2007-2024 Doping-Opfer-Rente

BRD/DDR Dokumente, Protokolle, Berichte, Texte

Die Diskussion um eine DDR-Doping-Opfer-Rente

– DDR Doping-Opfer-Rente – ein Kampf gegen Windmühlen?
– Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG)
– Anträge auf Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz
– 2022 Studie zu gerichtlichen Entscheidungen
– Initiativen für gesetzliche Regelungen 2010 – 2015. Chronologie und Zitate

DDR Doping-Opfer-Rente – ein Kampf gegen Windmühlen?

Im August 2002 wurde das Doping-Opfer-Hilfe-Gesetz verabschiedet. Bereits damals wurde eine Rente zur Sprache gebracht. In dem Gesetz wird festgehalten, dass in späteren Jahren auf der Grundlage eines Erfahrungsberichtes der Bundesregierung geprüft werden sollte, ob noch weitere Hilfen für die Dopingopfer erforderlich werden. Diese politische Diskussion fand jedoch nach Vorlage der Bilanz des Gesetzes im Jahresbericht der Bundesregierung 2006 kaum statt.

Das Gesetz und die Diskussion mit den verschiedenen Anträgen ist hier zusammen gestellt:

doping-archiv.de: das Doping-Opfer-Hilfe-Gesetz vom 24.8.2002 – Gesetzesentwürfe und Diskussion

Von verschiedenen Seiten wurden allerdings immer wieder Forderungen nach einer Rente für schwer geschädigte DDR-Doping-Opfer erhoben bzw. erneuert. Viele ehemalige Sportler/innen sind schwer krank, arbeitsunfähig und in ihrem familiären und sozialen Leben stark eingeschränkt. Nicht selten sind auch Kinder von gesundheitlichen Beeinträchtigungen betroffen. Eine ausreichende Berufsrente ist häufig nicht gegeben. Die Todesrate unter den Opfern steigt. Die Zahl der Schwerstgeschädigten, für die eine Rente in Betracht käme, wird vom Verein doping-opfer-hilfe auf 120 bis 150 geschätzt.

Einen guten Einblick in entsprechende Schicksale ehemaliger DDR-Sportler/innen gibt das Buch von G. Spitzer Wunden und Verwundungen.

Grit Hartmann berichtete 2007 über ein Gutachten, dass der Grünen-Politiker Winfried Hermann vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages erstellen ließ. Danach hätten ‚Opfer des ostdeutschen Zwangsdopings mit bleibenden Gesundheitsschäden Anspruch auf bleibende Hilfe‘. Grundlage sei das Opferentschädigungsgesetz (OEG). „Zwangsdoping, begründen die Bundestagsjuristen, sei „ein vorsätzliches Beibringen von Gift, das einem tätlichen Angriff gleichsteht“.“ Auch der DOSB hatte sich zu jenem Zeitpunkt dieser Rechtsauffassung angeschlossen. Zudem scheint das Bundesministeriums für Soziales und Arbeit bereits 2004 mit einer ähnlichen Einschätzung an die zuständigen Landesbehörden heran getreten zu sein (Berl. Zeitung, 13.10.2007). (Das Gutachten „Entschädigung von Opfern des Zwangsdopings in der DDR“, 2007, geändert 2010)

Diese für die Gewährung von Renten positiven Sichtweisen fanden in der Praxis allerdings keinen Niederschlag.

Siehe hierzu auch den
>>> Jahresbericht 2022, Opferbeauftragte

und Diskussionen / Anträge im Deutschen Bundestag zu Unterstützungen von Dopingopfern nach 2015:

2019 Kleine Anfrage ‚Hilfen des Bundes für Dopingopfer des DDR-Leistungssports‘

2017 Kleine Anfrage ‚Entschädigung der Opfer des DDR-Zwangsdopings‘

Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG)

Anstrengungen, eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz zu erhalten, wurden seit vielen Jahren von Sportler*innen unternommen, jedoch mit geringem Erfolg, siehe unten.

Als ein Weg, der sich als vielversprechend hin zu einer Rente erweisen könnte, galt das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz, nachdem Ende 2019 die Antragsfrist auf Unterstützung nach dem Doping-Opfer-Hilfe -Gesetz ausgelaufen ist. Laut spiegel.de lagen, Stand Oktober 2020, zwei entsprechende Anträge vor (spiegel.de, 5.10.2020). Im Dezember 2020 wurde ein Antrag positiv entschieden (FAZ, 12.1.2021).

Doch am 27.3.2024 stoppte das Bundesverwaltungsgericht (BVG) diesen Weg. Eine  verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für Betroffene des DDR-„Zwangsdopings“ ist nach dem VwRehaG nicht möglich. PM vom 27.3.2024:

Das systematische staatliche Doping von Leistungssportlern in der ehemaligen DDR stellt weder „politische Verfolgung“ noch einen „Willkürakt im Einzelfall“ im Sinne des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes dar. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Die Klägerin begehrt ihre verwaltungsrechtliche Rehabilitierung als Opfer staatlichen Dopings in der DDR. Sie war dort von 1968 bis 1973, damals 12- bis 17-jährig, als Leistungssportlerin aktiv. In dieser Zeit wurden ihr verschiedene Dopingsubstanzen verabreicht. Diese führten zu erheblichen und bis heute anhaltenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Klägerin ist seit ihrem 43. Lebensjahr erwerbsunfähig und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 90. Sie erhielt eine einmalige Hilfeleistung des Bundes nach dem am 31. August 2002 in Kraft getretenen Ersten Dopingopfer-Hilfegesetz. Im Jahre 2021 beantragte die Klägerin ihre Rehabilitierung nach § 1 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (VwRehaG). Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen.

Das BVG gab die Verantwortung an die Politik weiter, in deren Händen läge es nun, ob Dopingopfer eine längerfristige Unterstützung erhalten könnten.

Möglicherweise hat dieses Urteil Auswirkungen auf das zukünftige Entscheidungsverhalten von Behörden in einigen Bundesländern, in denen Entscheidungen zugunsten von Dopingopfern getroffen wurden. Ein Überblick liegt mir nicht vor.

„Es gibt auch eine gute Nachricht“, teilte der SPD-Bundestagsabgeordnete Jan Plobner auf Nachfrage mit: „Das Gericht hat klargemacht, dass es Sache des Gesetzgebers sei, über die Einbeziehung der Opfer in die Entschädigungsregelungen zu entscheiden. Dazu hat sich die SPD-Bundestagsfraktion 2023 zu der Anpassung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze klar positioniert: Die Opfer des staatlich organisierten Dopings im Spitzensport der ehemaligen DDR müssen in den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen aufgenommen werden. Ich erwarte, dass das Justizministerium tätig wird und einen Vorschlag zu einer Novellierung einbringt.“

Bereits vor dem Urteil vom Mittwoch hatte Evelyn Zupke, die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur beim Deutschen Bundestag, gegenüber der F.A.Z. eine „vertane Chance“ beklagt, sollte die Revision abgelehnt werden: „Die bestehende Ungleichbehandlung der Betroffenen würde fortgesetzt werden. Wer Opfer von staatlichem Unrecht wurde, wie die Dopingopfer, die teils sogar minderjährig waren, sollte in unserem demokratischen Rechtsstaat auf die Unterstützung unserer staatlichen Institutionen bauen dürfen.“ Bezogen auf die SPD-Initiative wendet sich Frau Zupke an den Bund: „Der Ball liegt im Feld der Bundesregierung.“ Die Bundesbeauftragte macht sich überdies Sorgen, dass es in den Bundesländern, in denen zuletzt opferfreundliche Entscheidungen gefallen sind, bei kommenden Prozessen zu einer Rolle rückwärts kommen könnte. Lehner sprach mit Blick auf die Wirkung des Urteils von einer Verstärkung des „Rechtswirrwarrs“. (FAZ, 29.3.2024)

Siehe auch:

ZDF: Keine Rehabilitierung für DDR-Dopingopfer, 27.3.2024
NDR: DDR-Sportgeschädigte kämpfen um dauerhafte Unterstützung, 12.3.2024
FAZ: Eine Frage der Willkür, 25.3.2024

