Doping-Opfer-Rente II

>>> 2007 – 2025 Doping-Opfer-Rente I

2025 Novellierung Gesetz zum Wohl von Opfern des DDR-Unrechts

Am 24.3.2024 stellte das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich fest, das DDR-Dopingopfer keinen Anspruch auf Rehabilitation nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) haben: „Das systematische staatliche Doping von Leistungssportlern in der ehemaligen DDR stellt weder „politische Verfolgung“ noch einen „Willkürakt im Einzelfall“ im Sinne des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes dar.“
Es sei nun die Politik gefragt.  27./29.3.2024:
BVG: Keine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für Betroffene des DDR-„Zwangsdopings“
FAZ: „Dopingopfer werden im Stich gelassen“
Deutschlandfunk: SED-Opferbeauftragte: „Zugang zu Hilfen bleiben verwehrt“
ZDF: Keine Rehabilitierung für DDR-Dopingopfer

Als im Januar 2025 die Novellierung des Gesetzes zum Wohl von Opfern des DDR-Unrechts verhandelt wurde und noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden sollte, war die Enttäuschung bei den Befürwortern der Hilfen für DDR-Opfer groß darüber, dass der Entwurf und die zur Abstimmung vorgelegte Fassung die Dopinggeschädigten nicht berücksichtigten obwohl sich einschließlich des Bundesrates die meisten angehörten Experten dafür ausgesprochen hatten.
FAZ: Dopingopfer werden vertröstet, 22.1.2025
FAZ: Vertagt bis zum Tod

Allerdings hatten sich kurzfristig die Fraktionen von SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP vor der Verabschiedung der Novelle des Gesetzes zur Rehabilitierung politisch Verfolgter in der DDR am 30.1.2025 zusätzlich auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt mit dem Ziel, Dopinggeschädigte als Opfergruppe zu berücksichtigen. Der Antrag wurde vom Bundestag verabschiedet mit der Maßgabe, dass der in der neuen Legislaturperiode behandelt werden soll.

„Die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur wird in dem Antrag aufgefordert, dem Bundestag einen Bericht vorzulegen, der speziell aktuelle Ergebnisse der Forschung zu den gesundheitlichen Langzeitfolgen darstellt. Er müsse zudem Handlungsempfehlungen aufzeigen und solle als Grundlage für eine Entscheidung zur besseren Unterstützung der Opfer des DDR-Zwangsdopings in der 21. Wahlperiode dienen. Des Weiteren wird von der Bundesregierung eine Prüfung verlangt, inwieweit für die Opfer des DDR-Zwangsdopings eine ergänzende gesetzliche Entschädigungsregelung geboten erscheint.“

Dt. Bundestag: Mehr Hilfen für die Opfer des DDR-Zwangsdopings gefordert, 28.1.2025
Dt. Bundestag: Entschließungsantrag DDR-Zwangsdoping 
>>> Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP: Die Geschädigten des staatlich organisierten Dopingsystems der ehemaligen DDR als Opfergruppe anerkennen und besser unterstützen

Forderungen aus dem Antrag:

Der Deutsche Bundestag
• erkennt die Opfer von Staatsdoping als Opfergruppe der SED-Diktatur an,
• unterstützt auch zukünftig die Tätigkeit der Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur beim Deutschen Bundestag,
• würdigt die Forschung zu den Hintergründen und Folgen des staatlich organisierten Dopings in der DDR.
• unterstützt neue Forschungsansätze, die eine Einbeziehung auch von Freizeitsportlern in das DDR-Zwangsdoping nahelegen (Jahresbericht 2022 der Bundesbeauftragten; Bundestagsdrucksache 20/2220),
• würdigt zudem die Arbeit der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der Doping-Opfer-Hilfe e. V. und weiterer Organisationen in der Beratung und Begleitung von Betroffenen,
• beauftragt die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur, dem Deutschen Bundestag einen Bericht vorzulegen, der speziell aktuelle Ergebnisse der Forschung zu den gesundheitlichen Langzeitfolgen darstellt, Handlungsempfehlungen aufzeigt und ihm als Grundlage für eine Entscheidung zur besseren Unterstützung der Opfer des DDR-Zwangsdopings in der 21. Wahlperiode dienen soll,
• bittet die Bundesregierung zu prüfen, inwieweit für die Opfer des DDR-Zwangsdopings eine ergänzende gesetzliche Entschädigungsregelung geboten erscheint,
• bittet die Bundesregierung bei einem positiven Ergebnis der Prüfung um die Erarbeitung eines Gesetzentwurfs, der die entsprechende Entschädigung von Dopingopfern vorsieht,
• prüft weitere Möglichkeiten, um die Opfer des DDR-Zwangsdopings nachhaltiger zu unterstützen,
• nimmt die leidvollen Erfahrungen dieser Opfer zum Anlass, um den Kampf gegen Doping im Sport generell zu intensivieren.

