Doping BRD: Klehr, Horst

BRD / DDR – Vergangenheit

Portrait Horst Klehr

Horst Klehr wurde am 20. August 2009 gemeinsam mit Johanna Sperling, Henner Misersky und Hansjörg Kofink mit der Heidi-Krieger-Medaille des Doping-Opfer-Hilfe Vereins (DOH) für Mut, Standhaftigkeit und unbeirrbare Haltung gegen Doping geehrt. Johanna Sperling und Henner Misersky zeugen davon, dass man sich auch in der DDR verweigern konnte. Horst Klehr und Hansjörg Kofink wandten sich bereits in den 70er Jahren entschieden gegen die Dopingpraktiken im Westen.

DER UNBEUGSAME

1991 bezeugte Horst Klehr in einer eidesstattlichen Erklärung:
„In einem der Jahre 1972 und 1977 erhielt ich in meiner Apotheke in Mainz einen Anruf des Herrn Dr. Armin Klümper aus Freiburg. Herr Dr. Klümper bat mich, dem Zehnkämpfer Herbert Swoboda ein Anabolikum (Megagrisevit) auszuhändigen. Ich verweigerte Herrn Dr. Klümper diese Ansinnen mit dem schlichten Satz: „Nur über meine Leiche.““

Horst Klehr, Apotheker in Mainz, gehörte 1970 zu den Gründungsmitgliedern der Antidopingkommision des Deutschen Leichtathletik-Verbandes DLV und wurde zum ersten Antidopingkommissar der alten Bundesrepublik ernannt. 1972 nahm er als Dopingkontrolleur des IOC an den Olympischen Winterspielen in Sapporo teil. Dopinkontrolleur war er in den Folgejahren auch für andere Sportarten wie Rollsport, Judo und Eissport. Wir lange er diese Tätigkeiten ausführte ist mir nicht bekannt. Aber noch 1991 (oder wieder?) war er für den DLV aktiv.

1976 war er im Auftrag des DLV an der Erstellung einer – weltweit ersten – Liste beteiligt, die dopingrelevante Medikamente aufführte.

Leichtathletik, 1-1993 Zitat aus einem Interview mit A. Kirsch

Hintergrundinfos:
>>> Deutsche Ärzte

>>> Trainer Christian Gehrmann

Ende des Jahres 1976, im Dezember, kam es jedoch auf dem Verbandstag des DLV zu einem Eklat. Liesel Westermann zitiert in ihrem Buch ‚Es kann nicht immer Lorbeer sein‘ Horst Klehr, der den damaligen Präsidenten des DLV beschuldigt, von den Dopingpraktiken in der deutschen Leichtathletik zu wissen und diese zu decken:

„Ich stelle fest, daß der Präsident dess DLV, Prof. Dr. August Kirsch, von Sportärzten auf die Gefährlichkeit der Medikation mit Anabolika hingewiesen und um persönliche Stellungnahme gebeten wurde. Ich stelle fest, daß mit Wissen des DLV-Präsidenten DLV-Trainer Anabolika an Jugendliche verteilen, ohne sich verantworten müssen. Ich stelle fest, daß die DLV-Ärzte Dr. Keul, Dr. Klümper und Dr. Kindermann nach ihren eigenen Aussagen an Athleten Anabolika verabreichen, um – wie sie betonen – die Athleten vor Selbstmedikation zu schützen. Die Nötigung des ärztlichen Gewissens scheint hier Purzelbäume zu schlagen.

Adrian Paulen – Präsident der IAAF – sagt über Ärzte, die kontrolliert Anabolika geben: ‚Diese Ärzte gehören eingesperrt, ich bin ihr Feind. Sie wissen nicht, welche Spätfolgen die Athleten in 10 bis 15 Jahren haben werden.‘ Er sagt weiter: ‚Ich bin kein Arzt, aber soviel weiß ich, ich halte es für unglaublich, daß ein Arzt Medikamente zur Leistungssteigerung gibt, ohne zu wissen, welche Auswirkungen sie für die Zukunft haben werden. Das ist ein Wahnsinn für den Sport, den man sofort beenden muß.‘ Die DLV-Verantwortlichen, Herr Dr. Kirsch und Frau Bechthold, können unter keinen Umständen glaubhaft versichern, nie von den Praktiken dieser Ärzte gehört zu haben.

