem Referentenentwurf der Bayerischen Landesregierung von 2009 heißt es zur Begründung eines eigenständigen Anti-Doping-Gesetzes: „Der Entwurf schlägt vor, die Kernregelungen zur Bekämpfung des Dopings und der Korruption im Sport in einem eigenen Gesetz zu treffen. Dafür streiten Gründe der Übersichtlichkeit. Überdies verspricht sich der Entwurf hier von eine erhöhte Signalwirkung.“

Zu dieser Frage, dem Für und Wieder einer eigenständigen Antidoping-Gesetzgebung siehe auch Dieter Rössner, 2014, Das geplante deutsche Antidopinggesetz – Mehr Schein als Sein.

2015: Die Herausnahme der Anti-Doping-Gesetzgebung aus dem AMG war innerhalb der Bundesregierung schnell Konsens. Am 13. November 2015 wurde nach einer Debatte im Deutschen Bundestag ein eigenständiges Anti-Doping-Gesetzes beschlossen. Es trat am 1.1.2016 in Kraft.

>>> Gesetz gegen Doping im Sport (Anti-Doping-Gesetz – AntiDopG)

Im wesentlichen wurde die deutsche Debatte um die Anti-Doping-Gesetzgebung von drei zentralen Punkten bestimmt:

Wie kann der dopende Sportler trotz der Straflosigkeit des Eigenkonsums belangt werden, wie kann das Umfeld der Sportlers erfasst und belangt werden und wie kann der Handel und die Produktion mit und von Dopingprodukten beschnitten werden. Im Zentrum der Diskussion steht meist der (Hoch-)Leistungssport, dessen Skandale letztlich immer die Triebfedern für die Gesetzesinitiativen waren.

Die Initiativen der letzten Jahre, die wesentliche inhaltliche Änderungen des bestehenden Gesetzes bezweckten, waren geprägt von der Überzeugung, dass die bestehenden Regelungen nicht ausreichen und dass man nur mit Straf- und Gesetzesverschärfungen das Doping im Sport wirkungsvoll eindämmen und kriminellen Strukturen von Dopingmittelhandel und -produktion zerschlagen kann. Immer nachdrücklicher wurde zudem der Wunsch geäußert, das Gesetz auf andere Korruptionstatbestände wie Bestechlichkeit und Bestechung auszuweiten. Straferhöhungen, insbesondere auch für Sportler, waren fester Bestandteil der Überlegungen. Ob und wann hohe Strafen tatsächlich, insbesondere auf dopende Sportler, abschreckende Wirkungen zeigen, wurde in den vorliegenden Gesetzesinitiativen und Gutachten nicht angesprochen. Diese Frage spielte auch in der Diskussion um das beschlossene Anti-Doping-Gesetz keine Rolle obwohl in den Begründungen immer wieder die abschreckende Wirkung betont wurde.

Interessant wäre eine Herausarbeitung von Unterschieden, die sich ergeben in der Praxis der alten und der neuen Antidoping-Gesetzgebung zwischen dem Leistungs- und dem Amateur-/Breitensport . Die verschiedenen Initiativen sprachen diese Unterschiede kaum an, sie wurden nur am Rande in einigen Stellungnahmen thematisiert.

BMI: Expertengespräch zur Dopinggesetzgebung am 26. September 2013 im Bundesministerium des Innern, Bonn; Leitthemen/Fragenkatalog mit zugehörigen Antworten /Beiträgen

In diesem Dossier auf doping-archiv.de werden die verschiedenen Gesetzesinitiativen vorgestellt. Die Diskussion darum wird von mir jedoch nur ansatzweise dargestellt. Die Vorschläge sind inhaltlich viel weitreichender als hier zitiert. Telekommunikation bei bestimmten schweren Straftaten nach dem Sportschutzgesetz.

Ich greife in diesem Dossier greife die wichtigsten Forderungen heraus und führe einige Pro- und Contra-Argumente auf.

Mai 2013 Schwerpunktstaatsanwaltschaft Freiburg, Einjahresbilanz:
„Insgesamt 519 Verfahren wurden bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft vom 1. April 2012 bis zum 31. März 2013 geführt. 393 Verfahren gegen 370 Personen konnten abgeschlossen werden – in 42 Fällen wurde Anklage erhoben oder ein Strafbefehl mit einer Geldstrafe beantragt. Weitere Verfahren wurden eingestellt – teils gegen eine Geldauflage, einige wurden an Staatsanwaltschaften außerhalb Baden-Württembergs abgegeben.
Der Minister wies darauf hin, dass die Verfahren der Schwerpunktstaatsanwaltschaft überwiegend den Breitensport und dabei vor allem die Bodybuildingszene betrafen; lediglich in drei Fällen betreffen sie den Bereich des Leistungssports. Diese Verfahren laufen derzeit noch. „Die Erfahrungen bestärken mich in der Haltung, dass wir einen Straftatbestand Dopingbetrug benötigen“, stellte Stickelberger fest. „Nur so können wir den wirtschaftlichen Wettbewerb im Berufssport strafrechtlich gegen die unlautere Einflussnahme durch Doping absichern.““

