2012/2013/2015 ANtDopG: DOSB Stellungnahmen; DLV versus DOSB

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2015 DOSB Stellungnahme Refernetenentwurf Anti-Doping-Gesetz

DOSB: Referentenentwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung von Doping im Sport

Am 9.2.2015 veröffentlichte der DOSB seine Stellungnahme zu dem im Herbst 2014 vorgelegten Referentenentwurf der Bundesregierung.

Neben einigen Zustimmungen brachte de Verband grundsätzliche Kritik an einigen wesentlichen Punkten des Entwurfs vor. Insbesondere lehnt er die Regelungen zum Selbstdoping vor dem Hintergrund des Grundgesetzes ab.

Er sieht darin die „Grundsätze der Bestimmtheit von Straftatbeständen und die Verhältnismäßigkeit einer strafrechtlichen Sanktion“ als nicht gegeben an. Genau dies hatte aber die Koalition im Koalitionsvertrag vom Dezember 2013 zugesagt. Wie in der Stellungnahme im Einzelnen begründet ist, befürchtet der DOSB, dass „die Funktionsfähigkeit der Sportgerichtsbarkeit“ durch die vorgesehenen Bestimmungen beeinträchtigt werden könnte; genau das will aber der Koalitionsvertrag ausschließen.“ (DOSB, 9.2.2015)

Und wie in den vorangegangenen Stellungnahmen sieht der DOSB unüberwindbare Probleme durch das Nebeneinander von Sportgerichtsbarkeit und staatlichen Strafbestimmungen.

2013 DOSB Antrag, Beschluss Jahresmitgliederversammlung 2013

Nachdem in den Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU mit der SPD nach den Bundestagswahlen 2013 eine Verschärfung der deutschen Antidoping-Gesetzgebung aufgenommen wurde und die Initiative des Landes Baden-Württemberg immer breitere Zustimmung in den Ländern erfuhr sah sich der DOSB zunehmendem Druck ausgesetzt, jetzt ebenfalls eine neue Haltung gegenüber 2012 ein zu nehmen. Insbesondere der DLV und der DTTB hatten sich seit Monaten zu Wort gemeldet (sid, 26.11.2013).

Der DOSB legte daraufhin seinen Mitgliedern auf der Jahresmitgliederversammlung vom 6.-7.12.2013 einen Antrag vor, der eine Strafverschärfung vorsah.
Beschlossen wurde ein gemeinsamer Antrag von DOSB-Präsidium und DTTB, der inhaltlich stark an den Gesetzesentwurf des Landes Baden-Württemberg angelehnt ist:
>>> DIE INTEGRITÄT DES SPORTLICHEN WETTBEWERBS SICHERN–DOPING UND WETTBETRUG KONSEQUENT BEKÄMPFEN!

Zitat:

„4. Um den Kampf gegen Doping und die daran beteiligten Personen – einschließlich der Athleten/innen – zu stärken, spricht sich der organisierte Sport für weitergehende strafrechtliche Regelungen einschließlich einer Kronzeugenregelung und deren Bündelung mit den einschlägigen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes in einem „Anti-Doping-Gesetz“ aus. Er begrüßt ausdrücklich, dass die neue Regierungskoalition laut Koalitionsvertrag solche Regelungen schaffen will, sofern „die Grundsätze der Bestimmtheit von Straftatbeständen und die Verhältnismäßigkeit einer strafrechtlichen Sanktion gewährleistet“ sind und die neuen Regelungen „weder die verfassungsrechtlich garantierte Autonomie des Sports unzulässig einschränken noch die Funktionsfähigkeit der Sportgerichtsbarkeit beeinträchtigen“. Wir sprechen uns vor diesem Hintergrund – wie der von Baden-Württemberg eingebrachte Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einführung eines Straftatbestandes „Dopingbetrug“ – gegen die Ausdehnung der Besitzstrafbarkeit auf geringe Mengen aus. Denn weder der Grundsatz der „strict liability“, also der Verantwortlichkeit des/der Sportlers/in für die in seinem/ihrem Körper gefundenen Stoffe, noch die im sportrechtlichen Verfahren geltende Umkehr der Beweislast dürfen theoretisch oder praktisch angetastet oder eingeschränkt werden, weil sonst das schärfste Instrument zur Sanktionierung dopender Sportler/innen, nämlich die sofortige Sperre, nicht mehr zur Verfügung stünde.