Ich stelle fest, daß der DLV-Präsident im Oktober noch nach Montreal in Freiburg aussagte, Anabolika zählen im DLV nicht zu den Dopingmitteln. Ich stelle fest, daß Herr Dr. Kirsch auf den SID mit Pressionen einwirkte, weil Herr Steffny sich zum hormonellen Leistungsaufbau einer Frau Wilms und eines Herrn Gehrmann kritisch äußerte.

Ich stelle fest, daß Herr Dr. Kirsch auch gegenüber anderen Medien den Abbruch der guten Beziehung ankündigte, wenn sie weiter auf dieser Welle reiten würden. (…)

Ich stelle Ihnen, meine Damen und Herren, die Gewissensfrage, ob Sie die Handlungsweise des Herrn Kirsch im nachhinein sanktionieren und damit auch hierfür die Verantwortung übernehmen wollen oder ob Sie personelle Konsequenzen ziehen wollen.

Für jede meiner Behauptungen bin ich bereit, auf der Stelle den Beweis zu liefern oder Zeugen zu benennen… (…)

Müssen wir auch betrügen, weil es andere vielleicht tun? (…)

Der DLV-Leistungsrat hat bereits darauf hingewiesen, daß, wenn nur 100 000 Athleten Anabolika nehmen würden, mehrere 1000 Ärzte zur Überwachung notwendig wären, von den gesundheitlichen Schäden und den Kosten ganz zu schweigen.“ (L. Westermann, 1977, S. 141/142)

Der Dopingbeauftragter des DLV kritisiert zudem die deutsche Kontrolllorganisation, in der das Institut von Manfred Donike ein Monopol besitzt. Klehr erklärt im Sportausschuss des Deutschen Bundestages am 28. September 1977:

„Wenn sie nicht bereit sind, die kontrollierenden Leute selbst zu kontrollieren, wenn sie etwa einen Dopingbeauftragten durch seinen Vorgesetzten kontrollieren lassen, der selbst bis zum Hals in diese Dinge verstrickt ist, ist meiner Meinung nach jeder Pfennig, den sie für Dopingkontrollen ausgeben, hinausgeworfen. Wenn sie feststellen müssen, dass Ärzte in bester Freundschaft mit diesen Leuten harmonieren, dann glaube ich, dass in diesen Fällen die Sicherheit einer Dopingkontrolle nicht mehr gewährleistet ist.“ In dem ARD-Brennpunkt „Alle Macht den Drogen am 3.11.1991 präzisiert er diese Aussage wie folgt: „Ich kann dazu auch sagen, wer damit gemeint war, das war Professor Kirsch, Vorsitzender des Bundesinstituts für Sportwissenschaft und er war der unmittelbare Vorgesetzte von Prof. Donike und Prof. Kirsch war zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender des Deutschen Leichtahletikverbandes.“ (Protokoll der Anhörung, S. 6/132ff)

Horst Klehr:

„„Ich erinnere mich an ein Gespräch von 1977 mit dem damaligen NOK-Chef Willi Daume, vier Stunden lang hatte ich argumentiert und belegt, was damals über die Dopingmachenschaften der Ärzte Keul und Klümper bekannt war und dass man nicht weiter mit ihnen zusammenarbeiten könne. Dann zog Daume ein entlarvendes Fazit: Es wäre ja möglich, dass einer vom Saulus zum Paulus würde. Punkt, Ende“. (desg, 10.9.2009)

Horst Klehr musste sich in Folge verbandsintern schweren Vorwürfen zu verbandsschädigendem Verhalten stellen. Von Klehr kritisierte Personen, wie die Ärzte Keul, Kindermann und Klümper, Trainer Gaede und Athlet Mann, hatten mittlerweile Klehr widersprechende Erklärungen abgegeben. Im August 1977 wurde er dann, ebenso wie sein Kollege Dieter Hummel, nicht mehr in die Antidoping-Kommission des DLV berufen. Klehr meinte, da „die Hauptverantwortlichen Sauberkeit im Sport nicht wirklich wollten“ (Link). Der ‚Zeit‘ (vom 1.5.1987) gegenüber bemerkte er:

„Damals sagte mir ein hoher Sportfunktinär: Sie haben recht. Sie haben absolut recht. Aber wenn Sie recht hätten, müßten wir 30 % unserer Funktionäre entlassen. Und das wollen wir nicht. Also haben Sie unrecht.“

DLV-Präsident August Kirsch, der sich 1976 bei den Olympischen Winterspielen gegen die Verteilung einer Antidopingbroschüre, in der einige Anabolika als Dopingmittel genannt waren, gewandt hatte, blieb weiterhin NOK-Vizepräsident, bis 1985 DLV-Präsident und bis 1990 Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaften BISp. Später wurde er zum DLV-Ehrenpräsidenten gekürt.

