1992 / 1993 DLV Anti-Doping-Maßnahmen, -Informationen

DLV Dopingvergangenheit

1992 / 1993 Deutscher Leichtathletik Verband DLV:
Anti-Doping-Maßnahmen, -Informationen

– Januar 1992 DLV-Erklärung zum Thema Doping
– 1992 DOPING-Bekämpfungsmaßnahmen des DLV
– 1993 DLV Anti-Doping-Informationen
– Oktober 1993 Wettkampfjahr 1993/94: Informationen – Hinweise – Dokumente zur Dopingbekämpfung in der Leichtathletik
– 1993 DLV-Jugend: Ich bin clean – Anti-Doping-Fibel

Januar 1992 DLV-Erklärung zum Thema Doping

Der Pressedienst des DLV gab am 27. Januar 1992 folgende Pressemitteilung heraus:

I. DLV-Präsidium verabschiedete Erklärung zum Thema Doping

Verbandsrat entscheidet am 7. Februar über ausstehende Trainerverträge

Das Präsidium des Deutschen Leichtathletik-Verbandes befasste sich bei seiner ersten Sitzung im neuen Jahr in Darmstadt schwerpunktmäßig ausführlich mit den Themen Dopingbekämpfung, ausstehende Trainerverträge und Rechtsfragen. In diesem Zusammenhang verabschiedete das DLV-Präsidium auch eine Erklärung zum Thema Doping, die folgenden Wortlaut hat:

„Nach der deutschen Vereinigung- und dem Beitritt der fünf neuen Landesverbände zum Deutschen Leichtathletik-Verband wurde systematisches Doping im Hochleistungssport Leichtathletik im ehemaligen DDR-Gebiet öffentlich dargelegt. Diese Leistungsmanipulation war, neben anderen, ebenfalls zu verurteilenden menschenverachtenden Praktiken, eingebettet in ein verwerfliches System des „Wettbewerbs um jeden Preis“, unter dessen Druck der Sport mit seinen Beteiligten – Aktiven, Trainern und Funktionären – gestanden hat.

Auch im Bereich der „alten Bundesländer“ führte überzogener Siegeswille und falsch verstandener Leistungsdruck zu einer verstärkten Manipulationsbereitschaft, die auch in der Leichtathletik zu Betrug geführt hat.

In unterschiedlicher Qualität und Quantität haben in der Vergangenheit die Verbände, Gremien, Funktionsträger, Trainer, Ärzte und Athleten es nicht verhindert, daß Leistungsmanipulation durch Doping erforscht, entwickelt, angewandt, aber auch geduldet, totgeschwiegen, bagatellisiert oder verdrängt wurde, oder in Umfang und Bedeutung nicht erkannt bzw. verkannt wurde.

Das Präsidium des Deutschen Leichtathletik-Verbandes ist sich der moralischen und verbandspolitischen Verantwortung für Fehlentwicklungen in der Vergangenheit und ihrer zukünftigen Bewältigung sowie Verstößen in der Leichtathletik bewußt, die in der Vergangenheit sowohl in der ehemaligen DDR als auch in den alten Bundesländern zu Leistungsmanipulationen und nicht zuletzt zu einem Betrug an all jenen Athleten geführt haben, die den Prinzipien einer fairen Leichtathletik gefolgt sind. Der Verband trägt diese Verantwortung auch für seine Aktiven, Trainer und Funktionsträger in der Erkenntnis, daß herausragende Leistungen auch in der Vergangenheit ohne Doping erreicht wurden und auch zukünftig erzielt werden können.

Dafür tritt der Verband ein; er wird weiterhin bemüht sein, daß sich diese Erkenntnis national und international im Interesse der Leichtathletik durchsetzen wird.

Der Fortbestand der Leichtathletik ist unverzichtbar an die Beachtung der Prinzipien der Humanität und des Fair Play gebunden. Dieser Maxime folgen die selbst gesetzten Regeln des DLV. Das Präsidium des DLV verpflichtet sich, die Beachtung und Einhaltung dieser Prinzipien ohne Einschränkung zu sichern, Verstöße konsequent zu bestrafen und alles Erdenkliche zu tun, daß die Leichtathletik wieder ihre kulturelle Wertschätzung behält, die sie immer ausgezeichnet hat.