Jahrelanges Bemühen

spiegel.de, 5.10.2020:

spiegel.de: „Vom staatlichen Doping in der DDR betroffene Sportler haben auch nach dem Fristende des Dopingopfer-Hilfegesetzes die Möglichkeit, eine Entschädigung zu beantragen. Sie können je nach Bedürftigkeit einen Antrag nach dem Opferentschädigungsgesetz stellen, oder eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung beantragen. Diese sogenannten SED-Unrechtsbereinigungsgesetze wurden nach der Wiedervereinigung eingesetzt, um Betroffene, die in der DDR zum Beispiel politisch verfolgt oder beruflich benachteiligt wurden, zu rehabilitieren.“

„Wenn wir vom DDR-Staatsdoping sprechen, vom Staatsplan 14.25, der gegen Kinder und jugendliche Athleten zur Anwendung kam, ist das ganz klar rechtsstaatswidriges Handeln“, sagt Anne Drescher dem SPIEGEL. „Das ist im Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz gemeint, wenn von einer ‚hoheitlichen Maßnahme einer deutschen behördlichen Stelle‘, die ‚mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates unvereinbar sind‘, gesprochen wird, die zu einer gesundheitlichen Schädigung geführt hat.“

Das Problem sei, dass das staatliche Zwangsdoping bislang nicht so gesehen wurde. „Aus unserer Sicht gehören die gedopten Sportler aber in diese Betroffenengruppe“, sagt Drescher. Sie seien demnach antragsberechtigt. Eine Frist gebe es für die Rehabilitierung nicht.

Derzeit begleitet Drescher zwei Sportler in ihren Verfahren.“

Das im Dezember gefällte Urteil im Sinne einer Sportlerin war jedoch Anfang 2021 noch nicht rechtskräftig.

FAZ, 12.1.2021:

FAZ: Anne Drescher: Einige Geschädigte versuchen über das Opfer-Entschädigungsgesetz ihre gesundheitlichen Schäden anerkennen zu lassen und finanzielle Leistungen zu erhalten, was sehr schwierig ist. Die jetzige Entscheidung zur verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung ist ein anderer Weg – und dies ist kein Grundsatzurteil, das hat das Gericht deutlich gemacht. Bei diesem Verfahren ist der erste Schritt die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung, der zweite Schritt der nun mit der Rehabilitierung mögliche Antrag auf Anerkennung gesundheitlicher Folgeschäden. Das Versorgungsamt wird jeden Fall, jeden einzelnen Antrag auf Anerkennung von gesundheitlichen Folgeschäden einzeln prüfen und bescheiden. Es entscheidet, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen Doping damals und Schädigung heute besteht und in welcher Höhe die Schädigung vorliegt. Auf Sportlerinnen und Sportler, die sich auf diesen langen Weg machen wollen, kommt etwas zu, für das sie sich Hilfe bei den Landesbeauftragten holen sollten. …

Für mich ist klar, dass systematisches Doping im DDR-Sport staatliches Handeln war und in die Systematik der Unrechtsbereinigungsgesetze gehört. Die Gesetze nehmen die gesamte Breite der politischen Verfolgung in den Blick. Das Urteil bestätigt meine Überzeugung. Wir beraten die Athletin seit Jahren und haben den Antrag auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung 2018 gemeinsam gestellt. Nachdem der Antrag abgelehnt wurde, haben wir sie im Klageverfahren begleitet. Dieses Verfahren hätte ich nicht allen Betroffenen zumuten wollen. Einige sind sehr entmutigt davon, wie die Gesellschaft auf ihre Lebenssituation blickt. Zu deren psychischen Schädigungen gehören Angststörungen und Panikattacken, Depressionen und Psychosen. …

Wer die Rehabilitierung erhält, kann Folgeansprüche geltend machen, bis hin zu einer Rente. Das Gericht ist zu der Überzeugung gekommen, dass die Doping-Maßnahmen, die die Sportlerin in den siebziger Jahren in sehr jugendlichem Alter erlitten hat, zu einer multiplen gesundheitlichen Schädigung geführt haben. Das betrifft sowohl Muskeln und Gelenke als auch ihre Psyche. Sie leidet an Schmerzerkrankungen und psychosomatischen Störungen. …

Mit dieser Entscheidung wird der wichtige Aspekt gewürdigt, dass eine rechtsstaatswidrige Handlung vorlag. Für viele Betroffene ist dies unglaublich wichtig; nun müssen sie nicht immer wieder neu argumentieren, nicht immer wieder alles erzählen. Das Gericht hat diese Tatsache bestätigt.

Anträge auf Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz

Michael Lehner, Mitbegründer des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins (DOH) und Anwalt vieler Dopingopfer im Rahmen der DDR-Dopingprozesse um die Jahrtausendwende, erklärte in einem Interview im August 2011, dass er insgesamt 4 anerkannte Dopingopfer in Renten-Verfahren vor Sozialgerichten vertrete. Dabei sei es in einzelnen Verfahrensschritten zu unterschiedlichen Bewertungen der Entscheidungsebenen bezüglich der Kausalität Doping und Krankheitsbilder gekommen.

Bis Mitte Juli 2015 liegen 3 positive Bescheide vor, 3 Doping-Opfer haben Anspruch auf eine, wenn auch teils sehr kleine, Opferrente.

KERSTIN SPIEGELBERG

Am 27. August 2013 begann am Sozialgericht Berlin die Verhandlung um eine Doping-Opfer-Rente für Kerstin Spiegelberg. Die ehemalige DDR-Kanutin wurde bereits mit 16 Jahren ohne ihr Wissen mit anabolen Steroiden gedopt. Sie litt und leidet unter Brust- und Hautkrebs und fürchtet um ihre Berufsunfähigkeit. Die 45-jährige Physiotherapeutin hätte dann kaum finanzielle Mittel für ihr weiteres Leben zur Verfügung. Werner Franke erstellte ein ausführliches Gutachten, mit dessen Hilfe zweifelsfrei nachgewiesen werden soll, dass die gesundheitlichen Probleme von Kerstin Spiegelberg auf die Gabe der Dopingmittel zurück zu führen sind (Der Tagesspiegel, 26.9.2013).

Am 27.9.2013 urteilte das Berliner Sozialgericht in Teilen zugunsten von Kerstin Spiegelberg und bewilligte ihr nach dem Opferentschädigungsgesetz eine kleine Rente. (Sozialgericht Berlin, Urteil vom 27. September 2013 – S 181 VG 167/07):

„Von einer Einwilligung der Klägerin in den Gebrauch von Dopingmitteln könne nicht ausgegangen werden. Die Klägerin sei von ihrem Trainer bewusst im Unklaren gelassen geworden, um was für Substanzen es sich eigentlich handelte. Sie sei zwar bereit gewesen, leistungsfördernde Vitamine zu sich zu nehmen, habe aber keine Vorstellung von der eigentlichen Bedeutung der Präparate und deren möglichen Spätfolgen gehabt. Bei dieser Einschätzung sei sowohl das jugendliche Alter zum Zeitpunkt des Dopings zu berücksichtigen gewesen als auch die besonderen Umstände der Trainingssituation an einer DDR Jugendsportschule.

Ein Zusammenhang zwischen dem Doping und weiteren Erkrankungen habe sich hingegen nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen lassen.

Anspruch auf Entschädigungsrente besteht nur für Zeitraum mit Schädigungsfolgen mit einem Grad der Schädigung von 50.

Ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigungsrente bestehe allerdings nach der Gesetzeslage nur für den Zeitraum, in dem die Schädigungsfolgen einen Grad der Schädigung von 50 (vergleichbar einem Grad der Schwerbehinderung) ausgemacht haben. Dieser Zeitraum umfasse vorliegend ein halbes Jahr. Wegen des darüber hinaus geltend gemachten Anspruchs (also Leistungen für einen längeren Zeitraum aufgrund weiterer Schäden) sei die Klage abzuweisen gewesen.“

KATHARINA BULLIN

Ein Urteil des Sozialgerichts Berlin zugunsten der Klägerin nach dem Opferentschädigungsgesetz wurde im September 2014 gefällt. Die Klägerin, die zwischen 1972 und 1981 Dopingsubstanzen erhalten hatte und heute unter irreversiblen gesundheitlichen Schäden leidet, hat nun Anspruch auf Versorgungsleistungen.

Die Klägerin, die zwischen 1971 und 1981 Dopingsubstanzen erhalten hatte und heute unter irreversiblen gesundheitlichen Schäden leidet, hat nun Anspruch auf Versorgungsleistungen (Sozialgericht Berlin, Urteil – 04.09.2014 – S 139 VG 310/08).