Vor diesem Hintergrund erwartet der organisierte Sport, im weiteren Verfahren bis zur Verabschiedung eines Gesetzes eng beteiligt zu werden.“

2012 DOSB-Mitgliederversammlung

2012 Antrag Deutscher Leichtathletik-Verband

Pressetexte zur DLV-Initiative und deren Ablehnung:

sid, 13.11.2012
DLV, 8.12.2012
SZ, 8.12.2012
FAZ, 8.12.2012,
dradio, 9.12.2012

Clemens Prokop im Interview, 2006:
Wie erklären Sie sich, dass der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Thomas Bach, gegen ein Anti-Doping-Gesetz ist?
Ich kenne seine Motive nicht.
Schadet Bach mit seiner Haltung dem Sport?
Ich würde mir wünschen, dass der Präsident des Dachverbandes mit der Ankündigung einer Nulltoleranz gegen Doping auch das Engagement verbinden würde, alle denkbaren Möglichkeiten der Dopingbekämpfung zu fördern.
Welche Rolle spielt Bachs Position innerhalb des IOC, er gilt als Kandidat für die Nachfolge von Präsident Jacques Rogge?
Ich glaube wahrzunehmen, dass das IOC einen starken Einfluss des Staates in der Dopingbekämpfung nicht will. Ich weiß aber nicht, ob Herr Bach von dieser Stimmung geprägt ist.

Der DLV stellte für die DOSB-Mitgliederversammlung am 8.12.2012 einen Antrag auf Strafverschärfung (plus einen Antrag zur Erhöhung der Mittelzuwendung für die NADA):

Der DOSB vertritt eine Null- Toleranzpolitik gegen Doping. Aufgrund dessen fordert der DOSB Strafschärfungen für die strafrechtliche Dopingbekämpfung, insbesondere die Einführung einer uneingeschränkten Strafbarkeit des Besitzes von Dopingmitteln zu Dopingzwecken im Sport, erweiterte Strafvorschriften gegen den Vertrieb und die Abgabe von Dopingmitteln, die Erhöhung der Strafrahmen für Dopingverstöße sowie eine Kronzeugenregelung.

Eine ausführliche Begründung war diesem Antrag beigefügt. Zitat:

Auch der Sportgerichtsbarkeit mit den eigenen Regularien ist es nicht gelungen, des Problems Doping Herr zu werden. Keiner der bedeutsamen Dopingskandale der Vergangenheit konnte ohne den Einsatz staatlicher Ermittlungsmethoden aufgeklärt werden. Der Sport hat keine Ermittlungsbefugnisse, er kann keine Durchsuchungen vornehmen, keine Telefone abhören und keine Zeugen mit einer drohenden strafrechtlichen Verfolgung wegen Strafvereitelung oder Falschaussage zu wahrheitsgemäßen Angaben veranlassen. Diese Methoden stehen nur dem Staat zur Verfügung. Sie einzusetzen, um den ehrlichen Athleten und die Integrität des Sports insgesamt zu schützen, muss unser aller Ziel sein. …

Die steigenden Fallzahlen der polizeilichen Statistik beziehen sich im Wesentlichen auf Fälle des Freizeitsports. Sie zeigen damit das gesamtgesellschaftliche Ausmaß des ·Dopingproblems auf. Der Spitzensport wird in Deutschland jedoch bislang vom Strafrecht nicht erreicht. Ermittlungsverfahren aufgrund der Strafanzeigen der NADA nach positiven Dopingfällen führen regelmäßig zur Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaften, ohne weitere Ermittlungen im Umfeld des überführten Sportlers. Auch die Fälle von Erfurt und Freiburg zeigen, dass eine wirkungsvolle Dopingbekämpfung nicht stattfindet bzw. nicht stattfinden kann.

