Doping: 2009 Abschlussbericht Freiburger Expertenkommission

BRD/DDR Dokumente, Protokolle, Berichte, Texte

Abschlussbericht Freiburger Expertenkommission 2009

Abschlussbericht der Expertenkommission zur Aufklärung von Dopingvorwürfen gegenüber Ärzten der Abteilung Sportmedizin des Universitätsklinikums Freiburg

– vorgelegt am 23. März 2009, redaktionell überarbeitet bis zum 12. Mai 2009

>>> Abschlussbericht Freiburger Expertenkommission

PM T-Mobile, 27.9.2006:
Medizin- und Trainingsprogramm vorgestellt

Die neue strategische Ausrichtung des T-Mobile Team sieht ein striktes Vorgehen im Kampf gegen Doping vor. Künftig werden die Profis des Bonner Radrennstalls medizinisch ausschließlich durch das Ärzteteam der Uniklinik Freiburg um Professor Andreas Schmid betreut. Ein grundlegendes Anti-Doping Programm lasse sich nur in einem komplexen Gesamtkonzept erstellen, sagt Schmid. „Dabei müssen Prävention, Kontrolle und ein optimales Umfeld für motivierte Athleten miteinander verzahnt werden. Die nötige Transparenz muss gewährleistet sein und durch ein striktes Qualitätsmanagement gesichert werden. Dafür kommen nur die besten sportwissenschaftlichen Methoden in Frage.“ …

Zitat:

„Das Universitätsklinikum Freiburg hat in Absprache mit der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg am 15. Mai 2007 eine Expertenkommission berufen, um Dopingvorwürfe zu prüfen, die am 30. April 2007 in der Presse gegen Ärzte der Abteilung Rehabilitative und Präventive Sportmedizin erhoben worden waren. Die erhobenen Dopingvorwürfe fanden sehr bald ihre Bestätigung. Bereits am 23. Mai 2007 gaben die Ärzte Professor Dr. Schmid und Dr. Heinrich schriftliche Erklärungen ab, dass sie während der neunziger Jahre am Doping von Radsportlern durch Verabreichung von Epoetin (Erythropoetin, EPO) mitgewirkt haben. Daraufhin hat das Universitätsklinikum beiden Ärzten außerordentlich fristlos gekündigt. Am 29. Mai 2007 räumte der Sportmediziner Dr. Georg Huber ein, in der Zeit von 1980 bis 1990 einzelnen U 23-Straßenradfahrern Testosteron verabreicht zu haben. Das Universitätsklinikum hat ihn daraufhin vom Dienst suspendiert.

Nach der Konstituierung am 31. Mai 2007 hat die Kommission mit ihren Nachforschungen begonnen. In 25 Sitzungen wurden insgesamt 77 Personen angehört: 37 derzeitige und vormalige Mitarbeiter der Abteilung Rehabilitative und Präventive Sportmedizin, 7 derzeitige und vormalige Mitarbeiter weiterer Einrichtungen des Universitätsklinikums, 1 Mitarbeiter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit der Albert-Ludwig-Universität Freiburg, 12 Radrennfahrer, 13 Zeugen aus den Rennställen und Sponsoren des Team Telekom und des Team T-Mobile, 6 Sachverständige und sachverständige Zeugen sowie 1 weiterer Zeuge.

Die Kommission hat am 17. März 2008 einen >>> Zwischenbericht über erste Ermittlungsergebnisse vorgelegt. Nach Auswertung zahlreicher weiterer Informationen, durch Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft Freiburg sowie durch wertvolle Hinweise von Journalisten ist die Kommission jetzt in der Lage, den Abschlussbericht vorzulegen.“

Große Evaluierungskommission

Nach der ersten Expertenkommission, die nach den Dopingvorfällen 2006 um das Team T-Mobile und Freiburger Sportmediziner eingesetzt war und obigen Abschlussbericht vorgelegt hat, arbeitete eine zweite, die umfassender und weiter in die Vergangenheit zurück ermitteln sollte. Vorsitzende dieser Unabhängigen Gutachterkommission zur Evaluierung der Abteilung Rehabilitative und Präventive Sportmedizin des Universitätsklinikums Freiburg war seit Dezember 2009 Prof. Dr. Letizia Paoli für Kriminologie in Leuven mit dem Schwerpunkt Drogenhandel: >>> Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin

