Lance Armstrong und Doping

Doping im Radsport /UDA Doping-Geschicht(n)

Lance Armstrong und Doping

Lance Armstrongs Doping-Geschichten

Stationen des Dopingverdachts:

1995:
Stephen Swart, ehemaliger Teamkollege, gestand 2003/2004, dass sich im Team Motorola Fahrer, einschl. Armstrong, ein EPO-Programm verordnet haben.

1996:
Armstrong gibt nach Zeugenaussagen gegenüber einem Arzt Doping zu.

1998:
2011 enthüllt SI, Armstrong habe angeblich Ende der 1990er Jahre Zugriff auf das noch nicht zugelassene Medikament HemAssist gehabt.

1999:
Armstrong wird positiv auf Cortison getestet. Die UCI akzeptiert ein rückdatiertes Rezept.

1999:
Im Jahr 2005 werden zu Forschungszwecken Urinproben der Tour de France 1999 erneut getestet. L’Équipe enthüllt, dass es sich u.A. um Proben von Armstrong handelte.

2000:
Doping-Experte Michel Audran enthüllt in späteren Jahren, dass während der Tour 2000 13 Proben von Armstrong extrem klar gewesen seien, wie Baby-Urin – das könnte ein Hinweis auf Manipulationen sein.

2000:
Die französische Justiz beginnt Ermittlungen nachdem während der Tour de France Teammitglieder dabei gefilmt wurden, wie sie Müllsacke des US-Postal-Teams mit verdächtigem Inhalt fern ab des Hotels entsorgten. Darin gefunden wurden Actovegin und Mittel, die zur Verschleierung genutzt werden konnten. Bekannt wird, dass Armstrong seit zwei Jahren keine medizinischen Daten geliefert hatte, die von allen Fahrern der Tour de France 6 Monate vor dem Start zwecks Gesundheitskontrolle zur Verfügung gestellt werden mussten.

2001:
Floyd Landis, 2010, und Tylor Hamilton, 2011, erwähnen einen positiven EPO-Test Armstrongs bei der Tour de Suisse. M. Saugy, Labor Lausanne, spricht nur von suspekten Proben. Es besteht der Verdacht, dass Armstrong sich die Vertuschung durch die UCI erkauft hat, da Zahlungen vorliegen.

2002
M. Saugy. Labor Lausanne, berichtet 2012 von suspekten Armstrong-Proben mit EPO wie 2001. Die UCI bestreitet davon gewusst zu haben.

2004:
Walsh / Ballester veröffentlichen ihr Buch L.A. Confidentiel mit etlichen Hinweisen, u.a. beschuldigt Emma O’Reilly Armstrong des Dopings.
Frankie Andreu erzählt, dass Armstrongs Manager und Tailwind-Präsident Bill Stapleton und Vize-Präsident Bart Knaggs 2004 versuchten Druck auf ihn auszuüben, damit Betsy ihre Aussagen zurück zieht.

2005:
Armstrongs Mechaniker Mike Anderson gibt an Dopingmittel bei Armstrong gesehen zu haben.

2005:
Im Prozess Armstrong/SCA sagen verschiedene Zeugen gegen Armstrong aus, so das Ehepaar Andreu und Stephen Swart.

2007:
Walsh/Ballester veröffentlichen From Lance to Landis mit neuen Indizien über Doping in Armstrongs Team, darunter auch ein Chat-Protokoll zwischen Andreu und Vaughters.

2008:
Das 2005 im SCA-Prozess von Edward F. Coyle zugunsten Armstrong vorgebrachte Argument, dessen Leistungssteigerung, dessen Fahrertyp-Wandlung nach der Krebserkrankung hätte nichts mit Doping zu tun, sondern sei auf mit speziellem Training erreichte besondere Muskeleffizienz in Verbindung mit geringem Körpergewicht zurück zu führen, wird widerlegt. Einige zugrundegelegten Berechnungen waren falsch.

2009:
Armstrongs Blutwerte während der Tour de France 2009 machen Experten misstrauisch – Verdacht auf Blutdoping. Die AFLD kritisiert eine Sonderbehandlung des Teams Astana bei Dopingkontrollen.

2002 – 2004:
Floyd Landis legt 2010 ein umfangreiches Geständnis ab und belastet Armstrong und das Team von 2002 bis 2004 schwer. Angeblich habe es im Team schwarze Kassen zum Dopen gegeben. US-Ermittler Jeff Novitzky nimmt für die FDA Ermittlungen auf, im Focus steht, ob der Konzern US-postal Betrug gesponsort hat. Umfangreiche Ermittlungen werden weltweit eingeleitet.