Nur unter Einbeziehung der Athleten als Abnehmer der Dopingmittel in die strafrechtliche Verfolgung kann effektiv gegen die Hinterleute des Dopings vorgegangen werden. Auch wenn der Besitz in der Vorstellung des Athleten zum Eigenkonsum dienen soll, birgt er die Möglichkeit einer unkontrollierten Weitergabe an Dritte in sich. Eine grundsätzlich unterschiedliche Behandlung des Besitzes von Dopingmitteln und des Besitzes von Betäubungsmitteln, der uneingeschränkt strafbar ist, ist angesichts der bekannten Gesundheitsgefahren, die von Dopingmitteln für die Athleten ausgehen, nicht begründbar. Auf Bagatellfälle kann – wie bei anderen Straftaten auch – mit den Einstellungsmöglichkeiten der Strafprozessordnung reagiert werden.

Notwendig ist zudem die Ausweitung der Straftatbestände auf sämtliche Begehungsformen des Dopingmittelhandeis.

Dieser DLV-Antrag wurde auf der Versammlung abgelehnt.

2012 Antrag DOSB

Der DOSB legte einen Antrag vor, der weniger weit ging als der DLV-Antrag, insbesondere forderte er keine Änderung der Besitzstrafbarkeit und keine Kronzeugenregelung.
Dieser Antrag wurde angenommen.
>>> DOSB: Den Kampf gegen Doping weiter schärfen und verbessern!, 2012


Der DOSB fordert insbesondere folgende Maßnahmen und deren unverzügliche Umsetzung:

1. Die Einführung zusätzlicher Tathandlungen in das Arzneimittelgesetz, nämlich des „Erwerbs, Verbringens und Handeltreibens von Dopingmitteln in nicht geringer Menge“.

2. Die Erhöhung der Höchststrafe für Dopingvergehen im Arzneimittelgesetz von drei auf fünf Jahre.

3. Die Anwendung der Anti-Doping-Gesetzgebung durch die Staatsanwaltschaften muss vereinheitlicht werden und nach bundesweit gleichen Maßstäben erfolgen.

4. Die Länder werden aufgefordert, neben den bestehenden Schwerpunktstaatsanwaltschaften in München und Freiburg weitere Schwerpunktstaatsanwaltschaften flächendeckend einzurichten.

5. Die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften, der Polizei und des Zolls mit der NADA ist zu intensivieren und – z. B. durch deren Aufnahme in die „Richtlinie für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV)“ – zu formalisieren.

6. Dopingmittelsubstanzen sind in die Dopingmittel-Verbotsliste aufzunehmen, auch wenn deren Anwendung nicht in „erheblichem Umfang“ nachgewiesen wird; diese Voraussetzung muss im Arzneimittelgesetz gestrichen werden.

7. Der Vortaten-Katalog für Geldwäsche-Delikte muss um den Doping-Tatbestand erweitert werden, um die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaften zu erleichtern.

Zur Frage möglicher Konflikte s.a.
Expertengespräch,26.9.2013,S. 61ff:
gestellte Fragen:
Wie verhalten sich die Verfahrenswege von Strafrecht und Sportrecht zueinander?

– Aufgrund der erheblich längeren Dauer strafrechtlicher Verfahren und anderer Beweismaßstäbe (Unschuldsvermutung dort ggü. Anscheinsbeweis/ strict liability im Sportrecht) kann es zu zeitversetzten, unterschiedlichen Entscheidungen kommen. Wird dies als Problem gesehen?

– Könnten die Sportverbände trotz der Verpflichtung zur zeitnahen Verfolgung eines Dopingfalles nach WADC/NADC die Einleitung eines Verfahrens bis zum Ende des Strafurteils aufschieben? Wäre dies mit Blick auf die Wettkämpfe, an denen potentiell Gedopte teilnehmen würden, akzeptabel?