März 2019
Staatsanwalt Kai Gräber, München, anlässlich der Operation Aderlass:

Welche Rolle spielt das Anti-Doping-Gesetz (ADG) vom Dezember 2015 in diesem Fall?
Das Anti-Doping-Gesetz hat insofern eine Rolle gespielt, dass zum einen die Strafbarkeit des Blut-Dopings als verbotene Methode nach dem alten Arzneimittelgesetz immer ein bisschen strittig war. Das war höchstrichterlich nicht entschieden. Das ADG hat eindeutig geregelt, dass verbotene Methoden strafbar sind. Das ADG hat eine Reihe von Sachen gebracht, die erwünscht waren und begrüßenswert sind. Da sind die Einführung des Verbrechenstatbestands für die Gewerbs- und Bandenmäßigkeit, für die Abgabe an Minderjährige. Das war früher nur ein besonders schwerer Fall. Die Verjährungsfristen sind länger, man kann weiter in die Vergangenheit ermitteln. Die uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit für den Sportler war ein Schritt nach vorne. Für den konkreten Fall sind die Doping-Methoden interessant. (FAZ, 3.3.2019)
>>> Operation Aderlass

Die Fragestellung Berufssport-Amateure-Freizeitsport ist vor allem deshalb interessant, weil das Doping-Problem im Freizeit- und Amateursport nach den Ergebnissen einiger Studien hoch ist. Es ist wahrscheinlich sogar ernster einzuschätzen als im Profisport, vor allem auch außerhalb der Bodybuilder-Szene.

Das beschlossene Gesetz der Bundesregierung klammert den Amateur- und Breitensport gänzlich aus, bezieht sich allein auf den Spitzensportbereich. Betroffen sind lediglich ca. 7.000 Spitzenathleten, die dem NADA-Testpool angehören sowie alle Sportler/innen aus internationalen Testpools, die in Deutschland überführt werden, sowie Sportler/innen, die „Einnahmen erheblichen Umfangs“ erzielen. Gerade letzter Punkt dürfte Abgrenzungsprobleme mit sich bringen.

Ein Vergleich zwischen Sportrecht (Schiedsgerichtsbarkeit) und staatlichem Recht (Zivil- und Strafrecht) wird im Folgenden nicht vorgenommen. Die Vorteile, Nachteile und jeweiligen Grenzen der beiden Rechtsformen im nationalen und internationalen Kampf gegen Doping müssten gesondert betrachtet werden. Die hier dargestellte Diskussion um die deutsche Antidoping-Gesetzgebung wurde aber immer vor diesem Hintergrund geführt. Insbesondere die Beschlüsse des DOSB beziehen sich auf den Unterschied und leiten daraus sich möglicherweise ergebende Konflikte ab. (S.a. D. Maihold, Strategien und Instrumente zivil- und verbandsrechtlicher Dopingverfahren in Deutschland und ATHLETEN- UND SCHIEDSVEREINBARUNGEN, Fragen- und Antwort-Katalog der Athletenkommission im DOSB)

Einen neuen Schub erhielt diese Diskussion mit dem Urteil des Münchener Oberlandesgerichts im Falle Claudia Pechstein vom 15.1.2015. Pechsteins Klage auf Schadensersatz gegen die Internationale Eislaufunion ISU und die DSG wurde statt gegeben. Die Begründung des Gerichts legte nahe, dass damit nicht die Schiedsverfahren im Deutschen Sport generell abgelehnt werden, sondern dass durch eine Reform des CAS, mit der die Rechte der Sportler besser berücksichtigt würden, die meisten Kritikpunkte ausgeräumt wären. Damit war allerdings die juristischen Auseinandersetzungen und Grundsatzdiskussionen zum Thema nicht beendet, Näheres  kann angehört werden unter Geheimsache Doping Der Fall Pechstein (5/5), 22.5.2023.

EINIGE KERNPUNKTE DER KONTROVERSEN

Die Kontroversen wurden mit Verabschiedung des neuen Gesetzes nicht beendet. Sie dauern an auch wenn das Thema erst einmal aus dem öffentlichen Interesse verschwand.