1999 – 2001:
Tyler Hamilton gesteht 2011 öffentlich jahrelanges eigenes Doping, auch in Armstrong Team von 1999 bis 2001 mit diesem zusammen.

1999 – 2010:
Verschiedene Vorfälle nähren den Verdacht, dass Armstrong von der UCI protegiert wurde, z. T. über Spenden eingekauft.

1995 – 2009:
Armstrong arbeitet mit Dopingarzt Dr. Michele Ferrari zusammen und versucht dies jahrelang zu verheimlichen. Angeblich beendet er die Zusammenarbeit 2004, doch bei Yarolslav Popovych 2010 gefundene Unterlagen legen eine Verbindung bis 2009 nahe.

2012:
Bundesstaatsanwalt Andre Birotte stellt überraschend jegliche Strafverfolgung gegen Armstrong ein. Gründe werden nicht genannt. Die USADA ermittelt weiter, von der WADA unterstützt.

2012:
Die USADA eröffnet Verfahren gegen Lance Armstrong, die Ärzte Michele Ferrari, Pedro Celaya, Luis Garcia del Moral, Teammanager Johan Bruyneel und Trainer Pepi Marti.

Am 24.8.2012 erhält Armstrong durch die USADA eine lebenslange Sperre, alle Wettkampfergebnisse werden ihm aberkannt. Die UCI bestätigt dieses Urteil am 22.10.2012.

Januar 2013 Aussagen Armstrongs bei Oprah Winfrey in voller Länge:
Teil I:BBC, Part I 
velonation, Day I

Teil II: BBC, Part II
velonation, Day II

Das USADA-Dossier zu Lance Armstrong lässt keine Zweifel mehr daran aufkommen, dass Lance Armstrong ein umfangreiches, effektives Dopingsystem aufgebaut hatte von dem er selbst bestens profitierte. Die Auswertung dieser Unterlagen zeichnet von der Dopingprxis im Team ein genaueres Bild als die auf dieser Seite beschriebenen Vorgänge. Doch werden diese Ausführungen meiner Meinung nach nicht wertlos, sondern beschreiben und geben Hinweise darauf, wie sich das System Armstrong über die Jahre darstellte und wie es von immer konkreter werdenden Verdachtsmomenten, -vorfällen und Misstrauen begleitet wurde bis es zusammenbrach. Beschrieben werden zudem auch Vorfälle und Beziehungen, die über den USADA-Bericht hinaus reichen.

Übersichten der New York Times:
Evidence From the Investigation Into Alleged Doping by Lance Armstrong, Milestones: Lance Armstrong

Dass Lance Armstrong während seiner Radsportlaufbahn gedopt hat, galt über die letzten Jahre seiner Karriere für viele Beobachter als sicher, es häuften sich Verdachtsmomente, aber Beweise fehlten. Lediglich ein nachgereichtes Attest für Cortison 1999 ist verbürgt (Die UCI liefert hierzu im Oktober 2012 diese Erklärung ab. Als im Jahr 2005 die l’Equipe Ergebnisse von 2004 nachträglich durchgeführten EPO-Tests an Urinproben aus dem Jahr 1999 veröffentlichte, von denen einige Armstrong zugeordnet werden konnten, schienen viele Zweifel ausgeräumt, doch auch diese Befunde reichten nicht für Sanktionen. Im Gegenteil, Armstrong und Co. sowie die UCI unternahmen große Anstrengungen, diese Ergebnisse herunter zu spielen bzw. sie als unglaubwürdig hinzustellen. Mittlerweile scheint es unstrittig, dass die Analysen von 2004, die zu Forschungszwecken durchgeführt worden waren, korrekt waren ebenso wie die Zuordnung zu der Person Armstrong. Sicherheit könnten erneute Tests bringen, die möglicherweise im Zuge der nach Landis Geständnis begonnenen FDA-Ermittlungen durchgeführt werden.
cyclingnews, 7.9.2005: interview with L’Equipe’s Damien Ressiot

Da es sich um Analysen anonymer Urinproben zu Forschungszwecken gehandelt hatte, wurden diese von der UCI nicht als relevant für Sanktionen anerkannt bzw. nicht zugelassen. Die UCI legte hierzu 2009 ein Gutachten vor, den Vrijman Report, mit dem alle Verdachtsmomente widerlegt werden sollten, doch stieß diese Analyse auf viel Kritik.
UCI/VRIJMAN REPORT: Independent Investigation, Analysis Samples from the 1999 Tour de France
WADA, 3.10.2008: WADA Official Statement on Inaccuracies of Vrijman Report