Der DLV hat bereits früher und auch in den letzten Monaten vieles versucht, um den Kampf gegen Doping effektiver zu gestalten und eine gerechte Aufarbeitung der Vergangenheit zu ermöglichen. Der Verband hat bis zuletzt gehofft, daß es dem deutschen Sport gelingt, eine gemeinsame Lösung zu finden. Diese Hoffnung hat sich bisher – trotz vieler guter Ansätze – nicht bestätigt.

Eine offene und selbstkritische Analyse der Ursachen der Verstöße ist eine wichtige Aufgabe, der sich das Präsidium des DLV stellt. Vorschnelle Schuldzuweisungen und fragvürdige Vorverurteilungen sind dabei kaum hilfreich. Auch Schuldigen muß die Möglichkeit zur einsichtigen Reue gegeben werden. Dabei kann jedoch nicht jede Schuld durch Einsicht und Reue gesühnt werden.

Durch die auch dank einer kritischen Presse offen geführte Diskussion über die Manipulationspraktiken ist es zu einer Sensibilisierung vieler Beteiligter gekommen, die zu einer Bewußtseinsänderung geführt hat.

Jeder im Verband. der eine solche persönliche Erkenntnis, Einstellung und Bewußtseinsveränderung glaubwürdig und nachvollziehbar unter Beweis stellt, soll deshalb eine Chance haben, mitzuwirken, das Ziel eines manipulations- und dopingfreien Sports mit anzustreben und zu verfolgen.“

1992 DOPING-Bekämpfungsmaßnahmen des DLV

Der DLV gab 1992 folgenden Maßnahmenkatalog bekannt:

>>> DLV Doping-Bekämpfungsmaßnahmen

9. Unabhängige Juristenkommission

Das DLV-Präsidium hat eine „unabhängige Juristenkommission“ eingesetzt und ihr folgende Fragestellung aufgegeben: Besteht bei Trainer, Funktionären, Wissenschaftlern und Ärzten, die für den DLV weiterhin tätig sind bzw. tätig sein sollen, auf grund evtl. Vorbelastungen in ein System des Dopingmißbrauchs aufgrund ihrer persönlichen Einstellung in der Gegenwart eine günstige Prognose, daß sie in Zukunft für eine manipulations- und dopingfreie Leichtathletik eintreten werden.

Aufgrund des zeitlichen Drucks stand die Überprüfung von Trainern zunächst im Vordergrund. Die Untersuchungen der Kommission haben zu einer Eingruppierung der Trainer drei Gruppen geführt, bei denen in allen Fällen, bei unterschiedlicher Nuancierung, eine günstige Prognose gestellt wurde.

Bei einem Trainer hat der DLV, trotz günstiger Prognose durch die Juristenkornmission, eine „Rückstufung“ des Trainers vorgenommen, nämlich beim ehemaligen Cheftrainer des DLV Dr. Schubert; bei einemn weiteren Trainer wurde der Arbeitsvertrag nicht mehr fortgesetzt, nämlich bei Herrn Springstein.

Die Untersuchung von Ärzten und Wissenschaftlern steht als nächster Schritt bevor.

10. „Eidesstattliche Erklärungen“

Von allen Trainern und Ärzten wurde eine sog. „eidesstattliche Erklärung“ abverlangt, in der sie folgendes versichern:

* Ich bin in der Vergangenheit nicht Mitglied in eine im einzelnen aufgeführten Institutionen in der ehemaligen DDR/im ehemaligen DTSB/DVfL gewesen, die im Dopingsystem eine wegweisende Rolle spielte;

* ich habe nicht an Beschlüssen mitgewirkt, die sich auf unerlaubte trainingsunterstützende Mittel bezogen haben;

* ich bin nicht an der Planung und/oder Anordnung im Bereich von unerlaubten trainingsunterstützenden Mitteln aktiv beteiligt gewesen
….