Die folgenden beiden Texte zeigen die Breite der unterschiedlichen Einschätzungen:

Nils Zurawski: Falsche Lehren aus den Doping-Skandalen

Dr. Ali B. Norouzi: Sank­tio­nie­rung von Vor­bild­ver­sagen

STRAFBARKEIT DES EIGENDOPINGS

BMI, Rechtsvergleich und faktische Wirkungen (nachrichtlich)
Einige EU-Mitgliedstaaten haben eine Strafbarkeit wegen Eigendopings (i.d.R. wegen Besitz und/oder Konsum) eingeführt, so Dänemark, Frankreich, Italien, Portugal, Schweden. Aus diesen Staaten wurde auf eine aktuelle Abfrage des BMI vom 09.09.2013 allerdings kein einziger Fall mit Verurteilungen von Sportler(inne)n seit 2009 gemeldet. Dagegen kennen Österreich (erst ab „Grenzmenge“) und die Schweiz (Eigenkonsum straffrei) keine solche Strafbarkeit.
(Expertengespräch,26.9.2013,S.64)

Das Sportrecht stellt den Konsum von Dopingmitteln unter Strafe. Sportler/innen denen Dopingmittel oder die Anwendung verbotener Methoden nachgewiesen werden, müssen mit Sperren rechnen. Hier gilt das strict-liability-Prinzip, wonach nicht die sanktionierende Instanz zweifelsfrei nachzuweisen hat, dass und wie gedopt wurde, sondern der Sportler muss seine Unschuld beweisen.

Das deutsche Strafrecht sah eine Strafe für den Eigenkonsum von Dopingmitteln nicht vor und eine solche wurde auch lange Zeit nicht (mehr) diskutiert. Begründet wird dies vor dem Hintergrund des Grundgesetzes, woraus sich ergibt, dass selbstgefährdende und selbstverletzende Verhaltensweisen frei verantwortlicher Personen, die die Konsequenzen ihrer Handlungen überblicken, strafrechtlich nicht geahndet werden können. Im Mai 2013 stellte die SPD-Bundestagsfraktion diese Ansicht in Frage. In ihrem Gesetzentwurf vom 14.5.2013 wird das Eigendoping unter Strafe gestellt (SPD-Entwurf 2013).

Es folgte die Große Koalition von CDU/CSU und SPD, die in ihrem Referentenentwurf eines Anti-Doping-Gesetzes des BMI, BMJ und BMG vom 10.11.2014 das Eigendoping als strafbar einstufte. Verschiedene Stellungnahmen zu dem Referentenentwurf setzen an diesem Punkt aber mit Kritik an, so lehnen insbesondere der DOSB und der Deutsche Anwaltsverein die geplante Strafbarkeit des Eigenkonsums/Selbstdopings ab. Allerdings blieben diese Einwände unberücksichtigt. Das Eigendoping wird ab dem 1.1.2016 strafrechtlich relevant.

Das verabschiedete Anti-Doping-Gesetz lässt den überführten Sportler/innen jedoch ein Hintertür offen. Zeigen sie „tätige Reue“, gehen sie straffrei aus.

Der dopende Sportler wäre allerdings auch nach den anderen Vorschlägen nicht aus der Diskussion gewesen. Zum einen wird versucht über Regelungen, die den Besitz und den Erwerb von Dopingmitteln betreffen, den Sportler zu belangen, zum anderen wird seit Jahren die Einführung eines Straftatbestandes Sportbetrug diskutiert, mit Hilfe dessen nicht allein das Doping sondern auch Korruptionsdelikte und Wettbewerbsverfälschungen wie Wettbetrug und Bestechung erfasst werden könnten. Baden-Württemberg beschränkte sich 2013 in seinem Gesetzentwurf auf Dopingbetrug.

Die Bayerische Landesregierung formulierte den Wunsch nach Bestrafung dopender Sportler 2009 in ihrem Referentenentwurf eines Antidoping-Gesetzes folgendermaßen:

Der Entwurf hält es in Übereinstimmung mit zahlreichen Stimmen aus dem Sport nicht länger für vertretbar, den Nachfrager nach Dopingmitteln und damit eine Zentralgestalt des gesamten Geschehens strafrechtlich nicht spezifisch in die Pflicht zu nehmen. Wie bei der entsprechenden Strafbarkeit im BtMG und bei anderen Strafvorschriften, die den Besitz von Gegenständen unter Strafe stellen, liegt ein wesentlicher Strafgrund in dem Gedanken, dass erst die Nachfrage den Markt schafft. Gelingt es, die Nachfrage zu vermindern, so bricht auch der Markt ein. Im Hintergrund steht ein Bündel von schützenswerten Interessen. Zu nennen ist die Gesundheit der Sportler, wobei der Besitz von Dopingmitteln auch die Gefahr schafft, dass außer dem Dopingmittel besitzenden Sportler selbst weitere Sportler gefährdet werden können, der Gedanke der Fairness und Chancengleichheit im Sport, der Schutz von Konkurrenten und, insbesondere im Spitzensport, der Schutz von Förderern einschließlich des Staates sowie von Arbeitgebern und Veranstaltern.

Angesichts der weitläufigen Korruptions- und Wettbetrugsaffairen besonders im Fußball begann ab 2013 die Akzeptanz für solche einen neuen Straftatbestand Sportbetrug zu wachsen. (FAZ, Innenminister Friedrich „Den Straftatbestand Sportbetrug halte ich für sinnvoll“ 6.6.2013, FAZ: Kölner Sportrechtstag „Gesetzeslage genügt nicht“ 7.6.2013).