CORNELIA REICHHELM, verh. Jeske

Cornelia Reichhelm, verh. Jeske sah sich im Laufe des Antragsverfahrens zwei unterschiedlichen Argumentationen gegenüber.

Im Dezember 2009 hatte die ehemalige Ruderin Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg auf eine monatliche Dopingopfer-Rente erhoben. Zuvor hatte das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales den Rentenantrag nach zweieinhalbjähriger Bearbeitungsdauer auf der Grundlage eines Gutachtens von Prof. Eberhard Nieschlag von der Universität Münster abgelehnt. Für den Mediziner galt, dass “ … ein kausaler Zusammenhang zwischen der damaligen Zufuhr anaboler Steroide und den heute geltend gemachten Gesundheitsstörungen ausgeschlossen werden“ könne.“ (dradio, 27.12.2009).

Zwei gesetzliche Regelungen wurden als Grundlage für die Beantragung von Doping-Opfer-Renten herangezogen. Zum einen gab es die Rechtsauffassung, dass sich mit dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz ein Anspruch begründen ließe. „Das sieht soziale Ausgleichsmaßnahmen bei gesundheitlicher Schädigung durch rechtsstaatswidriges Handeln von DDR-Organen vor.“ Eine Rente mittels des Rehabilitierungsgesetzes fest zu schreiben, wurde im Oktober 2010 von der Fraktion Bündnis90/Die Grünen in die Diskussion eingebracht (s.u.).

Zum anderen versprach das oben erwähnte Opferentschädigungsgesetz (OEG) Erfolg. „Demzufolge hat einen Versorgungsanspruch, wer durch einen vorsätzlichen und rechtswidrigen Angriff auf seine Gesundheit geschädigt wurde.“ (FR, 27.1.2010)

Die Klage von Cornelia Jeske basiert darauf.

Im August 2011 erklärte Jeskes Anwalt Michael Lehner, der das Mandat 2010 übernommen hatte, in einem Interview den Stand des Verfahrens und seine Rechtsauffassung. Die Rechtslage sei

„garnicht so schwierig und mittlerweile anerkannt, dass nach dem Opferentschädigungsgesetz grundsätzlich Dopingopfern Entschädigung gewährt werden kann. Das ist lange diskutiert worden, auch in der Politik. Das Gesetz war ja für andere Dinge einmal auf den Weg gegeben worden, aber da sehe ich nirgends eine andere Rechtsmeinung, die sagt, na ja, wenn jemand ohne sein Wissen und ohne hinreichende Aufklärung (Dopingmittel ?) bekommen hat, das ist wie ein Gift, wenn der Körper Schäden davon hat, dann kann er Versorgung nach dem Gesetz bekommen. Das ist etwas ganz anderes als das Dopingopfer-Entschädigungsgesetz, das eine Einmalzahlung gegeben hat. Das Problem liegt wo anders. …

Wir haben drei Punkte, die nachgewiesen werden müssen. Erstens natürlich die Vergabe der Dopingmittel, das ist manchmal nicht einfach, weil die Akten weg sind, weil sie Stasiakten sind. … Die zweite Hürde … das OEG setzt erst ab einem gewissen Grad der Schwerbeschädigung an, … er muss also einen Schwerbeschädigungsgrad von 50 haben. … Die dritte Hürde, und da sind wir bei dem eigentlichen Problem, ist die Kausalität. Das heißt, sind die Gesundheitsschädigungen tatsächlich auf die Vergabe von Dopingmitteln zurück zu führen. Und da haben wir einen eklatanten Widerspruch mit der Handhabung des Bundesverwaltungsamtes in Köln im Rahmen der Prüfung Dopingopfer/ Dopingopferentschädigungsgesetz. Und jetzt im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes bemerke ich durchweg in den Fällen, die ich betreue, das man es häufig, bezeichnenderweise, das darf ich schon sagen, mit immer demselben Gutachter … [der] die Kausalität ablehnt, [zu tun hat]. …

Nach dem Dopingopferentschädigungsgesetz ist Frau Jeske anerkannt worden, d.h. auch die Kausalität, die musste in dem Gesetz auch geprüft werden, ist vom Bundesverwaltungsamt in Köln anerkannt worden. Da hat man es sich … nicht so schwer gemacht. Und ich vertrete die Rechtsauffassung … dass sie als Dopingopfer nach dem Dopingopferentschädigungsgesetz anerkannt worden ist. [Ob es bindend ist] nach dem OEG, das wird man sehen.“ (dradio, 7.8.2011)

Im Oktober 2013 entschied das Sozialgericht Magdeburg auf eine Schädigungsrate von 70%. Die neue Einstufung erfolgte, nachdem ein neuer Gutachter einen Zusammenhang zwischen Doping und den körperlichen Schäden herstellte (TAZ, 21.10.2013).

>>> Cornelia Reichhelm: 2013 Offener Brief an Merkel, Gauck, Bundestagsfraktionen bez. Doping-Opfer-Rente

Im Juli 2015 wurde Cornelia Reichhelm von der 4. Kammer des Sozialgerichts Magdeburg eine staatliche Rente nach dem Opferentschädigungsrecht zugesprochen ( Sozialgericht Magdeburg, Urteil vom 10.07.2015, – S 14 VE 3/11-).

„Die Vergabe von Doping-Mitteln an Cornelia Reichhelm schon im Alter von 13 Jahren stelle einen rechtswidrigen und tätlichen Angriff dar, sagte nun der Vorsitzende Richter Riechert, vergleichbar der Beibringung von Gift. Das Gericht hob damit einen Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin auf, welches den Zusammenhang von Doping und schwerer Schädigungen der Wirbelsäule durch Überlastung bestritt. Um auch unbestreitbare psychische Schädigungen berücksichtigen zu können, fehle der kausale Nachweis, konstatierte das Gericht; die Klägerin hatte ein Gutachten verweigert.“ (FAZ, 10.7.2015, taz, 13.7.2015)

GERD JACOBS

Auch der ehemalige Kugelstoßer Gerd Jacobs hatte eine Rente eingefordert. Sein Antrag wurde abgelehnt. Jacobs klagte daraufhin vor dem Sozialgericht in Frankfurt (Oder).

Das Bundesverwaltungsamt hat ihn zwar als Dopingopfer anerkannt, aber wegen der Schwere seines Falls hat er eine zusätzliche Rente für Opfer von Gewalttaten beantragt. Sein erster Trainer ist wegen Körperverletzung verurteilt worden, seine Herzerkrankung ist ein typischer Anabolikaschaden, dennoch lehnten die Ämter seinen entsprechenden Antrag ab. Seine Schäden resultierten nicht aus dem Doping, ein „ursächlicher Zusammenhang“ liege nicht vor. (der Spiegel, 26.7.2010)

Der Fall Gerd Jacobs macht deutlich, wie komplex die Zusammenhänge sein können. Jacobs litt an einem unerkannten genetischen Herzfehler, mit dem Hochleistungssport zur Gefahr wurde. In Verbindung mit der Gabe hoher Dosen anaboler Steroide hatte der Sportler letztlich keine Chance.

Jacobs Klage vor dem Sozialgericht in Frankfurt (Oder) wurde im Oktober 2014 aufgrund dieser genetischen Disposition abgewiesen, eine Kausalität durch Doping-Mißbrauch sei nicht deutlich genug feststellbar.

Jacobs wollte in Berufung gehen.

Bestätigt wurde allerdings die Anwendbarkeit des Opferentschädigungsgesetzes.

2022 Studie zu gerichtlichen Entscheidungen

Im April 2022 veröffentlichte der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages eine Studie zu den bisherigen Gerichtsentschedungen und sich daraus ergebenden Möglichkeiten Verwaltungsrechtlicher Rehabilitierung und Opferentschädigung.