Anfang Mai 2011 legte Grit Hartmann eine Recherche zum Thema vor. Daraus gehen vielfältige jahrzehntelange Verflechtungen zwischen Sport, Politik und Universität hervor, die vermuten lassen, dass die Vergangenheit noch viel Unbekanntes und für Betroffene Unangenehmes bereit hält. So gäbe es Bestrebungen, die Aufklärung durch die Große Kommission zu behindern. Selbst Unterlagen, die der ersten Kommission zur Verfügung standen, wurden gesperrt und der Einsichtnahme entzogen. Aber auch die gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt ermittelnde Freiburger Staatsanwaltschaft sieht sich behindert und beklagt eine schwierige Situation:

>>> Grit Hartmann: Breisgauer Einzelfälle

Letizia Paoli meinte hierzu im Sportgespräch des Deutschlandfunks vom 23.9.2012: „Ich kann nur sagen, wir haben vor unseren Bericht Anfang … so in der ersten Hälfte des neuen Jahres [2013] der Öffentlichkeit vorzustellen….Ich habe viel Forschung über organisierte Kriminalität und Mafia gemacht, bevor ich mich mit dem Thema Doping beschäftigt habe und dort spricht man von Omertà und in der Tat, ich finde das Wort Omertà ist auch zuwendbar, kann man das sicher auch in Verbindung mit Doping benutzen. Es gibt eine Mauer des Schweigens, sicher nicht nur in Freiburg, aber vor allem in Freiburg. Die Leute wollen einfach nicht darüber reden. … Es ist zum Teil so ein System, … es ist auch ein Problem der Sozialisierung des Athleten in einem gewissen System, es ist sicher nicht nur eine individuelle Entscheidung.“

Zitate:

„… Gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt ermittelt in Freiburg Staatsanwalt Christoph Frank gegen Andreas Schmid, Lothar Heinrich, gegen weitere Ärzte und Betreuer des einstigen Telekom-Teams. Ein Verfahren hat er schon eingestellt, das gegen die Apothekerin in Elzach.

„Wir stellen ein System fest, das wohl alles andere als transparent ist, und müssen sehen, dass wir die strafrechtlich relevanten Vorwürfe rausfiltern können. Der Ausgang der Ermittlungen ist noch offen, wir gehen aber davon aus, in den nächsten Wochen das Verfahren abschließen zu können. Wenn das Verfahren abgeschlossen wird, wird sich die Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft natürlich auch mit der Beschreibung des Systems der Behandlungen am Universitätsklinikum Freiburg befassen, um auch deutlich zu machen, welche geringen Möglichkeiten das Strafrecht hat, um Dopingpraktiken im Nachhinein zu bewerten und strafrechtlich einzuordnen.“ …
Die Ergebnisberichte des Telekom-Arbeitskreises wären nützlich für die Große Kommission mit der Kriminologie-Professorin Letizia Paoli an der Spitze. Sie prüft die wissenschaftliche Arbeit der Sportmediziner auf Dopingrelevanz. Die Papiere seien unauffindbar, teilt die Uni mit. Einige Projekttitel riechen nach Beihilfe zum Doping. Dem Projektleiter Andreas Schmid etwa sponserte die Telekom Erkundungen zur „prospektiven“ Analyse von Parametern für den indirekten Epo-Nachweis. Mit derlei Vorsorge ermittelt die Szene auch Abklingraten.

Die Kommission geht komplizierten Fragen nach. Eine: Schmid, der so genannte Einzelfall, forschte mit vielen Kollegen; die meisten sind noch an der Uni. Welchen Anteil hatten sie? Oder: Welche Expertise erwarben hier jene Doktoren, die heute bundesweit Lehrstühle besetzen und Athleten betreuen? Einfach wird das nicht. Noch ist offen, ob das Rektorat eher Rufschaden begrenzen will oder tatsächlich an Wahrheitsfindung interessiert ist. Letzten Sommer ließ man ein Rechtsgutachten anfertigen. Dem Deutschlandfunk liegt es vor.

Es sperrt Unterlagen der Kleinen Doping-Kommission, die 2009 zum Telekom-Team berichtete, für die Große. Hauptgrund: Datenschutzgesetze. Nur Gutgläubige werden am Gutachter keinen Beigeschmack finden: Der Anwalt aus der Kanzlei Graf von Westphalen vertritt die Uni oft; er steht dem Verein „Freunde der Rechtswissenschaftlichen Fakultät“ vor. Verwehrt wird der Paoli-Kommission auch Einsicht in die Personalakten von Armin Klümper und Joseph Keul. …“