Michael Ashenden, australischer Blutdoping- und EPO-Experte, begründet in einem Interview vom 2.4.2009 warum die EPO-Analysen als zweifelsfrei angesehen werden können:
nyvelocity: Ashenden: „So there is no doubt in my mind he (Lance Armstrong) took EPO during the ’99 Tour.“

Es gab jedoch auch vor dieser Diskussion Hinweise darauf, dass Doping über die Jahre hin bei Armstrong selbst und in seinem Team eine Rolle gespielt haben könnte. Ausführliche Darstellungen und Aufarbeitungen bekannter und unbekannter Hinweise und Geschehnisse finden sich in den Büchern von David Walsh und Pierre Ballester. Darin werden z. B. die Aussagen von Betsy und Frankie Andreu vorgestellt wonach Armstrong anlässlich seiner Krebserkrankung einem Arzt gegenüber eingestanden hatte, gedopt zu haben. Es wird z. B. auch Prof. Michel Audran zu Urin-Analysen 2000 zitiert. Von der UCI gefroren eingelagerte Urinproben der Tour de France 2000 wurden zur Validierung des franz. EPO-Tests nachanalysiert. Prof. Audran bekam 15 Proben, davon 13 von Armstrong. Alle Armstrong-Proben waren ‚clean‘, die 13 hatten dieselbe Zusammensetzung. Audran: Das ist einmal möglich, aber niemals sind mehrere gleich. Man sprach auch von ‚Baby-Urin‘. Auf Betreiben von Verbruggen (UCI) wurden die Reste dieser Urinproben vernichtet (L.A. Confidential, S. 233/234 und 249/250). Im Jahr 2000 eröffnete die französische Justiz zudem ein Verfahren gegen das Team, nachdem illegal entsorgter medizinischer Müll sichergestellt und analysiert wurde. U.a. mit Hinweisen auf Actovegin, was ein Hinweis auf Blutdoping sein kann. (the independent, 12.12.2000: Product at centre of Armstrong controversy is banne). Das Verfahren verlief im Sande. (U.S.Postal press statement, 18.12.2000)

Bekannt wurde, dass in jenem Jahr 2000 die Medikamentenliste des Armstrong-Teams, die bei Einreise zur Tour vorgelegt und genehmigt werden musste, insgesamt 126 verschiedene Produkte umfasste. Grob umgerechnet bedeutet dies pro Teammitglied und Tag 11,78 verschiedenen Mittel. Damit lag die Zahl weit über der der anderen Teams (L.A. Confidentiel, S. 254/255).

Belastet wird Armstrong im Jahr 2005 auch von seinem ehemaligen Mechaniker Mike Anderson, der unter Eid aussagte, im Badezimmer des Fahrers in Girona Dopingmittel gesehen zu haben.

Ausführlich wird in den Büchern das Schlichtungsverfahren Armstrong / SCA Promotions vorgestellt. Hierbei ging es um einen hohen Millionenbetrag, den SCA an Armstrong nach dessen siebten Toursieg zu zahlen hatte – sofern ihm kein Doping nachgewiesen werden konnte. SCA hatte aufgrund der laut gewordenen Vorwürfe die Zahlung verweigert.

La Confidential
L.A. Officiel
From Lance to Landis
Le sale tour
Excerpt from LA CONFIDENTIAL ? The Secrets of Lance Armstrong

siehe auch
Los Angeles Times, 9.7.2006: Allegations Trail Armstrong Into Another Stage

SCA Promotions musste zahlen. Nach dem erwiesenen Doping strengte SCA allerdings einen Prozess an, der Ende September 2015 zu deren Gunsten entschieden wurde. Armstrong musste 10 Mio Dollar zurück überweisen. (the sunday times, 27.9.2015, the guardian, 27.9.2015)

In dem Prozess Armstrong / SCA 2005 spielte zugunsten Armstrongs auch eine Langzeitstudie des Leistungsdiagnostikers Edward F. Coyle von der University of Texas in Austin eine Rolle. Er legte Berechnungen vor, die beweisen sollten, dass Armstrongs körperliche Veränderung hin zu einem begnadeten Rundfahrtspezialisten nach der Krebserkrankung nicht mit Doping in Verbindung stünde. Spezielles Training über Jahre sollte die Ursache erhöhter Muskeleffizienz in Verbindung mit geringerem Gewicht sein. Im Jahr 2008 musste Coyle aufgrund vorgelegter Berechnungen von M. Ashenden und anderen zugeben, dass seine Expertise Fehler aufweist:
NYT, 10.9.2008: Scientific Error Reignites Debate About Armstrong
(s.a. The Science of Sport: Coyle and Armstrong, und Discussion).