Im November 2013 wurde der Gesetzesentwurf Baden-Württembergs mit dem Straftatbestand Dopingbetrug im Bundesrat positiv beschieden und in den Bundestag verwiesen. Dabei blieb es dann.

>>> weitere Infos hierzu auf doping-archiv.de

KRONZEUGENREGELUNG

Die Aufnahme einer Kronzeugenregelung wurde 2006 in Vorbereitung der Novellierung des AMG innerhalb des Deutschen Sport Bundes (DSB) diskutiert, aber mit dem Hinweis auf die bestehende Rechtslage und die gewünschten Anforderungen von der DOSB Rechtskommission (Abschlussbericht) für nicht notwendig erachtet:

„Eine Kronzeugenregelung ist derzeit Bestandteil des WADA-Code (Art. 10.5.3) und des NADA-Code (Art. 11.6). … Die Einführung einer Kronzeugenregelung im Bereich staatlicher Strafverfahren im Zusammenhang mit Doping kommt im Ergebnis nicht in Betracht. Dagegen sprechen praktische Erwägungen, insbesondere, dass die zu erwartenden Strafen so gering sind, dass eine Straferleichterung für den Kronzeugen nur wenig anreizvoll sein dürften. …“

Diese Argumentation wurde vom Gesetzgeber übernommen und eine Kronzeugenregelung verworfen.

Die verschiedenen nach 2006 eingebrachten Gesetzesinitiativen nahmen jedoch die Forderung nach einer Kronzeugenregelung immer wieder auf. Aktuell wurde diese Diskussion anlässlich fehlender Erfolge des Gesetzes und der Vorgänge rund um die Operation Aderlass. 2021 wurden endgültig alle Bedenken beiseite geschoben und eine Kronzeugenregelung in das Gesetz aufgenommen in der Hoffnung, die Erfolgsquote zu erhöhen.

>>> weitere Infos hierzu auf doping-archiv.de

PRÄVENTION

Sylvia Schenk, Transparency-Sportbeauftragte:

Und insofern, ich selber sage also, ob wir jetzt noch ein Antidopinggesetz bekommen, ja oder nein, das ist nicht das Entscheidende. Ich habe eher das Problem, dass die ganze Debatte um das Antidopinggesetz davon ablenkt, was man eigentlich im Bereich Prävention, im Bereich Nulltoleranz usw., in den Strukturen, in der Frage, wie der Sport gefördert wird, wie die Athleten abhängig gemacht werden und auch die Trainer und andere von Medaillen, so dass einfach da auch schon ein Druck in Richtung Doping unter Umständen entstehen kann, dass man an diesen Themen weiterarbeitet.
(dradio, 7.9.2013)

Den älteren Gesetzesinitiativen war gemeinsam, dass sie neben Gesetzes- und Strafverschärfungen Aufklärungs- und Präventionspflichten einführen wollten. In den späteren Entwürfen war dies kein Thema mehr. Erst im SPD-Entwurf vom Mai 2013 wird die Doping-Prävention wieder aufgegriffen.

2006/2009 Freistaat Bayern:

Aufklärung der Bevölkerung
Die nach Landesrecht zuständigen Stellen sowie die Bundesbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit, insbesondere die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, sollen die Bevölkerung, namentlich Kinder und Jugendliche, über die Gefahren des Dopings aufklären und Beratung anbieten.

2007 BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN

C. Gemeinsame Strategie und Aktionsplan
Es werden Gespräche mit den Bundesländern über eine gemeinsame Strategie und einen gemeinsamen Aktionsplan zur Dopingbekämpfung aufgenommen. Dieser Aktionsplan soll umfassen:

1. Eine gemeinsame Informations- und Aufklärungskampagne über die Gefahren des Dopings,

2. die Verankerung von Ausbildungsinhalten zum Doping in den entsprechen- den Ausbildungsordnungen z. B. von Lehrerinnen und Lehrern, Ärztinnen und Ärzten und Trainerinnen und Trainern,

3. die Bindung auch der Sportförderung der Ländern an die unter A genannten Kriterien

2013 SPD Bundestagsfraktion

Dopingprävention
(1) Die ständige Aufklärung über die Gefahren des Dopings für die Gesundheit und für die Fairness im Sport ist Aufgabe der zuständigen staatlichen Behörden in enger Zusammenarbeit mit den Sportorganisationen.

(2) Das Bundesministerium fr Gesundheit plant in Zusammenarbeit mit der Nationalen Anti-Doping Agentur für Deutschland (NADA) und den Anti-Doping Kommissionen der Sportverbände Präventionsprogramme für einen dopingfreien Sport, setzt diese um, wertet diese aus und überwacht sie.