>> Ausarbeitung: Zwangsdoping in der DDR Verwaltungsrechtliche Rehabilitierung und Opferentschädigung

„Nach sozialgerichtlicher Rechtsprechung wird die Anwendbarkeit des OEG bei Zwangsdoping- Opfern der DDR bejaht und sie können im Einzelfall entsprechende Versorgungsansprüche herleiten. Danach wird die Handlung der Verabreichung der Dopingsubstanzen unter das Tatbestandsmerkmal der Beibringung von Gift gemäß § 1 Absatz 2 Nr. 1 OEG subsumiert. Dieses Merkmal steht einem tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Absatz 1 OEG gleich. Ein Versagungsgrund nach § 2 Absatz 1 OEG liegt nur vor, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchsstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. Bei dieser Beurteilung sind konkret im Einzelfall alle Umstände heranzuziehen, die objektiv oder subjektiv tatfördernd gewirkt haben können.“

Initiativen für gesetzliche Regelungen 2010 – 2015

Chronologie und Zitate

2010

Anwalt Michael Lehnert:
„Ich sage einfach, wenden wir das OEG richtig an, seien wir nicht so streng mit der Kausalität in dem Sinne, dass wir also den Vollbeweis den Dopingopfern aufbürden sondern … gehen wir so vor wie das Bundesverwaltungsamt in Köln vorgegangen ist, das einfach gesagt hat, hier ist eine Möglichkeit, hier ist es medizinisch begründbar, Vergabe von Dopingmitteln, Auftreten von Gesundheitsschäden, also nehmen wir die Kausalität an. Wenn man so vorgeht, braucht man auch kein neues Gesetz“

Im Oktober 2010 brachte die Fraktion Bündnis90/Die Grünen einen Entschließungsantrag zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (Dt. Bundestag Drucksache 17/3238, 06. 10. 2010) in den Bundestag ein. In diesem forderten sie u.a.

„eine angemessene laufende Leistung für die Opfer des DDR-Zwangsdopings einzuführen, um deren gesundheitliche Schäden zu kompensieren.“ Zur Begründung heißt es: „Mit dem Dopingopfer-Hilfegesetz konnte 2002 die Situation für viele vom DDR-Staatsdoping betroffenen Sportlerinnen und Sportler vorübergehend gemildert werden. Heute zeigt sich, dass die gesundheitlichen Folgen der ohne ihr Wissen und Wollen verabreichten leistungssteigernden Präparate schädlicher sind, als bislang angenommen. Etliche Langzeitfolgen zeigen sich erst jetzt. Auch hier würde eine laufend zu zahlende Leistung in angemessener Höhe die notwendige Abhilfe schaffen. Der Personenkreis der Dopingopfer umfasst schätzungsweise ca. 500 Personen.“

Der gesamte Antrag wurde ohne große Diskussion dieses Dopingunterpunktes abgelehnt (Dt. Bundestag Plenarprotokoll Drucksache, S. 6879-6887)

Die Monate zuvor hatte das Thema zu einigen kontroversen Diskussionen geführt. Im Januar 2010 sprach sich Michael Vesper (DOSB) in einem Interview mit Herbert Fischer-Solms deutlich für eine Rente aus und wehrte Vorwürfe ab, der DOSB habe seine 2007 und später gegebenen Versprechen, sich bei Bundestag und Regierung dafür einzusetzen, nicht gehalten. Der DOSB habe, s.o., die vorherige Regierung angeschrieben und eine Rentenlösung angeregt. Eine verbindliche Antwort hätte es jedoch nicht gegeben. Gegenwärtig würde eine entsprechende Initiative bei der Bundesjustizministerin laufen, die sich dafür einsetzen solle, dass die verschiedenen Länderbehörden eine einheitliche Sichtweise einnähmen und so auf Grundlage des OEG Rentenzahlungen ermöglichen könnten. Allerdings betont Vesper, sie bräuchten nun auch „den Druck der Vertreter der Dopingopfer, die sich dann an das Parlament wenden müssen, dass das letztlich dann durchsetzen muss“ (dradio, 17.1.2010). Im Dezember 2010 kam es dann zu einem Gespräch zwischen DOSB und Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, in dem neben anderen Themen auch die Rente angesprochen wurde. Das Ministerium wollte prüfen und gab die Verantwortung für das Thema laut Vesper an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ab. Im Mai 2011 habe es dann mit diesem Ministerium ein Gespräch gegeben.

Etwas angeheizt wurde das Thema nachdem Thomas Köhler, ehemaliger erfolgreicher Rennrodler und hoher DDR-Sportfunktionär, in seinem Buch „Zwei Seiten der Medaille“ von Kinderdoping in der DDR nichts gewusst haben wollte, obwohl Fakten dagegen sprechen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse griff daraufhin das Thema Rente auf und sprach sich für einen schnelle Lösung pro Rente aus. Für Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzende des Sportausschusses, war Thierses Vorstoß dagegen geprägt von Sachunkenntnis, sie betonte den schwierigen Beweis eines Zusammenhanges von Doping und schweren Gesundheitsschäden und lehnte eine Sonderbehandlung von Dopingopfern im Vergleich zu anderen Schwerstgeschädigten ab (dradio, 20.9.2010, dradio, 25.9.2010, WDR, 19.9.2010).

Auch wenn das Thema somit nicht ganz von der politischen Tagesordnung verschwunden war, mit Dringlichkeit war es weder von den meisten Vertretern der Politik noch von Seiten des DOSB behandelt worden. Das legen zumindest mir vorliegende Aussagen nahe (s.a. taz, 24.3.2013).

2011

Im März 2011 legten Karin Strenz (CDU, Mecklenburg-Vorpommern) und Viola von Cramon (Bündnis90/Die Grünen), beide Sportausschussmitglieder, dem Bundestag ein Arbeitspapier vor, mit dem Ziel, die Bundesregierung möge einen Gesetzentwurf für eine Dopingopfer-Rente erarbeiten lassen.

„Den Weg dahin erörterten Abgeordnete mit Vertretern aus BMI und DOSB, dem Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Uni Bayreuth, Stephan Rixen, und mit Klaus Zöllig vom Dopingopferhilfeverein. Der legte eine aktuelle Analyse vor. Bilanz: Für mehr als jeden Zweiten von rund 90 befragten Athleten ist offiziell ein Schadensgrad festgestellt. Dennoch scheiterten alle Rentenanträge.

Karin Strenz verweist auf Langzeitschäden, die Berufsausübung und Lebensqualität zunehmend beeinträchtigen. Außerdem war zu hören:

„… dass im letzten Jahr sieben Dopingopfer schon verstorben sind. Viel zu früh, früher, als man sich normaler Weise aus dem Leben verabschiedet. Und daran sieht man ganz klar, dass in diesem Fall Zeit nicht Geld ist, sondern Zeit ist hier Leben. Und deswegen sind wir so mit Nachdruck dran an der Sache, dass wir hier noch etwas für die Schwerstgeschädigten tun können.“ (dradio, 25.3.2011)

Michael Vesper (DOSB) hielt im März 2013 in einem Brief an Ines Geipel fest, dass die Diskussion verschiedener Lösungsansätze in diesem Expertengespräch in der Absicht gemündet hätte, eine Gesetzesinitiative zu starten.

Dabei blieb es.

2013

Im Februar 2013 wagte die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen einen neuen Vorstoß.  [1] Sie reichte dem Deutschen Bundestag einen Antrag ein, der die Schaffung eines Dopingopfer-Renten-Gesetzes sowie die Bereitstellung weiterer Hilfen wie Beratungsangebote und leichten Zugang zu vorhandenen Aktenbeständen zum Inhalt hatte:

Antrag Rente für Dopingopfer in der DDR, Drucksache 17/12393:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine angemessene laufende Leistung für die Opfer des DDR-Dopings vorsieht, um erhebliche gesundheitliche Schäden zu kompensieren;

2. zu diesem Zweck das Dopingopfer-Hilfegesetz wieder zu öffnen, da sich die Kriterien für ein Hilfeleisten bereits bei der Auszahlung aus dem Fonds bewährt haben;

3. den anspruchsberechtigten Personenkreis aus dem Dopingoper-Hilfegesetz dahingehend zu beschränken, dass die erstmalige Verabreichung der Dopingsubstanz vor Eintritt der Volljährigkeit erfolgt sein muss;

4. eine Leistung in Höhe von wenigstens 200 Euro monatlich zu gewähren;

5. die Gewährung der Leistung nicht von der Inanspruchnahme der Einmalzahlung nach dem Dopingopfer-Hilfegesetz abhängig zu machen;

6. die Gewährung der Leistung an eine besondere Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage zu knüpfen;

7. die Antragsmöglichkeit ab dem Inkrafttreten der Regelung dauerhaft zu gewährleisten und nicht zeitlich einzugrenzen;

8. zu gewährleisten, dass Antragstellerinnen und Antragsteller bei der Erstellung der für den Leistungsbezug erforderlichen ärztlichen Gutachten auf speziell qualifizierte und sensibilisierte Ärztinnen und Ärzte zurückgreifen können, und sich dabei an Best-Practice-Beispielen aus dem Bereich der Entschädigung von DDR-Haftopfern zu orientieren;

9. für die Einrichtung und den Betrieb einer unabhängigen Beratungsstelle für Dopingopfer zeitlich begrenzt Finanzmittel bereitzustellen;

10. alle notwendigen Schritte zu ergreifen, um einen Zugang für Dopingopfer zu den noch vorhandenen Aktenbeständen, die das DDR-Doping dokumentieren, zu erleichtern und insbesondere den Aufbau und den Unterhalt eines Dopingopfer-Archivs finanziell und inhaltlich zu unterstützen;

11. Finanzmittel für die Durchführung einer medizinischen Studie bereitzustellen, die systematisch wissenschaftliche Belege für die gesundheitlichen Langzeitschäden des Dopings zusammentragen soll, um Behandlungs- und Hilfsmöglichkeiten für Dopingopfer zu verbessern und gleichzeitig die heutige Dopingpräventionsarbeit zu untermauern.