16. Maßnahmen zur Dopingvermeidung im Nachwuchsbereich

Verhinderung von Dopingmißbrauch im Schüler- und Jugendalter ist wichtige pädagogische Arbeit, die sich an Schüler, Jugendliche, Eltern, Lehrer, Trainer und Übungsleiter richtet. Schulunqs-, Fortbildungs- und Informationamaßnahmen sind angesagt.

1993 DLV Anti-Doping-Informationen

>>> DLV Anti-Doping-Informationen Juli 1993

1993 Oktober Wettkampfjahr 1993/94:
Informationen – Hinweise – Dokumente zur Dopingbekämpfung in der Leichtathletik

>>> Wettkampfjahr 1993/94:
Informationen – Hinweise – Dokumente zur Dopingbekämpfung in der Leichtathletik

>>> Sonderbedingungen des DLV für Doping-Kontrollen,
Beschlossen am 20.11.1992 durch das Präsidium des DLV in Dierhagen
Geändert vom Präsidium des DLV am 02.10.1993 in Herzogenaurach

>>> Merkblatt Steroidprofilanalyse

1993 DLV-Jugend: Ich bin clean – Anti-Doping-Fibel


1. EINLEITUNG

Die Diskussion über Leistungsmanipulation im allgemeinen und Doping im besonderen hat sich in den vergangenen zwei Jahren rasant verstärkt. Allein das ist etwas Positives, auch wenn dadurch manch Unrat und unter den Teppich Gekehrtes der Vergangenheit an die Oberfläche kommt. Das Schlimme der Vergangenheit im Leistungssport war nicht, daß Leistungen betrügerisch erzielt wurden, sondern daß das jeder für normal und nicht unanständig hielt. Das Augenmerk galt mehr dem augenzwinkernden Nicht-Erwischt-Werden als dem Verhindern und Aufdecken.

Der Umschwung ist dann eingeleitet, wenn Dopingbekämpfung nicht als notwendiges Übel empfunden wird, als Eingriff in die Persönlichkeitssphäre eines Sportlers, sondern als offensiv von jedem Sportler zu nutzende Chance, einen Weg aus dem Sumpf zu finden. Nicht Verfeinerung von Kontrollen ist das Entscheidende – auch das ist natürlich notwendig, es ist die selbstverständliche Voraussetzung -, vielmehr muß sich das Bewußtsein, die Einstellung zur Leistung ändern – es muß „klick“ im Kopf machen.

Sind Jugendliche und Schüler die richtigen Ansprechpartner für offensive Doping-Vermeidungsstrategien? Sie sind die Partner schlechthin, die beweisen können, daß Sport nicht nur Teil unserer Gesellschaft ist mit all ihren Schlechtigkeiten, sondern in bestimmten Bereichen besseres bietet als das sonstige in unserer Gesellschaft. Und im Umgang im „Fair Play“ hat der Sport mehr zu bieten als der Durchschnitt unserer Gesellschaft.  …

Dieses Handbuch bietet daher keine Anleitung zum Auffinden von Schlupflöchern, deswegen auch kein Leitfaden aller verbotenen Substanzen, Mittel und Techniken, um die Negativlisten umgehen zu können; es bietet Wege, den Manipulationsanfeindungen von außen zu trotzen. Die Jugend kann die positive Lawine im Kampf für eine „saubere Leichtathletik“ werden, die alle anderen ansteckt und mitreißt.

Rüdiger Nickel

Jugendwart und Anti-Doping-Beauftragter des Deutschen Leichtathletik-Verbandes

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7. SCHLUSSWORT

Die vorliegende Broschüre hat sich zum Ziel gesetzt, einen Beitrag zur Dopingbekämpfung zu leisten. Im Verlauf der letzten Jahre haben der Deutsche Sportbund, vor allem aber auch der Deutsche Leichtathletikverband eine Menge geleistet, um das Problem in den Griff zu bekommen. Im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen und stehen die Trainings- und Wettkampfkontrollen, die komplizierte Dopinganalytik und die noch kompliziertere Rechtslage, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht durch die hinreichend bekannten spektakulären Dopingverfahren und -prozesse.