Warum wurde die Dopingprävention in den anderen Gesetzesinitiativen nicht aufgenommen?

STRAFRECHTLICHE ERFASSUNG DES UMFELDES WIE ÄRZTE, TRAINER, FUNKTIONÄRE

Hauptsächlich drehte sich die Diskussion zum Thema Erweiterung der Anti-Doping-Gesetzgebung um die Rolle des Sportlers, um dessen Bestrafung und die Wege hierzu. Gleichzeitig wird immer wieder Kritik daran laut, dass mit dem Sportler allein das Problemfeld Doping nur unzureichend erfasst werden kann, solange nicht bzw. vor allem die Hintermänner, das gesamte Umfeld, das dopingbegünstigend wenn nicht gar dopingfordernd ist, strafrechtlich belangt wird. Die Rolle von Ärzten ist spätestens nach den Enthüllungen um das Team Telekom und die Freiburger Sportmedizin kein Geheimnis mehr, und aus früheren Jahren sind auch deutsche Fälle von Trainern bekannt, die nachweislich Doping von den Sportlern verlangten. Sport- und strafrechtlich belangt wurden sie jedoch nur unzureichend oder gar nicht. Eine Verschärfung der deutschen Antidoping-Gesetzgebung sollte daher nach Meinung vieler vor allem dafür sorgen, dass dieses Sportlerumfeld genauer unter die Lupe genommen werden kann.

Nach dem bis zum 31.12.2015 gültigen § 6a (1) war es „verboten, Arzneimittel nach Absatz 2 Satz 1 zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden, sofern ein Doping bei Menschen erfolgt oder erfolgen soll.“

Das neue Gesetz brachte keine weiterreichenden Formulierungen und übernahm die alten Bestimmungen. Warum aber bislang Personen aus dem Umfeld der Sportler kaum bestraft wurden, wurde in den vorliegenden Diskussionspapieren und Expertisen nur am Rande behandelt. Unklar blieb, woran es mangelte und weiterhin mangelt, dass es bislang kaum möglich war, diesen Personenkreis zu erreichen.

Einige Antworten werden im Expertengespräch, S. 50f vom 26.9.2013 gegeben. Danach könnte es einige Lücken in der bestehenden Regelung geben. Die Bandbreite der Ansichten ist groß.

Sylvia Schenk regte  z. B.eine verstärkte Zusammenarbeit der Justiz mit den Sportorganisationen an:

Vielleicht sollte man mal ganz anders ansetzen, um Druck auf das Umfeld zu machen. Vgl. Regelungen im UK Bribery Act: Wenn Unternehmen nicht entsprechend den vorhandenen Risiken Compliance-Maßnahmen eingeführt haben, machen sie sich strafbar. Prof. Rössner hat ja darauf hingewiesen, dass Doping gleichermaßen wie Korruption ein Kontrolldelikt ist. Dann muss man über die Strafbarkeit (z. B. Einführung Ordnungswidrigkeit) der Verbände und Vereine bei nicht ausreichenden Anti-Doping-Maßnahmen, insbesondere fehlender Prävention, nachdenken. Das könnte allerdings auch sportrechtlich gemacht werden, nur fehlt es da an Konsequenz.

Der USADA-Report zu Lance Armstrong hat gezeigt, wie die Doping-Logistik bei der Tour de France funktioniert (z. B. Blutdoping wurde im Mannschaftswagen und im Hotelzimmer durchgeführt, falsche Atteste von Ärzten ausgestellt). Es wäre für Sportorganisationen und Veranstalter ein Leichtes, solche Vorgehensweise zu unterbinden (Einwilligung von Ärzten und sämtlichem Betreuungspersonal einschließlich Aktive in jederzeitige Durchsuchungen der Hotelzimmer, Fahrzeuge, Getränkebecher etc. sowie Nachweis des Aufenthaltes aller Beteiligten während der Tour; unabhängige Nachprüfung der Berechtigung eines jeden Attestes). Die damit verbundenen Eingriffe wären geringer, als das, was den Aktiven derzeit mit dem Kontrollsystem bereits zugemutet wird (siehe auch Abgabepflicht Handy usw. bei Cricket als Maßnahme gegen Match-Fixing/Weitergabe von Insiderinformationen). Das Problem ist, dass der derzeitige Anti-Doping-Kampf nur bei den Athleten ansetzt und das Umfeld außen vor lässt. Der Ruf nach einem Strafgesetz darf nicht von den nicht ausgeschöpften Handlungsmöglichkeiten der Sportorganisationen ablenken.

Ein Vorschlag, der in den Folgejahren von vielen Anti-Doping-Organisationen wie WADA und NADA umgesetzt wurde und heute von vielen als fast einzige zu Erfolgend führen kann.