Stellungnahme Evelyn Zupke, SED-Opferbeauftragte der Bundesregierung

Evelyn Zupke, SED-Opferbeauftragte der Bundesregierung hatte sich zur Anhörung ebenfalls für die Berücksichtigung der DDR-Dopinggeschädigten ausgesprochen. Im Juni 2025 legte sie ihren Jahresbericht vor. Darin wiederholte sie ihre Ausführungen vom Januar und früher.

Dt. Bundesstag: SED-Opferbeauftragte Zupke: Jeder Euro in die Gedenk­stätten ist eine In­vestition in die Demo­kratie, 17.6.2025 
>>> Drucksache 21/520 Jahresbericht 2025 – 35 Jahre Deutsche Einheit – Die Opfer der SED-Diktatur würdigen. Den Wert der Freiheit in die Gesellschaft vermitteln

2.4 Betroffene von DDR-Zwangsdoping

Über die Hintergründe des DDR-Zwangsdopings hat die SED-Opferbeauftragte auch in ihren vergangenen Jahresberichten ausführlich informiert (vgl. Bundestagsdrucksache 20/2220: 17 f.; vgl. Bundestagsdrucksache 20/7150: 30; vgl. Bundestagsdrucksache 20/11750: 30 ff.).
Mit dem „Staatsplan 14.25“ führte das SED-Regime 1974 ein staatlich organisiertes und flächendeckendes Dopingprogramm ein, um insbesondere bei internationalen Wettkämpfen Erfolge zu erzielen und so die vermeintliche Überlegenheit des Sozialismus zu demonstrieren. Zwischen 1974 und 1989 wurden nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen in mindestens zwölf Sportarten etwa 10.000 Athletinnen und Athleten, zumeist ohne ihr Wissen oder ausreichende Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen, vorzugsweise mit anabolen Steroiden gedopt. Betroffen waren nicht nur Erwachsene, sondern vor allem auch minderjährige Sportlerinnen und Sportler.
Dabei reichte die Dopinganwendung bis in die unteren Leistungsklassen, sogar bis in die Kinder- und Jugendsportschulen, hinein. Geprägt war das Dopingsystem der DDR durch ein hohes Maß an Willkür und vom kriminellen Verhalten der Sportärztinnen und Sportärzte, Trainerinnen und Trainer sowie der Funktionärsstäbe. Bereits mehrfach hat die Opferbeauftragte in der Vergangenheit dafür geworben, dass sich die damaligen Verantwortlichen auch öffentlich kritisch mit ihrer eigenen Rolle auseinandersetzen, um so zu einem reflektierten Umgang mit dem Leistungssportsystem der DDR beizutragen. Ein Anliegen der Opferbeauftragten ist es, insbesondere die Schicksale der damals minderjährigen Betroffenen in den Blick zu nehmen. Zwar waren die ehemaligen Sportlerinnen und Sportler – im Gegensatz zu vielen anderen Gruppen von SED-Opfern – keiner politischen Verfolgung ausgesetzt. Dennoch haben sie einen eklatanten politischen Missbrauch erfahren, indem sie durch das SED-Regime zum bloßen Objekt staatlichen Handelns degradiert und hierdurch in ihrer Menschenwürde verletzt wurden.
Der skrupellose Medaillenhunger der Staatsführung blieb für viele Betroffene nicht ohne Folgen. Oftmals führte die Verabreichung von Dopingpräparaten zu langfristigen und gravierenden Gesundheitsschäden. So leiden heute zahlreiche Opfer unter physischen und psychischen Erkrankungen. Verdeutlicht wird dies durch eine im Rahmen des vom Bund geförderten Verbundprojektes „Gesundheitliche Langzeitfolgen von SED-Unrecht“ entstandene im Juli 2024 publizierte Studie mit explorativem Charakter der Universitätsmedizin Rostock, die die psychische Beeinträchtigung von minderjährig zwangsgedopten ehemaligen DDR-Leistungssportlerinnen und -sportlern untersucht hat. Die Mehrheit der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer (56 Prozent) der untersuchten Stichprobe berichtete über emotionalen Missbrauch im Sportkontext, gefolgt von körperlichem (48 Prozent) und sexuellem Missbrauch (23 Prozent). Insgesamt kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die untersuchten ehemaligen DDR-Sportlerinnen und -Sportler, die als Minderjährige Staatsdoping erfahren haben, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung bis heute psychisch deutlich stärker beeinträchtigt und in ihrem bisherigen Leben an einer Vielzahl psychischer Störungen erkrankt sind. Während in der Allgemeinbevölkerung ca. 42 Prozent einmal in ihrem Leben an einer psychischen Störung leiden, war die Lebenszeitprävalenz für diese ehemaligen Sportlerinnen und Sportler mit 98 Prozent mehr als doppelt so hoch. Der Schwerpunkt der Erkrankungen liegt dabei auf depressiven Angst- und somatoformen Schmerzstörungen. Die Depressivität zum Untersuchungszeitpunkt lag deutlich über den Werten der Allgemeinbevölkerung.
Trotz der weitreichenden gesundheitlichen Folgen des Zwangsdopings besteht seit dem Auslaufen des Zweiten Dopingopfer-Hilfegesetzes (2. DOHG) im Jahr 2019 kein geeignetes Instrument mehr, um die Betroffenen adäquat zu unterstützen. Lediglich Betroffene mit Wohnsitz in Thüringen können, im Falle wirtschaftlicher Bedürftigkeit, Hilfen aus dem Härtefallfonds des Landesbeauftragten des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitung der  SED-Diktatur beantragen.
Neben dem Auslaufen der Unterstützungsmöglichkeit durch das 2. DOHG kommt für die Betroffenen erschwerend hinzu, dass die Opfer des DDR-Zwangsdopingsystems nicht namentlich im VwRehaG genannt sind. Vor diesem Hintergrund wurde bisher nur wenigen Betroffenen eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung zuerkannt, während die Mehrheit scheiterte. Eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ist jedoch Voraussetzung dafür, Entschädigungsleistungen nach dem SGB XIV beantragen zu können. Begründet werden die Ablehnungen immer wieder damit, dass das systematische Zwangsdoping weder politische Verfolgung noch einen Willkürakt im Einzelfall im Sinne des § 1 Absatz 2 VwRehaG darstelle. Das BVerwG hat diese Sichtweise im März 2024 bestätigt und verwies auf möglichen Handlungsbedarf durch den Gesetzgeber. Aufgrund der Entscheidung des BVerwG ist davon auszugehen, dass zukünftig noch deutlich mehr Dopingopfer als bisher am Versuch der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung scheitern werden.