Ergänzende Informationen darüber, dass Armstrong bereits in den Jahren 1993 bis 1996 zu Dopingmitteln gegriffen haben könnte, veröffentlichte Sports Illustrated am 18.1.2011. Danach wären in diesen Jahren drei Mal Urin-Proben Armstrongs durch einen verdächtig hohen Testosteron/Epitestosteron-Quotienten aufgefallen, der Doping nahelegte. Ein weiterer Zeuge sprach davon, dass der Ausnahmefahrer Ende der 1990 Jahre mit HemAssist experimentiert habe:
SI, 18.1.2011: SI reports new information in the case against Lance Armstrong
bicycling.com, 18.1.2011: Talking Points

Kritischen Fragen musste sich Lance Armstrong stellen, als im Jahr 2001 bekannt wurde, dass er mit dem Arzt Dr. Michele Ferrari zusammenarbeitete.

Siehe >>> hierzu ‚Lance Armstrong sagte…‘, Reaktionen des Fahrers auf Fragen und Äußerungen zu seiner Kooperation mit dem bekannten Dopingarzt.

Wie später bekannt wurde, begann diese Verbindung bereits 1995. Wegen der damaligen großen Nachfrage bei Ferrari benötigte der junge Lance Armstrong die Empfehlung von Eddy Merckx, um doch noch angenommen zu werden. (Benjo Maso, der Schweiß der Götter, S. 245)

Armstrong verteidigte Ferrari jahrelang, nannte ihn einen zu Unrecht Verfolgten. Aufsehen erregte Armstrong 2004, als er während einer Tour de France-Etappe in einer für den Rennverlauf sinnlosen (Rache)Aktion Philippo Simenoni aus einer führenden Gruppe im Alleingang zurückholte und diesen so um einen Etappenerfolg bzw. eine gute Etappenplazierung brachte. Simeoni hatte im laufenden Prozess gegen Ferrari den Arzt schwer belastet. Wenige Zeit später gab Armstrong, nach der erstinstanzlichen Verurteilung des Arztes mit konkreten Dopinganschuldigungen und -beweisen im Rahmen des Richterspruchs, angeblich die Zusammenarbeit mit dem EPO-Spezialisten auf. Unterlagen, die bei einer Hausdurchsuchung von Yarolslav Popovych, einem jahrelangen Teamgefährten Armstrongs, 2010 in Italien gefunden wurden, legen aber nahe, dass bis in das Jahr 2009 Ferrari mit Armstrong bzw. mit dessem Team zusammen arbeitete.
cn, 16.4.2011: Armstrong, Ferrari relationship probed in Italian doping investigation
Daily Peloton, 30.11.2005: Simeoni versus Lance Armstrong….
der Spiegel, 15.7.2004: Armstrongs Gegner aus der letzten Reihe
ksta, 6.5.2009: Simeoni „Ich fühle mich erniedrigt“

Misstrauisch konnte jedoch auch der eine oder andere Angestellte des Teams über die Jahre machen. So einige begleiteten Dopingverdächtigungen. Insbesondere Ärzte und Pfleger mussten sich immer wieder Vorwürfen erwehren. An sich kein Wunder angesichts der heute bekannten verbreiteten Dopingpraxis in den Top-Teams der 1990er Jahre, die 1998 im Festina öffentlich wurde. Als Beispiel sei Dr. José Aramendi genannt, der von ONCE 2001 zu U.S.Postal Service wechselte. 1995 entdeckten die beiden dänischen Journalisten Andersen und Jung während der Spanienrundfahrt im Hotelzimmer Aramendis einen Sack voller Müll, der auf umfangreiches Doping mit EPO hinwies. Die Fahrer, die zuvor damit behandelt worden waren, mussten enorme Dosen bekommen haben (L.A. Confidentiel, S. 160f). Damaliger Teamleader von ONCE war Laurent Jalabert, einer seiner Kollegen war Johan Bruyneel.