Zitate aus der Begründung:

Viele der Sportlerinnen und Sportler, die damals – oft ohne ihr Wissen – leistungssteigernde Mittel einnahmen, leiden heute unter körperlichen und psychischen Langzeitfolgen. Schon damals war den Verantwortlichen klar, dass Doping gesundheitliche Schäden nach sich ziehen würde. Nach DDR-internen Schätzungen wurden bei 10 bis 15 Prozent der Sportlerinnen und Sportler leichte Schäden erwartet, bei 5 Prozent schwere Schäden. Dies hielt die Sport- funktionärinnen und -funktionäre keineswegs von ihrem verantwortungslosen Handeln ab.

So leben heute viele Menschen mit einer Schwerbehinderung. Teilweise kommt es zu Persönlichkeitsveränderungen bis hin zur Notwendigkeit von Geschlechtsumwandlungen. Nicht nur die ehemaligen Sportlerinnen und Sportler sind von Gesundheitsschäden betroffen, sondern vielfach auch ihre Kinder.  …

Weiterhin befinden sich viele Dopingopfer in einer sozialen Notlage, da weder im Rechts-, Sozial- noch Gesundheitssystem Regelungen zur Verfügung stehen, die den Sachverhalt des staatlich organisierten Dopings ausdrücklich erfassen. Die Einmalzahlung aus dem DOHG hat die Situation der Betroffenen zeitweise verbessert. Da es sich bei den Folgen des Dopings jedoch um dauerhafte Gesundheitsschäden handelt und die Beschwerden mit steigendem Alter zunehmen, kann eine Einmalzahlung nicht als dauerhaft ausreichende Unterstützung betrachtet werden. Bleibende Schäden verlangen bleibende Hilfe. Insbesondere kann die Erwerbstätigkeit und damit auch der Erwerb von Rentenansprüchen stark eingeschränkt sein. Daher käme die Gewährung der Rente als zusätzliche Leistung erst ab Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters für viele Betroffene zu spät.

Michael Vesper, DOSB, 2013:
„Wie … ausgeführt hat sich der DOSB seit 2006 wiederholt gegenüber Bundesregierung und Bundestag für Verbesserungen für die Dopingopfer eingesetzt. Insofern weist der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in die richtige Richtung. Dazu zählt auch, dass in dem Antrag u.a. die finanzielle und inhaltliche Unterstützung zum Aufbau und Unterhalt eines Dopingopferarchives gefordert wird. Hierzu hat der DOSB bereits einen Beitrag geleistet.“

Klein-Klein-Gerede, Schuldzuweisungen, Geschacher, Parteiengezänk – Lösungsverweigerungsrethorik:
Michael Gerster, der sportpolitische Sprecher der SPD …: „Grundsätzlich sind wir für eine Rente. Der von den Grünen geforderte Mindestbetrag von monatlich 200 Euro erscheint aber zum Beispiel im Verhältnis zu den Renten, die ehemalige Stasigefangene beziehen [250 Euro bei einer Mindesthaftdauer von 180 Tagen; Anmerkung der Redaktion] unverhältnismäßig hoch.“
Doch wie rechnet man das Leid der einen gegen das Leid der anderen auf? Uwe Trömer erklärt: „Das geht nicht. Leid ist relativ.“ Er kämpft seit Jahren im Doping-Opfer-Hilfe-Verein (DOHV) engagiert für die Rente. Der finanzielle Aspekt ist für ihn zweitrangig. „Die Rente“, sagt er, „wäre ein kleiner symbolischer Erfolg für die traumatisierten Menschen“.
(taz, 24.3.2013)

„»Die Politik macht es sich einfach«, sagt er [Zöllig]. Sie habe einmal Geld gegeben, und meint, damit sei die Sache erledigt. Enttäuscht stellt er eine »Gleichgültigkeit der Politik« fest. Auch, weil einfach die Zahl der Betroffenen zu klein sei. Anhand der Dateien des Vereins »Doping-Opfer-Hilfe« hat er »120 bis 150 Schwerstgeschädigte« durch Doping in der DDR errechnet. Genaus dies sieht Viola von Cramon wiederum als Argument. »Es geht doch nicht um große Summen«, sagt sie gegenüber »nd«. Sie lägen nicht mal im siebenstelligen Bereich.“
(nd, 6.3.2013)

Der Antrag wurde im Plenum des Bundestages am 16. Mai 2013 behandelt. Viola von Cramon-Taubadal stellte den Antrag vor. Die Redner der anderen Parteien gaben ihre Texte lediglich zu Protokoll. Eine Aussprache fand nicht statt. Der Antrag wurde zur weiteren Diskussion in die Ausschüsse verwiesen.

>>> Rede Viola von Cramon-Taubadal
>>> zu Protokoll gegebene Texte der anderen Parteien [1]

Siehe hierzu auch die beiden Briefe von Hansjörg Kofink, der die fehlende Auseinandersetzung/Diskussion im Bundestagsplenum kritisierte

Hansjörg Kofink: Briefe an die Fraktionsvorsitzenden 27.5.2013

Am 6. Juni 2013 stand er auf der Tagesordnung des Sportausschusses. Zustimmung fand er nicht. Für Klaus Riegert, CDU fehlte angeblich gar eine hinreichende Begründung für die Not der Opfer:

„Also um Lösungen zu suchen, muss ja ein Problem bekannt sein. Und das Problem ist vom Dopingopfer-Hilfeverein nicht in hinreichender Form vorgetragen und ich sehe momentan nicht die Politik in der Verpflichtung da Lösungen zu suchen.“ (dradio, 5.6.2013).

Zeitgleich äußerte sich Bundesinnenminster Hans-Peter Friedrich dahingehend, dass man helfen wolle:

Das Problem ist immer die Kausalität: Kann man beweisen, dass die Schäden durch Doping verursacht wurden? Wegen dieser Schwierigkeiten hat die Bundesregierung schon vor über zehn Jahren ein Doping-Opfer-Hilfe-Gesetz in Kraft gesetzt und zwei Millionen Euro als Entschädigung zur Verfügung gestellt. Was Rentenansprüche angeht, prüfen wir gemeinsam mit dem Arbeits- und dem Justizministerium, ob es für die Geschädigten Anspruchsgrundlagen gibt. Wir sind guten Willens, wir möchten den Betroffenen helfen. Es ist wichtig aufzuarbeiten, was damals passiert ist. (FAZ, 6.6.2013

Zitate aus den Abgeordneten-Reden 2013

Eberhard Gienger (CDU):
Haben Sportler ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung gedopt? Zu der Beantwortung dieser Frage müsste man nachweisen können, dass Ärzte oder Betreuer die Sportler gezielt getäuscht haben, was ich juristisch für sehr kompliziert halte, aber für den rechtlichen Anspruch auf eine Entschädigung von ganz entscheidender Bedeutung wäre. Genau diese Frage wird in Deutschland seit dem Aufdecken des systematischen Staatsdopings intensiv diskutiert. Im Ergebnis kann gesagt werden, dass nach juristischen Maßstäben der Nachweis, dass in der ehemaligen DDR Sportlerinnen und Sportler ohne ihr Wissen gedopt wurden, im Einzelfall nur sehr schwer zu führen ist.