Horst Klehr schätzte, dass in den 70er Jahren 40% der deutschen Leichtathletiknationalmannschaft Anabolika nahmen (S. 143). Siehe auch die Zitate aus einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 4.5.1977 am Ende dieser Seite.

Horst Klehr wurde zum Außenseiter, zum Drop-out innerhalb des Leichtathletik-Bundesverbandes, seine kritische Haltung war nicht erwünscht. Er war jedoch neben seiner Hinwendung zum Eissport als Frauenwart des Rheinhessischen Leichtathletik-Verbandes aktiv. Hier traf er >>> Birgit Dressel, deren Erscheiningsbild, körperliche Veränderungen wie eine stärkere Muskulatur und ein vom Medikamentenmissbrauch aufgeschwemmte Gesicht, ihn 1986, ein Jahr vor ihrem schrecklichen Tod, alarmierte. Er ging auf die Sportlerin zu und versuchte Sie vor den zu erwartenden Nebenwirkungen zu warnen. „Heutzutage“, habe Birgit Dressel daraufhin entgegnet, „ist das alles reversibel“.

„Der Leiter des Instituts für Biochemie an der Kölner Sporthochschule war schon 1977 in den Verdacht geraten, Athleten und Trainern bei der Berechnung der Dopingabsetztermine zu helfen und positive Befunde keineswegs immer zu veröffentlichen. Der Mainzer Apotheker Horst Klehr hatte damals seine Mitarbeit in der Dopingkommission des Deutschen Leichtathletik-Verbandes aus Empörung über Scheinkontrollen aufgekündigt und öffentlich auf ein enges Zusammenwirken zwischen den Anabolika gebenden Freiburger Professoren Keul und Armin Klümper sowie dem Prüfer Donike aufmerksam gemacht. Donike bestritt die Zusammenarbeit vehement, Klehr wurde als Nestbeschmutzer hingestellt – die angedrohten gerichtlichen Schritte blieben jedoch aus oder waren erfolglos.“
(der Spiegel, 26.3.1990)

1991 fiel sein Name erneut im Zusammenhang mit Kritik am Dopingkontrollsystem. Horst Klehr machte ein Experiment, mit dem er das Dopingkontrolllabor von Manfred Donike in Erklärungsnot brachte.

„Ende Juli packte Dopingkontrolleur Horst Klehr eine Sendung mit Urinfläschchen zusammen. Die Proben von zwölf getesteten Sportlern sollten im Labor des Biochemikers Professor Manfred Donike untersucht werden.

Doch nur elf Proben stammten von Athleten, die bei nationalen Titelkämpfen erfolgreich gewesen waren. Die zwölfte, obwohl ebenfalls mit einem ordnungsgemäßen Protokoll getarnt, gehörte einem Funktionär, der sich freiwillig gleich mit zwei rezeptfreien Aufputschmitteln gedopt hatte.“ Die Aufputschmittel wurden nicht entdeckt, alle Proben wurden als ’negativ‘ klassifiziert. „Von Klehr auf den falschen Befund angesprochen, rechtfertigte sich Donike zunächst damit, der Funktionär müsse schon sehr alt gewesen sein – der Proband, ließ Klehr wissen, sei 32 Jahre alt. Nachdem Donike weitere Anhaltspunkte auf die Medikation erhalten hatte, erkannte er beim zweiten Blick auf die Laborwerte immerhin eines der beiden eingenommenen Aufputschmittel. Das andere, so der Professor, könne er nicht finden, weil der Funktionär wohl ein starker Raucher sei – der ehemalige Leistungssportler hatte aber am Testtag keine Zigarette angefaßt.“ (Spiegel, 16.9.1991, der Spiegel, 23.9.1991, siehe hierzu auch DLV Dopingkontrollen 1990/1991)

KLEHRS LIEBE ZUM EISSPORT

Horst Klehr, Jahrgang 1936, begann sportlich als Leichtathlet. 1955 wurde er Pfälzer Meister im 400-m-Lauf. Seine zweite Liebe galt dem Eissport, 1966 gründete er den Mainzer Eissport-Club, 1990 den EV Olympia Mainz.