Nach der Tour de France 2009 geriet Lance Armstrong, der für das Team Astana gestartet war und sie als Drittplazierter beendet hatte, erneut unter Verdacht. Seine von ihm selbst veröffentlichten Blutwerte geben Anlass Blutdoping zu vermuten. Auch die von der französischen NADA AFLD monierte Sonderbehandlung des Teams Astana kann misstrauisch machen. Zudem wurde von der Pariser Staatsanwaltschaft eine Untersuchung eingeleitet, von der auch Astana betroffen ist. Es waren Medikamentenverpackungen gefunden worden.
cn, 10.9.2009: Analysis: Armstrong’s Tour blood levels debated
Jean-Pierre de Mondenard
sid, 24.12.2009
le Monde, 13.10.2009

Es war die dritte auf französischem Boden eingeleitete Untersuchung nach 2000 (Fund von Müllsäcken, s.o.) und 2005 nach dem Erscheinen des Buches L.A. Confidentiel.

Im August 2012 erläuterte Michel Rieu, Mitglied der AFLD, gegenüber Le Monde wie es Armstrong nach Meinung der AFLD 2009 und auch die Jahre zuvor gelungen war, positiven Kontrollen zu entgehen: Le Monde, 25.8.2012: „Lance Armstrong a été prévenu avant tous les contrôles“. Danach wurde er rechtzeitig benachrichtigt und konnte so entsprechende Maßnahmen ergreifen. Zudem hatte er über die Jahre ein ausgeklügeltes System mit Hilfe von Experten aufgebaut.

Floyd Landis nennt Namen

Matial Saugy, Labor Lausanne:
Die UCI soll ihn 2002 von einem ähnlichen Testergebnis wie 2001 berichtet haben-Hinweise auf EPO bei einem Armstrong-Test während der Dauphiné Libéré.
„“Armstrong had another suspect result during the 2002 Dauphine Libere. The politics of the UCI at that time, if there was such a result involving an important competitor, was to meet them and ask for an explanation,” claimed Saugy.
“That was their approach to prevention. The UCI said to me at the end of June 2002: ‚we warned the rider for whom you had a suspect result in 2001, he gave another suspect return at another lab and he would like to know by which method it was tested‘.
“The rider was Armstrong. It was then that I learned about it.”
(velonation, 21.10.2012)
Pat McQuaid bestritt dieses Ergebnis.
(cn, 22.10.2012)

Im Mai 2010 ging Floyd Landis an die Öffentlichkeit und gestand während seiner Zeit bei US Postal und Phonak regelmäßig gedopt zu haben. Er beschuldigt auch Teamkollegen, insbesondere Armstrong und Bruyneel. Landis sprach davon, Armstrong und UCI hätten 2002, genauer 2001 eine positive EPO-Probe vertuscht und Armstrong hätte dafür eine Spende an die UCI gezahlt. Solch eine Spende ist verbürgt. [* s. rechts] Armstrong selbst musste sie zugeben in seinem Prozess gegen SCA Promotions. Hier wurde allerdings die Summe von 25 – 30 000 $ genannt, die UCI musste dagegen für 2005 eine erhaltene Spende von 100 000 $ zugeben. (Ballester/Walsh, Le sale Tour, SZ, 27.5.2010). Journalist Frank Van de Winkel konnte aber nach Einsichtnahme von Unterlagen bei der UCI feststellen, dass die Summe über 100 000 $ erst im Januar 2007 nach erneutem Nachhaken seitens der UCI (erst Verbruggen, später Pat McQuaid) von CSE, dem Management-Büro von Bill Stapleton überwiesen wurde (F. Van de Winkel, Zero Dope, S. 226ff).
NYDailyNews, 10.7.2010: In e-mail messages, News finds disgraced Floyd Landis rides alone after doping accusations
cn, 25.5.2010: McQuaid acknowledges accepting Armstrong donation a mistake
espn, 26.5.2010: Experts: Landis info could be crucial

Insgesamt wurden in den neuen Untersuchungen unter Ermittler Jeff Novitsky alle bislang aufgetauchten und bekannten Vorwürfe erneut überprüft, die vor allem die Zeit zwischen 1997 und 2004 betreffen, die Zeit in der US-Postal Armstrongs Team sponsorte. Darunter sind Aussagen, die zwar vorliegen, aber wieder abgestritten wurden. Wichtig war dabei für die Zeugen, ob ihnen eine Falschaussage oder Meineid nachgewiesen werden konnte. Dieses Problem stellte sich auch Stephanie McIlvain, die in einem Telefongespräch mit Greg LeMond erzählte, gehört zu haben, wie Armstrong vor einem Arzt Doping zugegeben hat. Später stritt sie dies unter Eid ab. Das Gespräch ist hier nachzuhören: LeMond – McIlvain Tape (Armstrong Doping)