Ein ganz ähnliches Problem ergibt sich beim medizinischen Nachweis bezüglich der gesundheitlichen Schädigung durch ein konkretes Dopingmittel. Ohne Zweifel gibt es eine Reihe von Indizien, aber einen Zusammenhang zwischen der heute angegriffenen Gesundheit der Betroffenen und der damaligen Einnahme von ganz bestimmten Substanzen lässt sich rechtlich kaum feststellen.

Diese beiden Dilemmata sind die Ursache der komplizierten juristischen Anerkennung von Dopingopfern aus der ehemaligen DDR. Genau hier liegt dann auch das Problem des uns vorliegenden Antrags. Wo ist die Grenze zu ziehen? Welche Geschädigten sollen anerkannt werden?  …

Ohnehin lese ich in Ihrem Antrag sehr viel von finanziellen Forderungen. So soll neben einer monatlichen Rente, von wenigstens 200 Euro, eine unabhängige Beratungsstelle für Dopingopfer eingerichtet und betrieben werden. Zudem soll der Aufbau und Unterhalt eines Dopingopferarchives finanziell und inhaltlich unterstützt werden. Zuletzt fordern Sie in Ihrem Antrag noch, dass Finanzmittel für die Durchführung einer Studie bereitgestellt werden sollen, die Langzeitschäden des Dopings zusammentragen soll. Einen Hinweis darauf, wie das alles finanziert werden soll, bleiben Sie aber ebenfalls schuldig.

Insbesondere Ihre Forderungen nach dem Aufbau einer gesonderten Beratungsstelle erscheint mir weit hergeholt. Ich denke, dass sich Hilfestellungen für die Betroffenen durch bestehende Institutionen und Sportverbände organisieren lassen müssten. Der Doping-Opfer- Hilfe-Verein, DOH, leistet hier bereits einen wichtigen Beitrag.  …

Abschließend muss ich nochmals betonen, dass der uns vorliegende Antrag in die falsche Richtung geht, falsche – weil willkürliche – Grenzen setzt, die Autonomie des Sports nicht ausreichend würdigt, den Opfern eine unbürokratische Hilfe nur vorgaukelt. Wir können ihm deshalb nicht zustimmen.

PM des Vereins doping-opfer-hilfe, 15.5.2013:
Der Dopingopfer-Hilfeverein (DOH) hat an den Deutschen Bundestag appelliert, dringend die verzweifelte Lebenssituation der Schwerstgeschädigten unter den DDR-Dopingopfern zu verbessern. … „Der DOH begrüßt ausdrücklich die Initiative für einen ersten Vollantrag auf nachhaltige Unterstützung der DDR-Dopingopfer. Eine Geschädigtenrente wäre nicht nur politische Anerkennung der Schäden und des schweren Missbrauchs im Sport der DDR, sondern auch eine stabile Hilfe für die oft katastrophalen Lebensumstände ehemaliger DDR-Athleten.“ … „Wir fordern die anderen Parteien dringend dazu auf, ihre Blockadepolitik aufzugeben und dort endlich eine kleine Hilfe zu ermöglichen, wo sie dringend nötig ist.“ Die schwere Hypothek des DDR-Sports sei „ein Kollateralschaden aufgrund von politischer Gier, der einzelne Athlet jedoch bleibt heute mit seinem kaputten Körper allein.“

Klaus Riegert (CDU/CSU):
Wir haben uns mit allen Fraktionen bereits vor knapp zwei Jahren in einem Expertengespräch mit dem Thema beschäftigt (Anmerkung: Es war Keine Veranstaltung des Deutschen Bundestages, sondern eine fraktionsübergreifendes Gespräch mit Externen (s.o.). ) Organisation.. Im Ergebnis wurden von allen Seiten die gleichen Zweifel an dem von den Grünen vorgeschlagenen Weg geäußert. Allein aus rechts- und sozialpolitischer Sicht war klar, dass eine solche Initiative gar nicht umsetzbar ist und nicht rechtskonform sein kann. Insofern wundert es mich schon sehr, wenn ein von den Grünen scheinbar selbst aufgegebener Punkt nach zwei Jahren zur Bundestagswahl aufgegriffen wird. Dahin gehend kann ich den Antrag der Grünen nicht als eine seriöse und ernstgemeinte Initiative betrachten. Ehrlich gesagt ist es enttäuschend, wenn die DDR-Dopingopfer instrumentalisiert werden, um eine parteipolitische Showveranstaltung zu inszenieren, gleichwohl klar ist, dass der Antrag ins Leere läuft. Warum sind die Grünen denn nicht noch einmal auf alle Fraktionen zugegangen, bevor der Antrag eingebracht wurde? Diese Frage kann sich wohl jeder selbst beantworten. [1]  …

Ich freue mich dahin gehend sehr, dass sich zum Beispiel auch der Doping-Opfer-Hilfe-Verein weiterhin für die Belange der ehemaligen Sportlerinnen und Sportler der DDR einsetzt. Ich würde mir wünschen, dass der Verein aktiv den Kontakt zu den Regierungsfraktionen sucht und man konstruktiv nach Lösungen für eine weitere Aufarbeitung der Vergangenheit und Unterstützung der Opfer sucht. Gerne unterstützen wir den Verein dabei, eine Beratungsstelle in Berlin zu etablieren und den Kontakt zu weiteren Stakeholdern (zum Beispiel zur Pharmaindustrie) herzustellen. Neben der Vergangenheitsbewältigung wären vor allem jene Initiativen (zum Beispiel des Doping-Opfer- Hilfe-Vereins) besonders wünschenswert, die an Maßnahmen des heutigen Kampfes gegen Doping im Sport anknüpfen oder diese ergänzen.

Martin Gerster (SPD):
Und doch muss uns allen eines klar sein: Kein Geld der Welt kann das Leid der Betroffenen wiedergutmachen! Wir sind gerne bereit, über eine Rente für Dopinggeschädigte zu sprechen, und lehnen den Vorschlag nicht grundsätzlich ab. …

Zu dem vorliegenden Antrag: Richtig ist aus unserer Sicht, dass für einen möglichen Rentenanspruch die erstmalige Verabreichung der Dopingmittel vor Eintritt der Volljährigkeit erfolgt sein muss. Bei erwachsenen Menschen muss eine vollständige Eigenverantwortung für ihr Tun und Handeln eingefordert werden können. Aber nicht bei Kindern und Jugendlichen. So gibt es beispielsweise einen dokumentierten Fall, wonach ein Mädchen ab dem 13. Lebensjahr bereits Testosterondosen erhielt, ohne ihr Wissen, ohne die Chance, sich dem zu widersetzen. Das ist eine Schande. Nichtsdestotrotz sehen wir in der Tat einige Punkte in dem Antrag kritisch beziehungsweise haben noch einige Fragen an die Antragsteller. …

Um hier eines ganz klarzustellen. Es geht keineswegs um das Aufwiegen von Unrecht. Aber ich frage mich, wie Sie auf die Höhe von wenigstens 200 Euro monatlich kommen? Orientieren Sie sich am Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz? Dort erhalten Opfer politischer Haft bei einer Mindesthaftdauer von 180 Tagen eine Opferpension von bis zu 250 Euro monatlich. Es geht hier nicht um das Verhandeln um einzelne Euro. Das wird dem Leid der Opfer nicht gerecht. Vielmehr möchten wir lediglich für die weiteren Beratungen gerne wissen, wie Sie diese Untergrenze begründen und ob Sie eine Höchstgrenze angedacht haben. Und wenn ja, wo soll diese liegen?

Des Weiteren schreiben Sie in dem Antrag: „Nicht nur die ehemaligen Sportlerinnen und Sportler sind von Gesundheitsschäden betroffen, sondern vielfach auch ihre Kinder.“ Können Sie diese Aussage mit Fakten belegen? Durchaus können die Einnahme von Anabolika zu Fehlbildungen der Leibesfrucht führen und damit können auch die Kinder von gedopten Sportlerinnen und Sportlern an Gesundheitsschäden leiden. Aber nochmals: Haben Sie dazu konkrete Zahlen, die Sie in Ihrer Annahme des „vielfach“ bestätigen? Dies würde mich sehr interessieren.

Außerdem stellt sich mir die Frage: Warum haben Sie nicht zumindest in einem Prüfauftrag die Bundesrepublik Deutschland aufgeführt? Denn laut dem Forschungsprojekt „Doping in Deutschland“ gab es in der BRD auch ein vom Staat gebilligtes, zumindest nicht nachhaltig unterbundenes Doping. Dies belegen Studien des Bundesinstituts für Sportwissenschaft über den Einsatz von Mitteln wie Anabolika und Testosteron aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Dies ist zwar nicht nur annähernd in dem Ausmaß der DDR mit ihrem Staatsplan 14.25, aber es sollte aus Sicht der SPD-Fraktion dennoch berücksichtigt werden.