Aufgrund der dargestellten gesetzlichen Rahmenbedingungen sind zahlreiche Betroffene von dringend benötigten Hilfen und Leistungen ausgeschlossen. Die SED-Opferbeauftragte sieht hier, gerade im Hinblick auf die oben dargestellte Verletzung der Menschenwürde, eine nicht hinnehmbare Schutzlücke, die es zeitnah durch den Gesetzgeber zu schließen gilt.

Die Opferbeauftragte wertet es daher als ein wichtiges Signal in Richtung der Betroffenen, dass der Deutsche Bundestag am 30. Januar 2025 einen Entschließungsantrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP (vgl. Bundestagsdrucksache 20/14702) verabschiedet hat, um die Geschädigten des staatlich organisierten Dopingsystems der ehemaligen DDR als Opfergruppe der SED-Diktatur anzuerkennen und besser zu unterstützen. Im Beschluss fordert der Bundestag die Bundesregierung dazu auf, zu prüfen, inwieweit für die Opfer des DDR-Zwangsdopings eine ergänzende gesetzliche Entschädigungsregelung geboten erscheint und – bei einem positiven Ergebnis der Prüfung – einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbeiten. Mit dem Entschließungsantrag hebt der Bundestag noch einmal hervor, dass die betroffenen Sportlerinnen und Sportler – auch wenn sie keiner politischen Verfolgung ausgesetzt waren – massives Unrecht erfahren haben, indem sie für die Ziele der Staatsführung bewusst missbraucht wurden. Der verabschiedete Antrag zeigt deutlich, dass die Anliegen der Dopingopfer von den Abgeordneten ernst genommen werden.

Dass auf den Bundestagsbeschluss folgend der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD die Zielsetzung enthält, das VwRehaG so zu ergänzen, dass es auch die Fälle des systematischen Dopings in der DDR grundsätzlich erfasst, ist aus Sicht der Opferbeauftragten ein Signal an die Betroffenen, ihre teils prekäre Lage zeitnah zu verbessern.
Der dargestellte Bundestagsbeschluss fordert zudem die SED-Opferbeauftragte auf, dem Bundestag einen Bericht  vorzulegen, der die Situation der Dopingopfer darstellt und Handlungsempfehlungen unterbreitet, damit die Geschädigten des DDR-Zwangsdopings möglichst zeitnah eine bessere und angemessene Unterstützung erhalten.
Die Bundesbeauftragte plant, den entsprechenden Bericht dem Bundestag im Herbst 2025 vorzulegen und begleitend zu einem Fachgespräch einzuladen, um die Abgeordneten über aktuelle Ergebnisse der Forschung zu den Folgen des Zwangsdopings zu informieren und etwaige Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.