 ANMERKUNGEN zur KOOPERATION NADA – JUSTIZ

Fehlende Kooperation zwischen der Nationalen Antidoping-Agentur (NADA) und den Staatsanwaltschaften wurde in den Jahren nach 2000 häufig nicht nur in den Medien beklagt. Beanstandet wurden u.a. mangelhafter Informationsaustausch wie fehlender Zugang der NADA zu polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungsergebnissen und fehlende Anzeigen von Dopingfällen und damit keine juristischen Eröffnungen von Verfahren. Diese Defizite hatten ihre Ursachen oft nicht in der vorliegenden Anti-Doping-Gesetzgebung. Es lag vor allem an Schwachpunkten der Ermittlungsstruktur.

Der Evaluierungsbericht des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung
des Dopings im Sport (DBVG)
, vorgelegt im September 2012, greift diese Punkte auf. Er nennt einige Gründe für unbefriedigende Verfahrensabläufe und -ergebnisse, wie mangelndes Problembewusstsein bei Strafverfolgungsbehörden, personelle Unterbesetzung, unklare gesetzliche Vorgaben, Unsicherheiten und unterschiedliche Auslegungen bei Strafanzeigen mit ’nicht geringen Mengen‘ beim Besitz von Dopingmitteln. Doch auch grenzüberschreitende Ermittlungen seien häufig schwierig aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten und gesetzliche Regelungen sowie fehlender Bereitschaft zur Zusammenarbeit.

Festgehalten wurde eine geringe Anzeigenerstattung von NADA und den Sportverbänden bei den Staatsanwaltschaften. Lediglich 10% der möglichen Fälle waren den Ermittlungsbehörden bis 2011 gemeldet worden. Die NADA sei aber 2011 dazu übergegangen, bei allen positiven Befunden, die eine nicht-spezifische Substanz betreffen (z.B. Testosteron, Erythropoetin → *), Strafanzeige gegen unbekannt zu erstatten, um auch eventuelle Hintermänner belangen zu können. Aus den Verbänden heraus, insbesondere den Amateurbereich betreffend, sei aber keine Veränderung der Quote zu erwarten.

Eingeschaltet in die Ermittlungen waren und sind auch Zoll und das BKA im Falle des internationalen illegalen Handels. Beide hätten in den letzten Jahren ihre Kompetenz und Kapazitäten hinsichtlich Delikten mit illegalen Arzneimitteln und Dopingprodukten erheblich erweitert. Die Zusammenarbeit mit der NADA und den Sportverbänden würde intensiviert und harmonisiert werden, um eine ganzheitliche Problemlösung zu finden.

Insgesamt zeichnete der Bericht ein positives Bild mit einigen Schwierigkeiten, an deren Behebung allerdings gearbeitet würde.

Beispiel für Informationsdefizite und Verfahrenspannen innerhalb der Justiz:
Stuttg. Zeitung, Nach Dopingtod falsch reagiert, 28.12.2012

Ob dieses Bild realistisch war? Zumindest lässt sich sagen, dass einige Verfahren der jüngeren Vergangenheit aufgrund oben beschriebener Mängel nur wenig Erkenntnisgewinn brachten und eingestellt wurden. Dies provozierte teils heftige Kritik an der alten Antidopinggesetzgebung und deren Handhabung. Die zugrunde liegenden Mängel betrafen beide Seiten, auch die NADA.

Dieter Maihold arbeitete in seiner Stellungnahme Strategien und Instrumente zivil- und verbandsrechtlicher Dopingverfahren in Deutschland, die er im Januar 2013 vor dem Sportausschuss abgegeben hatte, die wachsende Bedeutung und Aufgabenfülle der NADA heraus. Insbesondere brächte die sich ‚anbahnende schrittweise Vereinheitlichung der Verbandsgerichtsbarkeit in Dopingverfahren‘ neue komplexe Anforderungen, vor allem auch in rechtlicher Hinsicht. Daraus ergäbe sich für die NADA die Notwendigkeit einer guten personellen Besetzung und ausreichender finanzieller Ressourcen.

FAZ, 11.3.2013:

Die deutsche Anti-Doping-Agentur (Nada) will in den kommenden Monaten von Unternehmen und Sponsoren zwischen ein und zwei Millionen Euro für ihre Arbeit im Jahr 2014 einsammeln. Derzeit sei die Nada dabei, zusammen mit einer Agentur ein „Fundraising-Konzept“ aufzulegen.

Näder räumte nun ein, dass es schwieriger sei als erwartet, Sponsorengelder für die Doping-Bekämpfung aufzutreiben.

„Die Ergebnisse des Evaluationsberichts 2012 legen allerdings nahe, dass sich … die durchaus anspruchsvolle und aufwendige Aufgabe stellen könnte, polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, die nicht zu einer Verurteilung geführt haben oder die einen Sportler nur indirekt betreffen, dahin auszuwerten, ob gegen einen Sportler verbandsrechtliche Sanktionen zu beantragen sind. Sollen Dopingverstöße konsequent verfolgt werden, dürften, sofern ein Sportler betroffen ist, die solche

Ermittlungen der NADA nicht nur im Einzelfall mit umfangreicher Aktenlektüre verknüpft sein, sondern auch zusätzliche Klärungen, etwa schriftliche Nachfragen, Zeugenanhörungen oder sonstige Recherchen erfordern. Eigene Ermittlungen des NADA dürften in wachsendem Umfang erforderlich werden.