Im Mai 2011 erklärte Tyler Hamilton, zusammen mit Lance Armstrong 1999 und später EPO und andere gebräuchliche Mittel und Methoden wie Testosteron und Eigenblutdoping angewandt zu haben und beschreibt ein teaminternes Dopingsystem. Er wiederholte damit öffentlich seine ein Jahr zuvor vor der Grand Jury gemachten Aussagen. Er bestätigte auch die bereits von Landis geäußerte Vermutung, wonach bei der Tour de Suisse 2001 von Lance Armstrong eine Dopingprobe mit EPO-Verdacht vorlag und dass sich Armstrong mit Geldspenden an die UCI das Vertuschen erkauft haben könnte.
cn: Tyler Hamilton’s letter of confession
cn: Hamilton says he saw Armstrong use EPO
SZ: „Er war total entspannt, er lachte darüber“
cbs: Tylor Hamilton Interview
sf.weekly: Lance Armstrong Doping Story Points Toward S.F. Company

Armstrongs Netzwerke

Das Buch von L.A. Confidentiel ließ bereits erkennen, dass Lance Armstrong in ein gut funktionierendes personelles Netzwerk eingebunden war, bzw. sich ein solches aufgebaut hatte. Damit war es ihm möglich geworden seine eigene Popularität zu steigern und auch seine Krebsstiftung zu fördern. Die vielfältigen Verbindungen in hohe (Rad)Sport- und damit verbundene Business- und Sponsorenkreise weckten jedoch auch Zweifel, nicht selten ergaben sich Interessenkonflikte durch uneindeutige Funktionen und konkurierende Positionen ein und derselben Person. Namentlich genannt werden vor allem Thomas Weisel, Steve Johnson, Jim Ochowicz und Chris Carmichael. Nachdem 2005 die positiven EPO-Proben aus dem Jahr 1999 bekannt geworden waren und damit auch die UCI verstärkt ins Zwielicht geriet, wurden diese Verbindungen kritischer gesehen. Hatte Armstrong seine Kontakte nutzen können für ungehindertes Doping?
SF Weekly veröffentlichte 2005 eine Analyse der Verflechtungen:
SF Weekly, 7.9.2005: Tour de Farce – Lance Armstrong, Thom Weisel, and questions about anti-doping efforts in American cycling

Im November 2011 ist auf cyclismas.com eine weitere Analyse zu finden, in der der Aufstieg des US-amerikanischen Radsports eng mit dem Engagement der drei kommerziellen Unternehmen Amgen, AEG und Montgomery Securities in Verbindung gebracht wird. Zudem wird u.a. die Frage aufgeworfen, ob Amgen den Radsport als Experimentierfeld für die Wirkungen seines Produkt EPO benutzt hatte. Mitten in diesem Geflecht befand sich Lance Armstrong: cyclismas.com, 7.11.2011.

Armstrongs langjähriger Coach Chris Carmichel wurde 2000 öffentlich mit Doping in Verbindung gebracht. Die ehemaligen Fahrer Greg Strock und Erich Kaiter hatten Klage erhoben gegen René Wenzel und den USamerikanischen Radsportverband. Wenzel soll 1990 daran beteiligt gewesen sein die US-Jugendnationalmannschaft zu dopen. Von Pillen in Energieriegeln, Zäpfchen mit Stimulantien und vor allem Cortisonspritzen war die Rede. Strock und Kaiter führten ihre wenige Zeit später aufgetretenen schweren Erkrankungen auf diese Spritzen zurück. Strock erzählte, wie einmal auch Carmichel ihm, bestens mit einem medizinischen Koffer voller Spritzen und Medikamenten ausgerüstet, eine entsprechende Spritze setzte. Die Rede war damals den Jugendlichen gegenüber von Cortisonextrakten, die es aber nicht gibt. Der Prozess endete in einem Vergleich, beide Kläger wurden dabei mit Geld entschädigt. Carmichel hatte angeblich im Vorfeld durch das Zahlen einer Geldsumme erreicht, dass sein Name aus dem Verfahren herausgehalten wurde. Er betreute bereits Anfang der 1990er Jahre Lance Armstrong. Davis Walsh beschreibt die Vorgänge ausführlich in seinem Buch From Lance to Landis.
bikezilla, 25.5.2011: Chris Carmichael, the Ignored Lance Armstrong Connection