Dies alles stellt aber nur einen Teil des Problems dar. Kontrollen und Sanktionen sind notwendige, aber nicht hinreichende Beiträge zur Lösung. Die Zielsetzung dieser Fibel hat Schwerpunkte, die darüber hinaus gehen. Sie befaßt sich mit den Ursachen, die zu Doping führen, und sie reduziert die Bekämpfung von Doping nicht auf eine organisatorischtechnische und juristische Dimension, sondern ordnet sie unter die fundamentalen Prinzipien der Sportlichkeit und des „Fair Play“ ein.

Einen besonderen Stellenwert erhält die Broschüre dadurch, daß sie von

Jugendlichen für Jugendliche gemacht worden ist.

Für die Zukunft geht es vor allem darum, Grundsätze und Perspektiven weiter zu entwickeln und in konkrete Maßnahmen umzusetzen.

– Dopingbekämpfung bedarf – neben Kontrollen und Sanktionen – der Ergänzung durch Maßnahmen der Aufklärung und der Bewußtseinsbildung. Sie müssen beim jungen Athleten und der jungen Athletin einsetzen, die am Anfang einer möglichen Leistungssportkarriere stehen.

– Die Maßnahmen dürfen sich nicht nur auf die jungen Sportlerinnen und Sportler beziehen, sondern müssen das Umfeld mit einbeziehen: Eltern, Trainer und Verein.

– Allen am Leistungssport Beteiligten, zuallererst den Aktiven selbst, muß das Bewußtsein vermittelt werden, daß Doping ein Verstoß gegen die selbstgesetzten Regeln des Sports ist. Solche Regeln, die den Bestand des Systems sichern, dürfen nicht beliebig von einzelnen außer Kraft gesetzt werden. Das ist Betrug.

– Der Athletin und dem Athleten muß das Bewußtsein vermittelt werden, daß der Wert einer Leistung nicht allein im absoluten Rekord besteht, sondern daß diese Leistung innerhalb der natürlichen Grenzen individueller Begabung erbracht wird, ohne chemische Aufrüstung von außen, nur dem Sportler selbst zuzuordnen: Die eigene Person mit ihren Möglichkeiten und Grenzen ist der Gütemaßstab, nicht der mit allen Mitteln erreichte Rekord.

– Solche Bewertungsmaßstäbe müssen durch geeignete Öffentlichkeitsarbeit vor allem solchen Personen, Gremien und Institutionen deutlich gemacht werden, die den Sport, den Sportler und seine Leistungen interpretieren und bewerten: Medien, Funktionären und Politikern.

– Zu einer solchen Modifizierung von Werten und Bewertungsmaßstäben gehört auch ein geeignetes Wettkampfsystem und angemessene Auswahlverfahren für repräsentative Aufgaben (Berufung in Kader, in Mannschaften, Teilnahme an nationalen und internationalen Veranstaltungen). Vor allem junge Athleten sollten ihre Leistungen auch in solchen Situationen erbringen, die für eine Gruppe, d.h. für ihre Mannschaft oder ihre Staffel von Bedeutung sind. Die individuelle Leistung sollte nicht über Gebühr honoriert werden. Wenn eine Leistung hinter den Erwartungen zurückbleibt, sollte sie auch unter pädagogischen Gesichtspunkten aufgearbeitet werden.

– Maßnahmen dieser Art zur Dopingbekämpfung müssen systematisiert werden. Sie müssen in die Ausbildung und Lehrarbeit des Verbandes als integrierter Bestandteil aufgenommen werden. Besonderes Gewicht sollte man darauf legen, engagierte und geeignete Spitzensportler, aber auch Jugendliche selbst, in die Ausbildung und Lehrarbeit mit einzubeziehen.

Monika 2010