Würde in Zukunft darüber hinaus dem Vorschlag des Evaluationsberichts 2012 folgend (8.2.5.) ein zwingender Informationsfluss von den Ermittlungsbehörden zur NADA begründet (Änderung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren, RiStBV oder – m.E. näherliegend – eine entsprechende Ergänzung der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen, MiStra vorgenommen;[s.a.o.Kästchen links DOSB Runder Tisch]… ), dürfte auf die NADA in einer Vielzahl weiterer Ermittlungsverfahren die Aufgabe zukommen, Akteneinsicht zu nehmen, die Beteiligung von Sportlern zu klären und Verfahrensunterlagen auf mögliche Dopingverstößen hin zu prüfen. Im Streitfall müsste die NADA schließlich in der Lage sein, auch umfangreiche, aufseiten des Sportlers mit spezialisierten Anwälten geführte Schiedsverfahren sachlich zu bewältigen.“

Mit dem Anti-Doping-Gesetz von 2015 wurden die Kompetenzen der NADA erweitert. Gerichte und Staatsanwalten können einfacher relevante Daten an die NADA übermitteln und die NADA erhielt mehr Vollmachten bezüglich der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten.

Erste Erfahrungen in 2016 zeigten, dass die Strafverfolgungsbehörden auf Anzeigen der NADA reagierten, so in den Fällen des Saarbrücker Sprinters Rouven Christ und der Ringer des ASV Nendingen (Saarbrücker Zeitung, 17.3.2016, spiegel-online, 15.3.2016)

Durch die neue Gesetzgebung erhielt zudem der Zoll neue Kompetenzen.

„Bis vor kurzem hätten die Zollmitarbeiter die Pakete, für die der Flughafen nur eine Zwischenstation sein sollte, gar nicht oder nur im Fall einer falschen Auszeichnung aus dem Verkehr gezogen. Das hat sich mit dem Inkrafttreten des Anti-Doping-Gesetzes (AntiDopG) am 18. Dezember 2015 geändert. Die neuen Regelungen verbieten nicht nur die Einfuhr von Dopingmitteln mit verbotenen Wirkstoffen in größerer Menge, sondern auch den Transport durch den Geltungsbereich des Gesetzes, wie es im Paragraf 2 heißt.“ (FNP, 18.3.22016)

Erfolge hängen aber immer davon ab, ob die Funktionsfähigkeit der NADA langfristig durch ausreichende finanzielle Mittel gewährleistet ist und davon, ob die Strafverfolgungsbehörden einschl. des Zolls in der Lage sein werden, Antidopingeinsätze durchzuführen. Doch auch 2023 noch beklagt die NADA eine fehlende finanzieile Auststattung, wodurch gute umfangreiche Arbeit behindert wird (SZ, 13.6.2023). Doch auch der Polizei-, Zoll- und Justiz sind unterbesetzt. Christoph Frank, Leiter der Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaft Freiburg. „„Wir sind voll motiviert, aber wir brauchen kurzfristig ein bis zwei Stellen mehr. Und bei Polizei und Zoll, von wo aus die Staatsanwaltschaft ja beliefert wird, werden noch größere Defizite entstehen.“ (Stuttgarter Nachrichten, 27.1.2016)

Frank wird auch zu einer Frage zitiert, die bislang öffentlich kaum Thema war, aber entscheidend ist:

Wo fängt der Anfangsverdacht an?

Reicht zum Beispiel schon das Wissen, dass die Tour de France nicht zu den saubersten Sportveranstaltungen zählt, um 2017 vor der ersten Etappe in Düsseldorf eine Doping-Razzia zu starten? Oder ist eine 100-Meter-Zeit von 9,8 Sekunden, die beim Leichtathletik-Meeting in Berlin gelaufen wird, verdächtig genug, um die Sporttaschen der Läufer zu durchsuchen? „Das Problem, wann der Strafverfolgungszwang beginnt, wird uns beschäftigen“, sagte Frank, „wir müssen sicher hin und wieder ein Zeichen setzen. Aber wir wissen natürlich auch, dass nur selten im Wettkampf gedopt wird. Und dass sich die Athleten natürlich darauf einstellen werden, dass es jetzt in Deutschland ein Anti-Doping-Gesetz gibt.“