Dr. Lutz Knopek (FDP):
Dass die zwangsgedopten DDR-Leistungssportler Opfer der damaligen menschenverachtenden sozialistischen Diktatur waren und dass ihnen geholfen werden muss, darin waren sich 2002 alle Fraktionen einig. Auch war man sich einig, dass auf Grundlage eines Erfahrungsberichtes der Bundesregierung in der 15. Wahlperiode geprüft werden soll, ob weitere Hilfen für diese Gruppe von Dopingopfern erforderlich sind. Die Prüfung fand meines Wissens nach nicht statt und würde so eindeutig ein Versäumnis der damaligen rot-grünen Regierungsmehrheit darstellen. Warum wird dieser Antrag nun jetzt, kurz vor der Sommerpause, wo wir gar nicht mehr die Zeit haben, sachgerecht über dieses Anliegen zu sprechen, durch die Grünen in den Deutschen Bundestag eingebracht? Handelt es sich vielleicht nur um ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver? Die Tatsache, dass die Grünen diesen Antrag ohne interfraktionelle Abstimmung heute einbringen, erhärtet diesen Verdach. [1] …

Der Vorstoß der Grünen ist meiner Meinung nach kontraproduktiv und zeigt einmal mehr, dass es dieser Partei wichtiger ist, sich mit großen Worten in den Medien zu schmücken, als wirklich etwas in der Sache zu bewegen. … Ich finde es jedoch wichtig, dass der Wille des Sportausschusses aus dem Jahr 2002 nicht einfach ignoriert wird. Es ist sicherlich an der Zeit, dass sich das Parlament erneut mit der heutigen Situation dieser Dopingopfer befasst und sich alle Fraktionen gemeinsam über Möglichkeiten einer Hilfe, sei sie finanziell, in Form von Beratungsstellen oder medizinischen Studien über Langzeitschäden, austauschen. Ich hoffe, dass sich die Mitglieder des zukünftigen Sportausschusses zeitnah mit diesem Thema befassen werden.  …

Die FDP-Fraktion hofft also sehr, dass diese Debatte in der kommenden Legislaturperiode fortgesetzt und eine Lösung gefunden wird, die den Opfern gerecht wird. … In seiner jetzigen Form, mit den zahlreichen ungeklärten Fragen, lehnt meine Fraktion diesen Antrag ab.

Jens Petermann (DIE LINKE):
In der Sache ist der Antrag ein kleiner Schritt, greift aber viel zu kurz. Aus unserer Sicht muss es mehr als 20 Jahre nach der deutschen Einheit möglich sein, die einseitige Opferarithmetik, die sich auf das Schicksal von Menschen im Osten beschränkt, ad acta zu legen und sich der Thematik als gesamtdeutsches Problem zu widmen. Selbst die Doping-Opfer-Hilfe hat mit der Vorstandswahl Anfang März einen Richtungswechsel eingeleitet. Der Verein will sich von nun an um die Belange aller Sportlerinnen und Sportler kümmern, die Schaden durch Dopingpraktiken erlitten haben oder erleiden: also auch Athletinnen und Athleten aus dem Westen der Republik. Der Antrag greift dies nicht auf.

Dass sich die Doping-Opfer-Hilfe auch um die Gegenwart kümmern will, ist ein wichtiger Schritt. Da dürfen wir Parlamentarier auch im Sinne der Geschädigten des aktuellen sportlichen Geschehens nicht nachstehen. Aus unserer Sicht ist eine solche Anlaufstelle eine sinnvolle Einrichtung. Von Sportausschuss und Innenministerium fordern wir, dass umgehend an einem entsprechenden Haushaltstitel gearbeitet wird.

Wir sollten uns im Klaren darüber sein, dass bis zum Bezug einer Rente hohe Hürden zu überwinden sind, die sich nicht so leicht nehmen lassen. Die von den Bündnisgrünen vorgeschlagene Rente würde sofort auf etwaige Transferleistungen angerechnet werden. … Neben diesem symbolischen Akt geht es doch vor allem um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dazu gehört die berufliche Wiedereingliederung genauso wie eine ausreichende finanzielle Grundlage, die einen Kinobesuch nicht zum Luxus werden lässt. Beispielsweise könnte den Geschädigten eine Beschäftigung beim DOSB, bei der Nationalen Anti-Doping- Agentur und Sportverbänden angeboten werden. Gerade der Deutsche Olympische Sportbund als wichtigste Einrichtung des gesamtdeutschen Sportes trägt bei diesem Thema ein hohes Maß an Verantwortung. … Da es zwangsläufig ohnehin Probleme geben wird, den zweifelsfreien Nachweis einer Schädigung durch Dopingmittel zu führen – gleichgültig, ob Ost oder West –, bedarf es hierfür klarer Regeln, sonst gibt man den potenziell Anspruchsberechtigten Steine statt Brot und Frust statt Hilfe.

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[1] In Beiträgen einiger Fraktionen klang der Vorwurf an, Bündnis90/die Grünen hätten den Alleingang gewählt und nicht das Gespräch mit ihnen gesucht. Damit wäre ein Konsens verhindert worden. So sei die Initiative ein rein wahltaktisches Manöver.

Auf meine Nachfrage bei der Fraktion von Bündnis90/Die Grünen wurde mir mitgeteilt, dass es im Vorfeld des Antrages ein Gespräch mit der SPD gab. Bei einer weiteren Fraktion wurde zwecks eines möglichen gemeinsamen Vorgehens nachgefragt, ihre Antwort war ablehnend. Eine Oppositionsfraktion hielt schriftlich fest, dass für die Dopingopfer die Umsetzung einer Rente keine Hilfe für deren aktuelle Probleme brächte. „Aus Sicht der grünen Bundestagsfraktion hat es daher kein weiteres gemeinsames Vorgehen gegeben. In den letzten vier Monaten seit Antragseinbringung gab es zu keinem Zeitpunkt einen Hinweis einer anderen Fraktion, sich über eine gemeinsame Lösung verständigen zu wollen. Selbstverständlich hätte bei einer verspäteten Verständigung mit anderen Fraktionen die grüne Bundestagsfraktion ihren Antrag im Bundestag nicht zur Abstimmung gebracht.“

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Ines Geipel im Interview, 6.7.2013, Zitate:

Am 6.7.2013 berichtete Ines Geipel, Vorsitzende des Vereins doping-opfer-hilfe, über die Aufgaben, denen sich der Verein gegenwärtig gegenüber sieht. Die schweren gesundheitlichen Schäden vieler ehemaliger DDR-Sportler lasten schwer:

dradio: Gestern Weltrekordler, heute ein Wrack

Deutschlandradio Kultur: Kurzer Einschub: Der Berliner Prozess fand im Jahr 2000 statt. Das war, salopp gesagt, der Prozess gegen die Dopingtäter. Und Sie waren Nebenklägerin in diesem Prozess. Anderen, Frau Geipel, geht es noch deutlich schlechter als Sie das eben beschrieben haben in Ihrem Fall. Manche sind sogar längst gestorben an den Folgen dieser jahrelangen Oralturinabol-Einnahme. Wie viele Opfer des DDR-Zwangsdopings gibt es etwa, die wirklich schwer betroffen sind? Sie sagten vorhin, zwölftausend kann man nennen, die überhaupt betroffen waren. Und wie viel, würden Sie klassifizieren, sind ganz schwer betroffen?

Ines Geipel: Na ja. Wenn es diese Zahl zwölftausend gibt, ist auch erwiesenermaßen gesagt, zehn bis fünfzehn Prozent der Athleten leiden unter irreversiblen Schäden. Und das würde ich schon auch bestätigen, wir haben im Verein im Moment 600 Athleten, die wir betreuen. Und durch die Tatsache, dass wir uns neu aufgestellt haben vor einem Vierteljahr im Vorstand, die im Grunde alles ehemalige Athleten sind, die eine Geschichte haben, melden sich zusehends ehemalige Athleten mit sehr konkreten Fragen, mit der Bitte um Klärung von auch Ansprüchen.