„Ab 1981 richtete Klehr in Frankfurt unter der Bezeichnung “Olympischer Tag” zehnmal internationale Eisschnelllauf-Meetings aus. Doch schon in dieser Zeit erkannte er, dass das seit 1977 offiziell von der ISU anerkannte Shorttrack eine groβe Zukunft hat. Seit 1981 ist er Shorttrackwart in der DESG. 1983 initierte Klehr, der von 1982 bis 1984 DESG-Vizepräsident war, in Mannheim die ersten Deutschen Meisterschaften. In den 90er Jahren hat Klehr das seitdem jährlich ausgetragene Shorttrack-Meeting “Olympischer Tag” in Dresden etabliert.“ (Link)

BERICHT ÜBER HORST KLEHR, FAZ 4.5.1977:

… Was treibt diesen Mann, der kürzlich beim Verbandstag des Deutschen Lelchtathletik-Verbandes (DLV) den Präsidenten, Professor August Kirsch, belastete, von der Weitergabe verbotener Muskelpräparate an Jugendliche Sportler gewußt zu haben? Die einen stempeln ihn als Sektierer, als Don Quichotte, Kämpfer gegen Windmühlenflügel ab, nennen ihn einen Michael Kohlhaas oder einen hoffnungslosen Romantiker. Andere wiederum entdecken heroische Züge an ihm, halten ihn für den einsamen Rufer in der Wüste, für einen mutigen Kämpfer gegen den Drogenmissbrauch im Sport. Dritte schließlich fürchten ihn, weil sie wissen, was er weiß, weil er in acht Jahren als Anti-Doping-Spezialist des DLV mitbekommen hat, dass da wohl nicht alles mit rechten Dingen zuging. Jene Sportmediziner, Trainer und Funktionäre, die verwoben sind in die Dopingpraktiken, möchten ihn am liebsten mundtot machen. Und folgerichtig wird ihm von August Kirsch schon mitgeteilt, daß er sein Amt verlieren wird.

„Ich könnte ein schönes Leben haben, wenn ich nur den Mund hielte“, sagt der gebürtige Pirmasenser, der eingesteht, daß er durchaus an seinem Funktionärsamt hängt; er weiß welch schöne Reisen und wertvolle Erlebnisse mit der Funktion als Mitglied der Ant-Doping-Kommission des DLV verbunden sind. Doch e wußte sich in einem Gewissenskonflikt keinen anderen Rat mehr, als die Flucht an die Öffentlichkeit zu ergreifen. Mehrere Umstände mußten zusammentreffen. … Fünf Jahre am Jesuiten-Kolleg von St. Blasien im Schwarzwald haben ihn geprägt; sein Besuch der olympischen Akademie von Olympia gab ihm Anstöße, im Sport mehr zu sehen als die pure Produktion von Leistung. Das mußte bei der Begegnung mit der rauhen Wirklichkeit in den Zwiespalt führen. Zum Beispiel weiß er als Apotheker mehr als viele andere über Pharmaka und ihre Nebenwirkungen. Als Anti-Doping-Spezialist, der nicht unwesentlich an den Doping-Regeln und Kontrollverfahren im DLV mitgewirkt hat, erfuhr er im Laufe der Jahre weit mehr, als ihm und anderen heute lieb sein kann. …

„Für mich ist das schlimmste Verbrechen, der Gesundheit des Menschen zu schaden. Und die Verabreichung von Anabolika und Hormonen ist noch gefährlicher als das Doping mit Amphetaminen (aufputschenden Stimulanzien).“ Aber gerade die Verwendung von Anabolika und Hormonen ist, wie sich abzeichnet, weit stärker verbreitet, als zu befürchten war. …