Sascha-Frank Loubal, Rechtsanwalt:
Der Handel mit Dopingmitteln findet also nicht nur zwischen Spinden in Umkleidekabinen mancher Fitnessstudios oder im klassischen Internet statt, sondern hat mittlerweile auch seinen Kryptomarkt in den weitaus anonymeren digitalen Welten gefunden. Für die Strafverfolgungsbehörden stellt dies eine weitere zeitintensive Herausforderung dar. Auch wenn es in Freiburg und München zwei sog. Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Verfolgung von Dopingstraftaten mit entsprechenden Fachleuten gibt, werden diese vermehrt auf die fachkundige Mithilfe der speziellen staatsanwaltlichen Abteilungen im Bereich Internetkriminalität bzw. Cybercrime angewiesen sein. Ob diese allerdings neben den Ermittlungen im Bereich Kapitalverbrechen, Terrorismus, Bandenkriminalität, Waffen- und Drogenhandel sowie Kinder- und Jugendpornogratafie noch Kapazitäten für das Thema Doping haben werden, dürfte abzuwarten sein.
(Magazin doping, 3/2017)

Günter Younger, seit bis 2016 beim LKA München, ab 2016 bei der WADA in der Funktion Director, Intelligence and Investigations, beschrieb die Situation im Deutschlandfunk am 15.11.2015 wie folgt:

Gerade bei Interpol habe ich gemerkt, dass Doping nicht unbedingt in der Priorisierung ganz oben steht bei den Polizeibehörden aller Länder. Was das Gesetz an sich anbelangt: was ist Doping? Doping ist eigentlich Betrug. Also ein Athlet betrügt und betrügt dadurch den anderen [nimmt ihm] die Möglichkeit entsprechend Gelder oder auch Medaillen zu bekommen. Von daher ist es auch richtig, weil es natürlich auch eine zweite Komponente hat. Wenn es eine Straftat ist, dann hat auch die Strafverfolgungsbehörde andere Maßnahmen. Man kann Durchsuchungen machen. Man kann tatsächlich auch Beweismittel sicher stellen, was ja vorher nicht so einfach ist. Das war ja auch bei uns immer schwierig, weil natürlich manche Länder gesagt haben was soll ich jetzt machen, ich kann keinen Durchsuchungsbeschluss beantragen bei Gericht.

Für die Polizeien ermöglicht es tatsächlich auch Ermittlungen auch mal anzustoßen und tatsächlich auch Beweise zu sammeln und sich nicht nur auf Aussagen zu verlassen.

Es wird tatsächlich so, es wird immer schlimmer für die Polizeien, dass die Aufgaben um Jahr und Jahr mehr werden und tatsächlich das Personal nicht unbedingt gleichzeitig anwächst. Aber wie jetzt in unserem Fall, wenn tatsächlich … es jetzt um große Betrügerei geht und die Gerichte dann entsprechend [mit Untersuchungsberichten wie im vorliegenden Fall] aufbereitet werden, so dass die Justiz sagen kann, wenn ich immer so einen Bericht bekommen würde, wäre es für mich einfacher tatsächlich auch Ermittlungen anzustoßen, weil es eben Zeit und Ressourcen abfängt.

Andererseits wurde von Seiten des organisierten Sports immer wieder betont, allein mit der Sportgerichtsbarkeit seien große Erfolge zu erzielen, siehe den Fall Armstrong. Doch mit abhängigen Agenturen und Behörden wäre dies sicher nicht möglich. Trevis Tygart (USADA) legte vor dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages den Finger in die Wunden des Jahre 2013 (die Zeit, 31.1.2013):

„Es ist enttäuschend, dass einzelne Sportverbände in Deutschland immer noch selbst Disziplinarverfahren gegen eigene Athleten durchführen. Ich denke, das ist ein Interessenkonflikt. Wir haben diese Verfahren schon im Jahr 2000 übernommen. Und man sieht die Resultate. Für den Sport wäre es schwierig, wenn nicht unmöglich einen Fall wie Balco oder jetzt Lance Armstrong zu bearbeiten.“ (dradio, 30.1.2013)

Der Fall Armstrong ist vor allem ein Beispiel dafür, was erreicht werden kann kraft besonderer Konsequenz, Stärke und Unabhängigkeit verantwortlicher Menschen wie Richard Young, Trevis Tygart, William Bock und Jeff Novitzky – und das gilt bis heute trotz mancher geänderter Strukturen. Er wäre aber auch nicht möglich gewesen ohne Besonderheiten des USamerikanischen Justizsystems, insbesondere des hohen Stellenwertes der eidesstattlichen Erklärungen, und sich daraus ergebenden Kooperationsmöglichkeiten. (Siehe hierzu Richard Young (USADA), Balco and Armstrong Investigations, 21.1.2014)

Eine Erweiterung des US-Kampfes gegen Doping ergab sich durch die Verabschiedung des Rodchenkov Anti-Doping Act von 2019. Das Gesetz erlaubt US.amerikanischen Behörden Ermittlungen und Strafverfolgungen in Fällen, die das Ausland und ausländische Personen betreffen sofern US-Bürger davon betroffen sind.

Monika