– Würde die Akzeptanz der sportrechtlichen Sanktionen bei abweichender Entscheidung des Strafgerichts (Freispruch) leiden? Kämen evtl. sogar Schadensersatzansprüche gegen die Sportverbände in Betracht?

– Würde zuerst ein Strafverfahren gegen einen Sportler/ eine Sportlerin (z.B. wegen Handel oder Besitz…) eingeleitet, welche Konsequenzen ergäben sich dann für die weiteren sportlichen Wettkämpfe? Wäre eine sportrechtliche Sperre auszusprechen bzw. durch die Verbände vorzusehen trotz fehlenden Dopingnachweises nach dem WADC? Wie hoch wäre die Sperre bzw. sollte sie sein? Wann wäre diese und mit Wirkung ab welchem Zeitpunkt auszusprechen?

In der Begründung heißt es:

Die Vorstellung, der Sport könne sein Sanktionssystem ja auch neben einer staatlichen Verfolgung des Eigen-Dopings parallel weiterhin einsetzen, ist nicht nur lebensfremd, sondern auch rechtlich riskant. So lobt Michael Krejza, der Head of the Sport Unit der Europäischen Kommission, in einem Grundsatzbeitrag die deutsche gesetzliche Reglung zum Kampf gegen Doping und fordert die europäischen Staaten, die noch keine entsprechende Gesetzgebung haben, auf, diesem Beispiel zu folgen. Zur viel diskutierten Strafbarkeit des Besitzes geringer Mengen von Doping-Substanzen führt er aus: „Die Aussicht doppelter Bestrafungen verursacht ein Problem für die Gesetzgebung wegen des möglichen Bruchs des „ne bis in idem“-Prinzips (demzufolgeniemand wegen derselben Tat zweimal bestraft werden darf): In diesem Zusammenhang dürfte interessant sein, dass Artikel 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vor der sogenannten „Doppelbestrafung“ schützt.“ Im Zweifel könnte sich ein doppelt bestrafter Athlet hierauf berufen und damit das gesamte Anti-Doping-System gefährden. Aber auch der Fall unterschiedlicher Verfahrensausgänge wäre problematisch. Aufgrund der unterschiedlichen Sanktionssysteme – hier Unschuldsvermutung, dort Schuldvermutung – könnte es nach einer sofort ausgesprochenen und durchgesetzten Sperre in großem zeitlichen Abstand vor einem staatlichen Gericht zu einem Freispruch kommen. Dieser würde den betreffenden Sportler gegebenenfalls dazu verleiten, Schadensersatzforderungen gegen den Verband zu erheben, der die Sperre und damit ein befristetes Berufsverbot verhängt hatte. Im Ergebnis würden solche Fälle einerseits die Legitimation des Gesamtsystems infrage stellen und andererseits faktisch zu einer Verzögerung der sportrechtlichen Sperre führen. Die praktische Erfahrung zeigt nämlich, dass verantwortungsvolle Verbände wegen des hohen Risikos von erheblichen Schadensersatzforderungen keine Sanktionen vor einem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens mehr verhängen würden.

Von daher sehen wir weder die Notwendigkeit noch den Vorteil einer Besitzstrafbarkeit auch geringer Mengen von Dopingmitteln. Sie würde den Anti-Doping-Kampf vielmehr – entgegen der guten Absicht der Befürworter – eher schwächen und komplizieren.

Die beiden übrigen in dem Evaluationsbericht erörterten Änderungsvorschläge, also die Einführung weiterer Tathandlungen wie „Verbringen“ oder „Handel treiben“ sowie die Einführung eines Verbrechenstatbestandes bzw. die Erhöhung des Strafrahmens, will die Bundesregierung zwar aus grundsätzlichen rechtssystematischen Überlegungen derzeit nicht weiterverfolgen. Sie sind aber in ihrer Intention verständlich und aus Sicht des Sports positiv zu bewerten.