Die Zusammenarbeit von Armstrong und Carmichael scheint in den späteren Jahren bei US Postal Servive und Discovery Channel jedoch nur noch Fassade gewesen zu sein um die enge Verbindung zwischen Armstrong und Ferrari zu kaschieren. Tyler Hamilton spricht davon niemals etwas über Carmichaels Tätigkeit gehört zu haben, auch Vaughters und Landis bestätigen dies. (Landis/Coyle, The Secret Race, S, 102)

In späteren Veröffentlichungen geriet auch Don Catlin, Leiter des bekannten USamerikanischen Antidopinglabors UCLA in Los Angeles zunehmend in die Kritik. Hatte der Bewunderer Armstrongs in den 1990er Jahren dafür gesorgt, dass drei angeblich von Armstrong stammende Proben, die Hinweise auf Testosteron-Missbrauch aufwiesen, als nicht positiv gewertet wurden?

Sports Illustrated befasst sich mit der Rolle Don Catlins und gibt zudem ein insgesamt recht umfassendes Bild der Verdachtsmomente rund um Lance Armstrongs mögliches Doping:
Sports Illustrated, 24.1.2011: The Case Against Lance Armstrong

staatliche und sportrechtliche Ermittlungen

Anfang Mai 2012 gab United States Attorney André Birotte Jr. bekannt, dass er die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Lance Armstrong eingestellt hat. Gründe wurden nicht mitgeteilt. (WP: US Attorney Andre Birotte issues statement on Lance Armstrong doping investigation).

Die USADA reagierte kurze Zeit darauf mit der Feststellung, dass für sie die Angelegenheit nicht beendet ist (USADA, 3.2.2012). Am 13.6.2012 wurde dann öffentlich, dass die USADA Verfahren gegen Lance Armstrong, die Ärzte Michele Ferrari, Pedro Celaya, Luis Garcia del Moral, Teammanager Johan Bruyneel und Trainer Pepi Marti eröffnet hat. Die Betroffenen einzeln beschuldigt der Anwendung, Verteilung, des Besitzes und der Ermunterung von und zu Doping sowie gemeinsam der Organisation einer Verschwörung, eines Systems zu Anwendung und Verschleierung teaminternen Dopings beschuldigt:

>>> Anklageschrift der USADA

Dr. Garcia Del Moral, Dr. Michele Ferrari und Trainer Jose “Pepe” Marti, die auf die Klageschrift nicht reagierten wurden daraufhin von der USADA lebenslang gesperrt, Marti wurde jedoch später die Möglichkeit einer Anhörung eingeräumt. Johan Bruyneel und Pedro Celaya Lezama haben sich für ein Sportschiedsgerichtsverfahren entschieden.

Lance Armstrong versuchte währenddessen mit Hilfe staatlicher Instanzen die Zuständigkeit der USADA infrage zu stellen. Die UCI sowie der US-amerikanische Radsportverband unterstützten diese Haltung, doch das Unternehmen scheiterte.

Am 24. 8.2012 erklärte Armstrong, dass er nicht weiter gegen die USADA und die Vorwürfe vorgehen und die von der Agentur verhängten Sanktionen, eine lebenslange Sperre und die Aberkennung aller seiner Titel, akzeptieren werde: Lance Armstrong’s Statement of August 23, 2012

Unmittelbar danach verkündete die USADA ihr Urteil: Lebenslange Sperre und Aberkennung sämtlicher Plazierungen, Punkte und Preisgelder ab 1998.

Zur Last gelegt wurde ihm so ziemlich alles, was das Anti-Doping-Reglement unter Strafe stellt.

The anti-doping rule violations for which Mr. Armstrong is being sanctioned are:

(1) Use and/or attempted use of prohibited substances and/or methods including EPO, blood transfusions, testosterone, corticosteroids and masking agents.

(2) Possession of prohibited substances and/or methods including EPO, blood transfusions and related equipment (such as needles, blood bags, storage containers and other transfusion equipment and blood parameters measuring devices), testosterone, corticosteroids and masking agents.

(3) Trafficking of EPO, testosterone, and corticosteroids.

(4) Administration and/or attempted administration to others of EPO, testosterone, and cortisone.

(5) Assisting, encouraging, aiding, abetting, covering up and other complicity involving one or more anti-doping rule violations and/or attempted anti-doping rule violations. (USADA, 24.8.2012)

Die UCI ließ verlauten, dass sie wahrscheinlich den Urteilsspruch anerkennen und übernehmen werde. (Interview Travis Tygart, 24.9.2012)

Am 10.10.2012 schickte die USamerikanische Antidoping-Agentur die 1000 Seiten umfassende Begründung Ihres Urteils über Lance Armstrong an die UCI.