Kann man den mißbräuchlichen Praktiken … überhaupt beikommen mit Professor Grupes Doping-Kommission? … „Wir brauchen überhaupt keine neuen Doping-Bestimmungen, wenn die drei, bestenfalls fünf Sportmediziner, die heute in den Schlüsselpositionen sitzen, nicht mehr verantwortlich im Sport tätig wären.“ Ein schlimmer Vorwurf. Und Klehr nennt Namen, hat sie vor dem DLV-Verbandstag in Leverkusen genannt: „Ich stelle fest, daß die DLV-Ärzte Dr. Keul, Dr. Klümper und Dr. Kindermann nach ihren eigenen Aussagen an Athleten Anabolika verabreichten, um – wie sie betonen – die Athleten vor Selbstmedikation zu schützen. Die Nötigung des ärztlichen Gewissens scheint Purzelbäume zu schlagen.“

Die Anschuldigungen haben sensationellen Charakter. Schließlich gilt etwa Professor Joseph Keul (…) als ein renommierter Vertreter der Freiburger Schule unter Professor Herbert Reindell. Und Dr. Armin Klümper genießt unter den Athleten, quer durch die Sportarten, einen legendären Ruf. Ganze Nationalmannschaften drängeln sich in seinem Wartezimmer. Suchen sie dort mehr als nur ärztliche Hilfe gegen Krankheit und Verletzung?

… wie kann, zum Beispiel ein Arzt, dem nachgesagt wird, bereits früher Sportler mit Amphetaminen gedopt zu haben und der heute zugibt, Anabolika zu verschreiben, mit „seinen“ Sportlern durch das Kontroll-System gelangen? Besonders von diesem Punkt rührt der Gewissenskonflikt Klehrs her, der von einem Teufelskreis spricht, der um ein Dreieck herum verläuft: aus Sportmedizinern, die verbotene Mittel verabreichen, aus den Kontrolleuren (Dr. Baron und Klehr) und dem Dopingbeauftragten, der die Analysen vornimmt. Klehr hat sich nur zu oft gewundert, wenn Proben, bel denen er geschworen hätte, sie enthielten verbotene Dopingmittel, plötzlich keinen positiven Befund ergaben. Und sein aufkeimender Verdacht hat sich inzwischen fast zur Gewißheit verdichtet, daß da manches unter den Teppich gekehrt worden ist und Härte meist nur gegenüber sportlich unbedeutenden Athleten aus dem zweiten und dritten Glied demonstriert wurde.

Diese Vorwürfe treffen den Doping-Beauftragten des Bundesinstituts für Sportwissenschaft in Köln, Dr. Manfred Donike. … Klehr fordert „das kontrollierte Labor“ oder „die kontrollierte Kontrolle“. Ein Erfordernis, das bei der Delikatesse der Doping-Fragen selbstverständlich sein sollte, um zum einen Athleten und Öffentlichkeit vor Mißbrauch und zum anderen die Doping-Verantwortlichen vor vielleicht unbegründetem Verdacht zu schützen. …

Seiner Schätzung nach waren bis zu 40 Prozent der Leichtathletik-Nationalmannschaft für Montreal mit Anabolika verseucht – eine Zahl, die von „Insidern“ als zu niedrig bezeichnet wird. …

Klehrs große Sorge richtet sich darauf, dass ausgerechnet einige jener Ärzte, die in der Beratung und in der Verabreichung von Anabolika sowie anderen keineswegs harmlosen Mittel (…) eine zwielichtige Rolle spielten, sich nun an die Spitze der Anti-Anabolika-Bewegung setzen. Auch die Motive, die von einigen Sportmedizinern vorgeschützt werden, die Athleten nicht unkontrolliert mit hormonellen Muskel-Präparaten hantieren zu lassen, wirken vordergründig, wenn man hört, dass manchem Sportler entsprechende Spritzen oder Rezepte zum freien Gebrauch mit nach Hause gegeben wurden.

Ist Klehr ein hoffnungsloser Einzelgänger? Mitnichten. Es muß zu denken geben, wenn man weiß, daß er sich zu seinem folgenreichen Auftritt von Leverkusen letztlich nur deshalb entschließ, weil ihn kenntnisreiche Schlüsselfiguren der deutschen Sportführung dazu ermunterten.

Monika 2009, plus Ergänzungen