Es geht dann im Grunde auch um solche Fragen: Ist es möglich, in meinem Haus einen Lift einzubauen oder in meiner Wohnung einen Lift einzubauen, weil, das sind zwei Etagen und ich kann mich nicht mehr bewegen? Und da geht es um ehemalige Athleten, die sind heute Mitte 40. Und Sie haben es gesagt: Ja, die Steroid-Vergaben haben unendlich harte Nachgeschichten produziert. Wir haben jetzt im Frühjahr drei Athletinnen, die verstorben sind, zumeist an Tumorerkrankungen, also Krebserkrankungen. Aber die Todesliste ist wirklich lang. Und wir haben mit multiplen Erkrankungen zu tun, wo es ganz schwierig ist, diesen Athleten eine Lebensperspektive zu eröffnen. Und es gehört natürlich dazu, dass nach wie vor, bezogen auf dieses politische DDR-Doping, sowohl der Sport als auch die Politik immer noch sehr mauern. Es ging ja jetzt im Frühjahr um eine Rentengeschichte. Der Vorschlag kam von den Grünen.

Deutschlandradio Kultur: 200 Euro im Monat.

Ines Geipel: Ja, 200 Euro im Monat. Gemessen tatsächlich an den schweren Schädigungen ist das ja vor allen Dingen auch eine Frage der Anerkennung dieser Geschichte. Im politischen Raum ist das völlig abgewatscht worden, vor allen Dingen von CDU und SPD. Und jetzt können wir nur in eine neue Runde gehen und sagen: Die Schäden sind da. Es geht letzten Endes um an die tausend, fünfzehnhundert Athleten im Hinblick auf die DDR-Geschichte, aber natürlich melden sich jetzt auch zusehends neue Fälle, die mit DDR nichts mehr zu tun haben.

Deutschlandradio Kultur: Noch einmal kurz zurück zu dem riesigen Problem der Zwangsdopingopfer. Ich war besonders bestürzt, als ich las und auch in einer Dokumentation sah, dass es eben auch Kinder gibt, nämlich die Kinder von Frauen, die gedopt waren, die kamen zur Welt mit Klumpfüßen, teilweise blind. Gibt’s da eine Zahl der Opfer, die Sie nennen können? Und wie werden die behandelt, von der Politik beispielsweise?

Ines Geipel: Wir kommen an dieser Stelle wirklich keinen Schritt weiter. Also, es gab ja Entschädigungsrunden. Vor allen Dingen eben nach dem Berliner Prozess hatte der Bundestag einen Entschädigungsfond aufgelegt. Da sind die Kinder, also die Schäden – das klingt jetzt ein bisschen abstrakt -, Schäden in der zweiten Generation nicht mit inbegriffen gewesen. Wir versuchen über den Verein zumindest die Fälle zu dokumentieren, die Ärzte, die in dieser Hinsicht helfen können, zu vermitteln. Also, wir sind im Grunde ja nur die Navigatoren für diese schweren Geschichten.

Das sind jetzt bei uns im Verein an die 30, die wir haben. Ich glaube aber nicht, dass das alle sind. Also, noch einmal: Gerade weil diese Dopinggeschichte in der DDR so geheim, so konspirativ verhandelt wurde und gelaufen ist, ist die Klärung und die Aufarbeitung so zögerlich, so schwierig, so verbacken, weil es natürlich auch immer um etwas sehr Intimes geht. Es geht um Körper, es geht um Seelenrisse und, ja, starke Brüche in den Leben der ehemaligen Athleten. Und da muss man sich schon auch überlegen, ob man die Kraft hat, mit diesen Geschichten an die Öffentlichkeit zu gehen.

Wende zum Besseren? – Ines Geipel im Interview, 6.10.2013, Zitate:

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk, gesendet am 6.10.2013, gibt Ines Geipel ihre Einschätzung des Sozialgerichts-Urteils zugunsten einer Rente für Kerstin Spiegelberg. Zudem berichtet sie von positiven Gesprächen mit dem Bundesinnenministerium, aus denen sich ableiten ließe, dass Bewegung in die Angelegenheit kommen werde.

„In unseren Augen ist das ein Grundsatzurteil und dieses Urteil bahnt natürlich jetzt den Weg für die anderen Prozesse, die ja zum Teil schon seit Jahren laufen. Also wir nehmen an, dass es jetzt ein bißchen leichter wird und die Gutachter nicht einfach immer alles so abwatschen können. …

da es ja um die Rente vor einem Sozialgericht geht, sind das immer lange Wege, manchmal über Jahre wie bei Frau Spiegelberg und das Problem über die Jahre war natürlich, das war klar, auch für die Gerichte, hier handelte es sich um staatliche Willkür. Aber die Kausalität musste bewiesen werden und das ist natürlich immer sehr konkret, immer ein einzelner Fall. Und das wird für jeden auch immer noch über die Zeit hin ein Weg werden. Deswegen ist klar, nach Koalitionsverhandlungen für uns als doping-opfer-hilfe-verein werden wir uns auch weiterhin um eine politische Rente kümmern. …

Wir sind an einem ganz neuen Punkt. In meinen Augen gibt es tatsächlich einen Mentalitätsbruch. Wir haben sehr offene und sehr sachliche Gespräche mit dem Innenministerium gehabt. Man sieht dort die Not, man sieht den Handlungsbedarf und auf diesem Weg können wir weiter gehen. Ich finde , das ist ein absolut tolles Signal das klar ist. Es wird eine kontinuierliche Hilfe geben für die Dopinggeschädigten. Wir werden die Beratungsstelle aufbauen, wir schalten die Website, wir kommen mit dem Archiv. Also Hier auf der Ebene ist sehr viel los.“

NDR, 14.2.2015:
Kliniken bieten Dopingopfern Hilfe an
„Das Universitätsklinikum Greifswald und die Helios-Kliniken in Schwerin bieten den Betroffenen jetzt Hilfe an. Dabei geht es nicht allein um die Behandlung von schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs, Skelettverformungen oder Leberschäden. Vor allem sollen spezielle Gutachten belegen, dass die Ursachen der Leiden vielfach im Zwangs-Doping durch DDR-Funktionäre liegen. Gerade bei drohender Berufsunfähigkeit sei ein solcher Nachweis für eine Kostenübernahme durch Kranken- und Sozialversicherung von erheblicher Bedeutung, so ein Sprecher der Dopingopferhilfe. In Deutschland gelten heute rund 2.000 ehemalige DDR-Sportler als schwerbehindert.“

2015

Ende des Jahres 2015 scheint es von Regierungsseite keine Initiativen hin zu einer gesetzlich geregelten Doping-Opfer-Rente zu geben. Allerdings stellte der Bund 10,5 Mio € als Hilfe für Doping-Opfer zur Verfügung. Gleichzeitig forderte er den DOSB auf, ebenfalls eine vergleichbare Summe auf zu bringen und damit zu seiner Verantwortung zu stehen. Der DOSB verweigert dies jedoch bislang. Er und seine Mitglieder schweigen.

de Maizière, 6.12.2015:
Aber ich finde es schon richtig, dass der organisierte Sport überlegt, wie sein Beitrag sein könnte. – … Was wir hier versuchen ist, in Fortsetzung einer abgeschlossenen Maßnahme von früher einen solchen Doping-Opferfonds wieder aufzulegen. Es soll eine Geste sein, eine bestimmte Summe, mit der man versucht, Schaden ein bisschen wiedergutzumachen. Das, glaube ich, ist geboten, wenn man sieht, dass bestimmte Spätfolgen durch Krankheiten, die sonst nur alte Menschen bekommen, auftreten: Zittern, Krebs, alles Mögliche andere. Dann, finde ich, ist es an der Zeit, auch 25 Jahre nach der deutschen Einheit dieses Kapitel noch einmal aufzurufen, dann allerdings auch zu beenden. Das war ein vom Staat organisiertes Doping, aber zum Dopen gehören auch immer zwei, nicht nur der, der das anordnet oder vorbereitet oder fördert, sondern auch einer, der es nimmt, der auch verdeckt. Wie viele Pillen sind einfach Mädchen gegeben worden, ohne zu sagen was das ist? … Vielleicht wurde auch von den Trainern und so weiter mehr gegeben und all das. Man kann jetzt nicht sagen, das war der Staat und der Sport hat damit nichts zu tun. Deswegen fände ich es schon gut, wenn wir da noch einen Schritt vorankommen. Aber trotzdem bleibt die Aufgabe auf jeden Fall richtig und notwendig.