Eine Kurzversion stellte USADA der Öffentlichkeit zur Verfügung einschließlich einer umfangreichen Dokumentation von Zeugenaussagen/Geständnissen und anderen relevanten Dokumenten und Quellen.

26 Personen hatten ausgesagt, darunter 15 Fahrer, 11 waren einst Teamkollegen Armstrongs gewesen. Frankie Andreu, Michael Barry, Tom Danielson, Tyler Hamilton, Die Fahrer George Hincapie, Floyd Landis, Levi Leipheimer, Stephen Swart, Christian Vande Velde, Jonathan Vaughters und David Zabriskie haben Doping gestanden. Ihre Aussagen sind nachzulesen ebenso wie die Aussagen anderer Personen, die in den Ermittlungen eine wichtige Rolle spielten.
USADA Reasoned Decision/Kurzfassung Urteilsbegründung, 202 S.
USADA Appendices and Supporting Materials

Die UCI bestätigte am 22.10.2012 das USADA-Urteil:
UCI-Urteil zu Lance Armstrong
Erklärungen der UCI zur CAUSA Armstrong

Lance Armstrong gesteht

Im Januar 2013 war Lance Armstrong bereit in Oprah Winfreys Talkshow über seine Dopingvergangenheit zu sprechen und gestand einiges, wenn auch nicht alles. So nannte er keine Namen und beschrieb nicht mit wessen Unterstützung er wie sein Dopingsystem aufbauen und am Leben erhalten konnte.

Die Aussagen Armstrongs bei Oprah Winfrey in voller Länge:

Teil I:
BBC: Lance Armstrong & Oprah Winfrey: interview transcript
velonation: Feature: Armstrong admits doping to seven Tour wins, claims 2009 return was clean

Teil II:
BBC: Lance Armstrong & Oprah Winfrey: part two interview transcript
velonation: Feature: Armstrong/Oprah Interview Day II – I had to tell the truth for my children

Im November 2013 machte Lance Armstrong unter Eid weiterreichende Angaben zu seiner Dopingpraxis als zuvor. Vor allem belastete er nun Ärzte, Betreuer und auch Johan Bruyneel.
USA today: Lance Armstrong named names under oath
FAZ: Armstrong gesteht unter Eid

Bruyneel, Celaya, Marti

Im April 2014 wurden dann auch Johann Bruyneel, Dr. Pedro Celaya und Trainer Jose “Pepe” Martí verurteilt. Nach Ermittlungen der USADA sprach der Nordamerikanische Sportgerichtshof (American Arbitration Association North American Court of Arbitration for Sport (AAA)) für Bruyneel eine 10-Jahres-Sperre und für Celaya und Marti jeweils 8-Jahres-Sperren aus. (AAA-Urteil)

The Panel found that Bruyneel trafficked in performance-enhancing drugs and “was engaged in the allocation of team-related resources… causing a variety of prohibited doping substances and methods to be used expressly for the purpose of gaining an unfair advantage for the teams and cyclists he managed in cycling events.” In addition, the Panel found that Bruyneel himself “profited considerably from the successes of the teams and riders he managed during the relevant period.” Bruyneel encouraged athletes to use doping products including EPO, blood transfusions, testosterone, and cortisone. …

Dr. Pedro Celaya is a Spanish doctor who worked in professional cycling as a Team Doctor for over a decade and currently lives in Elorrio, Spain. The Panel found that Dr. Celaya possessed and administered doping products, including EPO, blood transfusions, and cortisone. Celaya was a Team Doctor for the USPS/ Discovery Channel Pro Cycling Team from 1997 through 1998 and from 2004 through 2007. During all or part of the period from 1999 through 2003 Dr. Celaya was a Team Doctor for the ONCE cycling team. Dr. Celaya continued to work in cycling as a Team Doctor for the RadioShack Nissan Trek Cycling Team until USADA’s case was initiated.

Jose “Pepe” Marti also was employed in professional cycling for over a decade and currently resides in València, Spain. The Panel found that Martí, a Team Trainer, trafficked performance enhancing drugs, including EPO, hGH, testosterone and cortisone to riders. Martí was involved in administering injections of EPO, testosterone, and hGH and in transfusing blood to riders. Martí worked with the USPS and Discovery Channel Cycling Teams during the period from 1999 through 2007 and thereafter worked with the Astana Cycling Team. Most recently, Martí worked with one or more riders on Team Saxo Bank-Tinkoff Bank team until after USADA’s case was initiated. (USADA, 22.4.2014