Fußball und Doping: Lesestoff

Literatur und informative Artikel

Bücher:

  • Jörg Berger, Meine zwei Halbzeiten, Reinbek 2009
  • Jean Pierre de Mondenard, Dictionnaire du Dopage, Paris 2004
  • Jean Pierre de Mondenard, Dopage dans le football. La loi du silence, Paris 2010
  • Jean-Pierre de Mondenard, Quel Sport?, Nr. 18/19, Juin 2012, Les dopés du foot
  • John Hobermann, Sterbliche Maschinen, Aachen 1994
  • Éric Maitrot, Les Scandales du sport contaminé, Flammarion 2003
  • Toni Schumacher, Anpfiff, München 1987
  • Giselher Spitzer, Fußball und Triathlon, Aachen 2004
  • Ivan Waddington/Andy Smith, Drugs in Sport, New York 2009
  • Thomas Kistner, Schuss, München 2015

Artikel/Features/Studien:


* Übersetzung des Interviews mit J.-P- de Mondenard, 17.11.2010:

Interview von Jean-Michel und Christophe Labbé Decugis mit Jean- Pierre de Mondenard, erschienen in Le Point am 17.11.2010

Doping im Fußball – Mondenard: „Fußballer sind ernsthaft krank“

Le Point: Sie sagen, dass der Fußball zwangsläufig Bluttransfusionen, EPO und anderen Hormonen ausgesetzt ist, allerdings kommen nur sehr wenige Fälle ans Tageslicht …
Jean-Pierre de Mondenard: Fußball ist der Klassenletzte im Kampf gegen Doping. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Radfahrer eine Dopingkontrolle hat, ist 1 zu 10, für einen Fußballer 1 zu 2.000. Der Kampf gegen Doping ist wirksam, wenn 10% der Sportler getestet werden, im Fußball sind es 0,05 %. Wir haben uns 2010 darüber gefreut, dass es bei der Weltmeisterschaft in Südafrika keine einzige positive Kontrolle gab … Erst 1978, d.h. dreizehn Jahre nach dem Radsport, gab es im französischen Fußball überhaupt erst die erste Doping-Kontrolle. Die Welt des Fußballs tut so, als ob dieser Sport technisch/koordinativ zu anspruchsvoll sei, dass eine Beeinflussung durch Doping kaum möglich sei. Falsch. Heute spielen im Fußball, wie in anderen Sportarten auch, Fitness und athletische Fähigkeiten eine sehr große Rolle. Im Milieu sagt man: Um erfolgreich zu seinen, braucht es einen „großen Motor“. Und Doping ist für die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit sehr wirksam. Damit kann man schneller zum Dribbling übergehen, die Kraft eines Schusses mit dem Fuß oder eines Kopfballs erhöhen, man kann schneller in freie Räume laufen oder im Strafraum höher springen. In der Umkleidekabine spricht man von „Erholungsmitteln“ (produits de récuperation), nie von „Doping“. Damit versteckt man sich hinter der Begrifflichkeit. Das Paradoxe ist, dass fast alle Spieler offen zugeben, dass sie sich direkt vor Spielbeginn oder selbst während der Halbzeit, Spritzen mit Vitaminen geben, und dies, obwohl medizinische Forschungsergebnisse zeigen, dass die Wirkung von Vitaminen für das aktuelle Spiel fast gleich Null ist. Und umgekehrt werden Dopingmittel, die im Fußball angeblich nichts bringen, fast überall, in allen Sportarten, verwendet! Kaum zu glauben …

Welche leistungssteigernden Drogen werden von Fußballern genutzt?
Im Fußball wie im Radsport gibt es eine Kultur der Spritze. In der Blütezeit von Olympique Marseille, unter dem Präsidenten Tapie, gab es in der Umkleidekabine eine schwarze Tafel, auf der geschrieben stand: „Heute Abend kriegt jeder eine Spritze“. Und Eric Cantona hatte hinzugefügt: „mit Ausnahme von Cantona.“ Im Fußball handelt es sich hauptsächlich um anabole Steroide, Stimulanzien, Sauerstoffträger, die einen rennen lassen ohne außer Atem zu geraten und vor allem auch die letzte Viertelstunde fit zu sein. Letztlich hängt es von der Spiel-Position ab, die ein Spieler in der Mannschaft einnimmt. Ein Stürmer wird ein Stimulans wie z.B. Ephedrin nehmen, um seine Antrittsschnelligkeit zu erhöhen. Der Torhüter dagegen Cannabis, um ohne Hemmungen auftreten zu können. Die beliebtesten Mittel sind Wachstumshormon – da es nach der Injektion sehr schnell abgebaut ist – und Synacthen, ein nicht nachweisbarer Aktivator, der durch die Stimulierung der Nebennieren natürliche Hormone produziert.

Die Entwicklung der Morphologie verrät oft Doping. Bei Fußballern fällt die Beobachtung schwerer, da sie weite Hosen und Trikots haben. Allerdings verändert Doping jemanden nicht unbedingt körperlich. Wenn Sie Anabolika intelligent zusammen mit einer Veränderung der Ernährung verwenden, merkt man gar nichts. Dann gibt es nicht nachweisbare Autotransfusionen von Blut und EPO, das seit der Verwendung in Mikrodosierungen erneut für Dopingkontrollen unsichtbar wurde. Darüber hinaus gibt es auch viele leistungssteigernde Produkte, zuverlässige Dopingmittel wie Neoton (Kreatin zum Spritzen) und Actovegin (Kälberblut) mit dem Ziel der Leistungsbeeinflussung, die nicht verboten sind.

Hat der Fußball seine Dr. Mabuses (ein Dopingarzt im Radsport)?
Konditionstrainer und Ärzte sind am Doping beteiligt. Als die Kontrollen im Radsport schärfer wurden, gingen einige von ihnen zum Fußball, wo zudem mehr verdient werden kann. 1998 wurde in Italien das offizielle Anti-Doping-Labor für sechs Monate geschlossen, weil bekannt wurde, dass dort Analyseergebnisse von bestimmten Spielern gefälscht wurden, um ein Negativergebnis zu haben. Der Prozess gegen Juventus Turin – zu jener Zeit spielten dort Deschamps und Zidane – hat das Ausmaß des Dopings in einigen großen Fußballvereinen enthüllt. Bei Razzien haben Carabinieri 281 verschiedene Medikamente gefunden, die mit der Zielsetzung Leistungssteigerung verschrieben worden waren. Eine grauenhafte Apotheke, die etwa der Krankenhausapotheke einer mittelgroßen Stadt entsprach. Kurz gesagt, Profi-Fußballer werden wie Schwerkranke behandelt! Es sei denn, wir sehen Wettkämpfe als eine Art Berufskrankheit an … Dopingkontrollen im Fußball müssten durch unabhängige Stellen durchgeführt werden. Um endlich Schluss zu machen mit dem falschen Bild einer Sportart, die vom Doping verschont ist.

Von Jean-Pierre de Mondenard ist Ende November 2011 das Buch ‚Doping im Fußball. Das Gesetz des Schweigens‘ erschienen (Dopage dans le football. La loi du silence. Jean-Claude Gawsewitch, 380 S., 19,90 Euro).